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Eisschnelllauf-Verband steht vor Zerreiß-Probe

Eisschnelllauf-Verband steht vor Zerreiß-Probe

Aufbruchstimmung herrschte, als im Mai dieses Jahres die umstrittene Regentschaft Manfred Zojers im Eisschnelllauf-Verband endete. Nun sollte alles besser werden.

Große Hoffnungen wurden in Nachfolger Ernst Falger sowie Michael Hadschieff, der die Posten des Generalsekretärs und Sportdirektor bekleidet, gesetzt. Insbesondere Letzterem wurde zugetraut, dass er den finanziell angeschlagenen Verband wieder zurück in die Spur führt.

Das war vor sieben Monaten.

Heute hat sich zumindest ein Teil dieser Hoffnungen zerschlagen. Damit nicht genug, könnte die Ära Hadschieff am Samstag schon wieder beendet sein.

Vertrag oder nicht Vertrag?

Am Samstag findet am Rande der Staatsmeisterschaften in Innsbruck eine ÖESV-Vorstandssitzung statt, bei welcher gelinde gesagt der Hut brennt. Auf der Tagesordnung stehen mehrere brisante Themen. Darunter auch der Anstellungsvertrag von Hadschieff.

Denn dieser ist nach wie vor nicht vollständig unterzeichnet. Ein Vorstandsmitglied weigert sich mit der einfachen Begründung, dass das Arbeitspapier nicht statutenkonform ist.

Gemäß LAOLA1-Informationen würde der Vertrag Hadschieff dazu bevollmächtigen, keine Rücksprache mehr mit dem ÖESV-Vorstand halten zu müssen, er würde dann nur mehr den Weisungen Falgers unterstehen.

Der Generalsekretär selbst sieht das anders. „Mein Vertrag ist ordentlich unterschrieben und rechtskräftig“, erklärt er auf Nachfrage.

Gültiger Vertrag hin oder her, hat Hadschieff in den vergangenen Monaten ohnehin eine – nennen wir sie – eigenständige Arbeitsweise gelebt. Die Folge sind massive Unstimmigkeiten mit dem Verbands-Vorstand, der sich übergangen fühlt. So massiv, dass am Samstag sogar die Frage nach „Sein oder nicht sein“ gestellt werden kann.

Eine Reihe von Alleingängen

Im Eisschnelllauf-Verband ist derzeit so einiges unklar. Im Mai wusste man beispielsweise nicht einmal, ob es den ÖESV aufgrund der finanziellen Altlasten überhaupt noch lange geben würde. Was die Ausfinanzierung der restlichen Weltcup-Rennen in diesem Winter anbelangt, ist sich die Trainerschaft auch noch nicht so ganz sicher.

Hadschieff vermochte zwar bislang den Da-Vinci-Code rund um die Gebarungen der Vorgänger-Riege nicht restlos zu entschlüsseln, war aber in seinen Ideen und Visionen sehr viel klarer. Der zweifache Olympia-Medaillengewinner ging flugs dazu über, Namen sowie Logo des Verbandes zu ändern. So heißt der ÖESV nicht mehr ÖESV, sondern AIR, was für Austrian Ice Racers steht. Dass wir hier nach wie vor vom ÖESV schreiben, schuldet lediglich der Gewohnheit.

Das angeknackste Image des Verbandes neu aufzusetzen, klingt nach einer an und für sich lohnenden Idee. Dumm nur, dass der Vorstand dazu nie befragt wurde und die eigenen Statuten dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit verlangen. Hadschieff sieht das nicht so, schließlich handle es sich bei der Namensänderung lediglich um die englische Bezeichnung des Verbandes, der international bislang als Austrian Speed Skating Association (ASSA) seine Runden drehte. „Und dafür ist keine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig“, versichert der 51-Jährige.

Die Arbeitsweise von Hadschieff stößt im ÖESV auf wenig Gegenliebe

Also dürfen wir doch weiter vom ÖESV schreiben.

Ausgedacht hat sich den neuen Außenauftritt eine PR-Agentur. Konkret handelt es sich um die Wiener Firma „Edvertising“, die zudem auch noch ein Promotion-Video gedreht hat. Auch für diese Ausgaben gibt es keinen Vorstandsbeschluss. „Jedoch ist auch hier keiner notwendig, da es dafür ein Extra-Budget gab“, wehrt sich Hadschieff.

Kein langes Dienstverhältnis

Damit nicht genug, wurde zuletzt über niederländische Medien bekannt, dass Peter Mueller das österreichische Team mitbetreut. Der ÖESV-Vorstand wusste von der Anstellung der ehemaligen Eisschnelllauf-Größe sowie nunmehrigen ungarischen Trainer nichts.

