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Benjamin Karl: "Besinne mich auf das, was ich kann"

Benjamin Karl:

Benjamin Karl weiß, wie es ist, bei einer WM ganz oben zu stehen. Ganze vier Mal hat der 29-Jährige dieses Gefühl bereits auskosten können. Nun geht es bei der Heim-WM am Kreischberg und im Lachtal für den Snowboarder erneut "um die Wurscht". Mit einer fünften Goldmedaille kann er sich zum erfolgreichsten Snowboarder bei Weltmeisterschaften küren.

Trotz eines Bandscheibenvorfalls will der Niederösterreicher voll attackieren. "Ich habe schon vor einiger Zeit gemerkt, dass ich im linken Fuß weniger Kraft habe, die Zehen taub werden und die Feinmotorik eingeschränkt ist". Nach der Saison wird der Vorfall infiltriert, bis dahin muss er die Zähne zusammenbeißen.

„Wir versuchen jetzt, die Probleme mit Physiotherapie und Voltaren in den Griff zu bekommen. Ich denke weiter positiv und bin überzeugt, dass ich an die Leistungen der letzten Rennen anknüpfen kann. Mit den Problemen, die der Bandscheibenvorfall verursacht, habe ich in den letzten Wochen gelernt, umzugehen. Das sollte also passen.“

Guter Renn-Rhythmus

Zwar haben die Parallel-Boarder erst drei Weltcup-Stationen in den Beinen, dieser Umstand macht den Routinier aber nicht nervös: "Das haben wir eigentlich immer so. Die WM ist immer im Jänner und davor haben wir zwei bis vier Weltcups. So gesehen sind wir in einem guten Renn-Rhythmus".

Ein Podestplatz sprang für "King Karl" zwar in dieser Saison noch nicht heraus, zuletzt schrammte er im neuen Mixed-Bewerb ("Grandios, ich hätte nicht erwartet, dass es so spannende Duelle gibt") in Bad Gastein gemeinsam mit Claudia Riegler auf Rang vier aber nur ganz knapp am Treppchen vorbei. "Da hat die Form so gut gepasst, dass ich das Zeug gehabt hätte, zu gewinnen."

"Habe das Zeug, zu gewinnen"

Zudem stehen beim Bronzemedaillen-Gewinner von Sotschi Rang acht und elf im Parallel-Riesenslalom sowie ein weiterer vierter Rang im Slalom zu Buche. Ob die von ihm angekündigte "Mission Gold" damit auf Kurs ist? "Ich traue mich nicht richtig, etwas vorherzusagen, es kann alles passieren. Wenn es mir gelingt, alles umzusetzen, habe ich die Chance, zu gewinnen. Falls es mir nicht gelingt, gibt es einfach zu viele starke Gegner. Das Zeug, um zu gewinnen, habe ich."

Da die alpinen Boarder erst gegen Ende der WM - der Parallel-Slalom steigt am 22. Jänner, der Riesenslalom einen Tag darauf - in das Geschehen eingreifen, hat der Familienvater noch ein paar Tage Zeit, um Kraft zu tanken. Dies tut er im Kreise seiner Liebsten. Denn am Besten abschalten lässt es sich für ihn, "indem ich Zeit mit meiner Familie verbringe, nicht so unbedingt auf den Trainingsplan schaue und mir keine Hax’n mehr im Krafttraining und bei der Ausdauer ausreiße. Ich besinne mich auf das, was ich kann und dann geht’s los."

Bevor es wirklich losgeht, hat er gegenüber LAOLA1 noch zu den wichtigsten Themen rund um das Snowboarden und die WM Stellung genommen.

 

BENJAMIN KARL...


... ÜBER DEN WM-HANG:

Es ist ein relativ selektiver und schwieriger Hang mit zwei Übergängen. Weil das Flachstück relativ lang ist, muss man vor allem den Übergang vom Steilen ins Flache gut erwischen. Wenn du da deinen Schwung abstichst oder einen Fehler im Flachen hast, ist es praktisch gelaufen. Zumal man bei der Single-Elimination nur einen Run gegen den Gegner hat. Das ist schon ein kleiner Vorteil, dass wir da oft trainiert haben und uns den Übergang in jeglicher Spezialform stecken und trainieren konnten. Bisher war die Piste eher weich, ich hoffe, dass sie bis zur WM noch härter und griffiger wird und es somit fast ein wenig nordamerikanische Verhältnisse gibt.

