Klestil-Löffler: Aus meiner Sicht wurde da in der Berichterstattung sicher übertrieben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es diesbezüglich während der Spiele zu Problemen kommen wird. Das Gesetz besagt, dass eine Propagierung von Homosexualität unter Minderjährigen nicht erwünscht ist. Da geht es auch um Objektivität und Korrektheit in der Berichterstattung.

LAOLA1: Vielen Russen stößt die Kritik des Westens und die negative Berichterstattung sauer auf, teilweise wird sogar von Propaganda gesprochen?

Klestil-Löffler: Ich mag das Wort Propaganda nicht. Klar ist: Die Journalisten haben eine große Verantwortung. Manches wird verkürzt, verzerrt oder übertrieben dargestellt. Auf der anderen Seite ist es notwendig, den Finger in die Wunde zu legen und aufzuzeigen, wo es Verbesserungsbedarf gibt. Wenn die Berichterstattung objektiv und fair ist, ist man geneigt Kritik auszuhalten – auch in Russland.

LAOLA1: Russland hat neben den Olympischen Spielen auch die Fußball-WM 2018 bekommen und richtet ab 2014 ein Formel-1-Rennen aus. Das erweckt den Eindruck, als sei der Sport ein beliebtes Hilfsmittel zur Demonstration von Stärke?

Klestil-Löffler: Russland bewirbt sich auch um die Weltausstellung 2020. Es passiert gerade sehr viel. Und es wäre viel zu kurz gegriffen, wenn man es darauf reduziert, was man in Moskau möchte. Es sollen die Regionen entwickelt werden, dort muss man hin. Das sieht übrigens auch unsere Wirtschaft so und das macht sich bezahlt. Wir haben Export-Zuwächse jährlich von rund 20 Prozent.

LAOLA1: In diesen Dimensionen soll sich auch die Auslastung der Ski-Gebiete in Sotschi nach den Spielen bewegen. Der Russe fährt am liebsten nach Österreich zum Skifahren. Warum ist das so?

Klestil-Löffler: Der Russe ist ein Genießer, er isst und trinkt gerne. Da haben wir mit unserer hochentwickelten Gastronomie natürlich einiges zu bieten. Aber wir merken auch, dass der Sommer-Tourismus in Österreich hier in Russland immer populärer wird. Ich war erst kürzlich in Wien und in der Innenstadt unterwegs. Da ist es gar nicht so schlecht, wenn man Russisch versteht.

LAOLA1: Aus Österreich werden nur wenige Olympia-Touristen zu den Spielen nach Sotschi reisen. Worauf dürfen sie sich freuen?

Klestil-Löffler: Der Russe ist grundsätzlich ein sehr gastfreundlicher, offenherziger Mensch. Durch die Schnelligkeit der Entwicklungen tritt das manchmal in den Hintergrund. Aber was ich bei der Universiade in Kazan erlebt habe, war sehr positiv. Man möchte sicher auch in Sotschi zeigen, was das Land zu bieten hat. Und der Austragungsort ist ganz besonders. Sotschi ist die einzige Region in Russland mit subtropischem Klima. Unten kann man im Meer baden und im Hintergrund sind die schneebedeckten Berge.

LAOLA1: FIS-Präsident Gian-Franco Kasper hat im Interview gemeint, dass man sich kein großes Fest erwarten darf. Feiert der Russe nicht gerne?

Klestil-Löffler: Ich denke schon, dass die Russen zu den Sport-Veranstaltungen kommen werden. Beim Eishockey erhofft sich das ganze Land die Goldmedaille. Wenn das klappt, sind die Spiele sowieso ein voller Erfolg.

LAOLA1: Und welchen Bewerben werden Sie beiwohnen?

Klestil-Löffler: Ich werde versuchen, mir möglichst viel anzuschauen. Skifahren, Skispringen, Snowboard – es gibt einige Bewerbe, die sehr Medaillen-verdächtig sind. Aber ich freue mich auch schon auf die Paralympics im Anschluss, die genauso wichtig sind.

LAOLA1: Frau Botschafterin, wir danken für das Gespräch.

 

Das Interview führte Stephan Schwabl