Auf Nachfrage von LAOLA1 gibt Hadschieff an, dass er den Deutschen lediglich als „Konsulent“ hinzugezogen hatte, um sich einen Überblick zu verschaffen, was international passiert und wo man steht. „Er war aber nicht beim ÖESV angestellt. Ich habe ihn privat bezahlt.“

Mittlerweile ist die Zusammenarbeit mit Mueller schon wieder Geschichte. Ob der private Status des Dienstverhältnisses lediglich eine nachträgliche Reaktion auf aufkommende Kritik oder tatsächlich so war, ist aus heutiger Sicht nur noch schwer überprüfbar.

Kein Informationsfluss

Nichtsdestoweniger forderte Hadschieff Trainingspläne von Nationaltrainer Hannes Wolf bzw. forderte diesen dazu auf, die Unterlagen Müller zur Durchsicht zu übergeben. Wolf weigerte sich jedoch. „Weil ich nicht wollte, dass der Trainer von Konkurrenz-Läufern unsere Trainingspläne bekommt“, argumentiert der Tiroler.

Hadschieff zeigt dafür jedoch wenig Verständnis: „Als Sportdirektor wollte ich lediglich wissen, was wie wann gemacht wird, aber das scheitert offenbar am mangelnden Vertrauen. Und außerdem ist Peter Müller eine langjährige Trainer-Größe. Wer glaubt bitte, dass der auf die Trainingsinhalte eines Nachwuchstrainers aus ist?“

Fakt ist jedoch, dass die ungarischen Athleten im Weltcup derzeit zumeist das Nachsehen gegenüber Vanessa Bittner und Co. haben.

Viel Porzellan bereits kaputt gegangen

Alles in allem fühlt sich der Vorstand außen vor gelassen. Das gilt es am Samstag wieder gerade zu rücken. Inwiefern das offenbar schlecht gestartete Arbeitsverhältnis noch zu kitten ist, wird sich zeigen. Denn angesprochen auf die Vorwürfe reagiert Hadschieff nicht unbedingt einsichtig:

„Wenn keiner von den Vorständen sich bemüßigt fühlt, seiner Pflicht nachzukommen, dann verstehe ich nicht, warum hier von Alleingängen gesprochen wird. Ich bin angetreten, um den Verband zu sanieren, ihn wieder gerade zu stellen. Ich kann mich nicht wegen jedem Sanierungsschritt rechtfertigen. Ich weiß, was ich tue. Ich habe die Ausbildung dazu. Und ich bin nicht dazu da, den Vorstand zu unterhalten.“

Bittner sorgte jüngst für das 1. ÖESV-Weltcup-Podest seit 15 Jahren

Klingt jedenfalls nach einer recht spannenden Vorstandssitzung, welche aber noch weiteren Zündstoff birgt.

Wenn sich der Präsident in das Sportliche einmischt

Wie bereits jüngst von „Kurier“ oder „Heute“ aufgegriffen, entbrannte zuletzt eine Diskussion über die Besetzung der Massenstart-Weltcups. Genauer gesagt ging es um Berlin, wo anstelle von Linus Heidegger dem in Österreich gemeldeten Niederländer Bram Smallenbroek der Vorzug für einen der zwei Startplätze (den zweiten bekam Armin Hager) gegeben wurde.

Obwohl sich Wolf im Vorfeld für den Einsatz des 19-jährigen Tirolers, für den es um die Sicherung seines Heersportplatzes geht, stark gemacht hatte, wurde letztlich zugunsten des 27-jährigen Smallenbroek entschieden. Pikant vor allem deswegen, weil die Weisung direkt von Präsident Falger kam, der seine Forderung auch mit dem nötigen Nachdruck versah.

Dabei ist es gelebte Praxis im ÖESV, dass für die Aufstellung bei den Rennen die Technische Kommission in Abstimmung mit dem Nationaltrainer verantwortlich ist und Falger somit seine Kompetenzen überschritten hat. Die richtige Note wird der Angelegenheit noch verliehen, wenn man bedenkt, dass Smallenbroek, aktuell der einzige Weltcup-Läufer von Falgers Klub REC Innsbruck ist. Um das Bild zu vervollständigen, sei erwähnt, dass Smallenbroek zu einem Großteil bei Müller in Ungarn trainiert.

Kein Wunder also, wenn hinter vorgehaltener Hand böse Zungen bereits davon sprechen, dass man heuer vom Regen in die Traufe geschlittert ist.

 

Reinhold Pühringer