 

... ÜBER DIE MEDAILLENCHANCEN DES ÖSV:

Bei den Damen traue ich im Slalom Julia Dujmovits und Marion Kreiner am meisten zu. Bei den Herren kann eigentlich jeder von uns (Benjamin Karl, Sebastian Kislinger, Lukas Mathies und Andreas Prommegger, Anmerk.) gewinnen, da kommt es ein bisschen auf die Bedingungen an. Im Riesentorlauf sind Marion und Julia auch stark. Sabine (Schöffmann, Anmerk.) kann überraschen, wie wir im Montafon gesehen haben. Die Claudia (Riegler, Anmerk.) ist bei einer WM sicher nicht nervöser als woanders, sie ist so routiniert und hat auch schon ihre WM-Medaillen abgeholt. Das kann man schwer einschätzen. Bei den Herren ist es im PGS auch wieder schwer… da würde ich ebenfalls mich, Kislinger, Luki und Andy als mögliche Medaillenkandidaten sehen.

 

... ÜBER DIE KONKURRENZ:

Ich glaube, Roland Fischnaller, der die ersten beiden Weltcups gewonnen hat, hat die Formkurve bereits wieder etwas überschritten, dennoch ist er immer stark einzuschätzen. Zan Kosir war bei den letzten vier oder fünf Rennen immer am Podium, zuletzt feierte er seinen ersten Weltcup-Sieg. Es schaut also so aus, als sei er heiß auf die WM. Dann gibt es den slowenischen Titelverteidiger, Rok Marguc. Auch die Amerikaner um Justin Reiter sowie die Russen um Vic Wild sind stark. In die Top 16 fährt zudem immer mal jemand herein, von dem man es nicht erwartet. Auch die Deutschen sind stark einzuschätzen, Patrick Bussler fuhr nach seiner Verletzungspause in Bad Gastein gleich aufs Podium, Alex Bergmann ist ebenfalls stark. Die besten Zehn kann man schon zu den Favoriten zählen. Insgesamt sind die stärksten Nationen sicher Slowenien, Russland, Italien und Österreich.

... ÜBER DEN SINGLE-RUN-MODUS:

Mittlerweile finde ich ihn okay, ich mache mir nicht mehr viele Gedanken darum. Es ist, wie es ist. Wenn man zurückschaut, hätte ich vielleicht im Single-Format Rennen gewonnen, die ich damals nicht gewonnen hätte und andere verloren, die ich mit Re-Run gewonnen habe. Also ich glaube, im Großen und Ganzen gleicht es sich aus. Fairer ist es auf keinen Fall, zumal die Piste nicht auf beiden Seiten gleich ist… aber so ist das Spiel, das sind jetzt die Regeln und wir müssen uns danach richten. Das Gute daran ist, das es fürs Fernsehen attraktiver geworden ist. Es geht ruckzuck und die Aufmerksamkeit ist leichter zu halten.

 

... ÜBER DIE BEDEUTUNG EINES HEIM-EVENTS:

Ich hoffe nicht, dass sich jemand vom Druck erdrücken lässt. Ich hoffe, dass ihm alle standhalten und sich durch das Publikum noch pushen lassen. Wir haben viel auf der Piste trainiert und dadurch einen kleinen Heimvorteil, da wir die Tücken ausmachen und uns verbessern konnten. Bisher hat sich noch keiner von uns zu sehr von der Heim-WM beeindrucken lassen, alle waren voll konzentriert auf die Weltcups. Die Stimmung wird auch immer besser. In den letzten Jahren war sie ja eher schlechter, nun kommt es mir so vor, als ob wir alle wieder zusammenrücken und ein richtiges Team werden.

Karl traut sich erneut den WM-Titel zu
... ÜBER DIE LAGE DER SNOWBOARD-CROSSER:

Es ist hart, vor allem haben sie heuer glaube ich überhaupt nur drei Weltcup-Rennen, die alle im März sind. Das ist schon hart, da fühle ich mit ihnen und da muss sich im nächsten Jahr auf jeden Fall etwas ändern. Sonst kann man den Sport nicht professionell ausüben. Ich verstehe auch nicht ganz, warum es keine Ersatztermine für abgesagte Bewerbe gibt. Das erste Rennen der Saison ist immer das spannendste, weil man vorher nicht genau sagen kann, wo man steht. Im Training kann man die eigene Form ein wenig abschätzen, aber wie gut die anderen sind und wie weit man sich im Wettkampf steigern kann, das ist immer offen. Somit ist die Anspannung bei den Läufern im Snowboardcross sicher etwas höher als normal, nicht nur, weil es eine WM ist.

... DEN STELLENWERT DER SNOWBOARDER BEI DER FIS:

Die FIS hat immer Angst, dass ihr Baby und ihre Cashcow, der alpine Skisport, zu kurz kommt. Das ist eine Blase, die brutal aufgeblasen ist und in einem sehr engen Raum stattfindet. Die FIS muss das kultivieren und schauen, dass es so bleibt, da finanziell sehr viel dranhängt. Da haben sie immer ein bisschen Angst, dass ihnen eine andere Sportart die Show stiehlt. Deswegen schauen sie, dass sie alles andere tiefhalten und den Skisport pushen. Aber wir müssen gar nicht über die Skifahrer hinauswachsen, wir leben in ihrem Schatten auch ganz gut. Im letzten Jahr haben wir uns aufgeregt, dass wir zu wenig Bewerbe haben. Das hat Gott sei Dank gefruchtet, jetzt haben wir beinahe doppelt so viele. Da muss sich jeder auf die Füße stellen, dass es wieder mehr Bewerbe gibt. So kann es nicht weitergehen, vor allem bei den Crossern. Ich hoffe, dass sich das wieder ändert und auch wieder Winter mit Minusgraden kommen, kein Spätherbst oder Frühsommer. Der Snowboard-Sport muss kämpfen, damit er gesehen und anerkannt wird und sich in der FIS etablieren kann. So schnell wird sich das nicht ändern, aber wir Snowboarder sind Kämpfer.

... ÜBER DIE ENTWICKLUNG SEINER SPORTART:

In den 80ern und bis Mitte der 90er hat das Snowboarden geboomt, nun ist es schon seit zehn Jahren rückläufig. Aber in den letzten Jahren ist wieder ein kleiner Aufwind bei den Racern zu spüren. Der Hervis-Marketingchef hat mir zum Beispiel gesagt, dass es mit dem Snowboarden laut Umfragen generell wieder bergauf geht – sowohl im Freestyle- als auch im Alpin-Bereich. Ich habe also keine Angst um die Zukunft des Snowboard-Sports. Die Alpin-Bewerbe waren in Sotschi unter den am meisten besuchten Bewerben der gesamten Olympischen Spiele. Auch unter den TV-Zuschauern waren wir mit einem Bewerb an viertbester Stelle… Zahlen lügen nicht, also brauchen wir uns um unseren Sport keine Sorgen machen. Wir haben gute Märkte, man darf nicht immer alles nur vom österreichischen Horizont aus betrachten. Wir sind gut aufgestellt.

 

... ÜBER DIE ROLLE DER HEIM-WM IN BEZUG AUF DIE POPULARITÄT DES SNOWBOARDENS:

Wir waren in Sotschi erfolgreich und die Leute wissen das. Das ist natürlich super, wenn direkt ein Heim-Event folgt, die Leute uns schon kennen und anfeuern kommen und vielleicht sogar wieder siegen sehen. Das ist natürlich schon eine Festigung unserer Sportart und unserer Persönlichkeiten.

 

... ÜBER SEINE ZUKUNFTSVISION:

Ich wünsche mir, dass wir größer werden. Wachstum ist in der heutigen Zeit gefragt. Es wäre schön, wenn wir in jeglicher Art wachsen können, in Österreich, in Europa, in der Welt. Ich hoffe auch, dass wieder mehr Leute zum Alpin-Sport finden, vor allem in der Hobby-Sektion. Wenn wieder mehr Snowboarder auf der Piste zu sehen wären, wäre das schön.

 

Henriette Werner