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"Wenn man Gruber raus nimmt, sieht es dünn aus"

Die Nordische Kombination ist in der Krise. Schwindendes Zuseher-Interesse, weniger TV-Übertragungen und fehlende Superstars.

Im ÖSV-Team verabschiedeten sich mit Mario Stecher und Christoph Bieler vor kurzem zwei weitere Größen. Stecher präsentiert morgen (21. April, 10 Uhr) in der Steigl-Ambulanz sein erstes Buch "Ausdauernd erfolgreich". Bieler soll demnächst als ÖSV-Kombi-Sprungtrainer publik gemacht werden.

Doch was denkt eigentlich jener Mann, mit dem man den Begriff „Nordische Kombination“ nach wie vor assoziiert? Ist seine ehemalige Sportart vom Aussterben bedroht?

„Einen wesentlichen Beitrag, dass das nicht passiert, hat Bernhard Gruber mit seiner WM-Goldmedaille geleistet. Fakt ist, wenn man ihn wegtut, sieht es sehr dünn aus“, analysiert Felix Gottwald bei LAOLA1.

Geht es nach dem 39-Jährigen, ist Besserung in Sicht: „Rund um Bernhard,  der jetzt die Führungsrolle im Team übernehmen muss, formt sich eine Gruppe, mit Flaschberger, Gerstgrasser, Orter, wo frischer Wind hinein kommt und viel Talent vorhanden ist. Mit denen werden wir noch viel Freude haben.“

Warum er Anna Fenninger bewundernswert findet, wie es ihm in der Sportler-Pension geht und er sich nicht vorstellen kann, als Trainer zu arbeiten, erklärt Felix Gottwald im LAOLA1-Interview:

LAOLA1: Hast du Angst, dass die Nordische Kombination vom Aussterben bedroht ist?

Gottwald: Einen wesentlichen Beitrag, dass das nicht passiert, hat Bernhard Gruber mit seiner WM-Goldmedaille geleistet. Fakt ist, wenn man ihn raus nimmt, sieht es sehr dünn aus. Seit ein paar Jahren ist ein Generationenwechsel in Gange, der noch nicht ganz vollzogen ist. Ein Generationenwechsel ist immer schwierig. Es müssen ein paar richtige Entscheidungen getroffen werden, da ist der Verband gefordert. Dann sehe ich eine gute Generation heranwachsen, diese muss aber behutsam herangeführt werden. Dann wird uns die Kombination immer wieder mit Erfolgen füttern. Der Balance-Akt zwischen Springen und Laufen ist für mich immer noch faszinierend und spiegelt den Lebens-Balance-Akt wider. Jede Sportart unterliegt einer ständigen Entwicklung, muss aber dennoch traditionell bleiben. Sie muss auch fernsehtauglich bleiben, das ist in der Kombi derzeit der Fall. Es ist wichtig, dass Athleten da sein, die regelmäßig vorne dabei sind und über den Sport hinaus etwas weitergeben. Das braucht es, sonst gibt es keinen Anlass, die Zuseher in den Bann zu ziehen.

LAOLA1: Würdest du dir wünschen, mehr einbezogen zu werden?

Gottwald: Ich bin nicht ganz weg, habe nach wie vor meine Kontakte zu Günther Chromecek, der im Nachwuchs der Chef ist. Mit einigen Athleten gehe ich ab und zu trainieren, wie mit Philipp Orter. Ich bin mit meiner Familie und Job ausgelastet genug. Meine oberste Priorität ist es, die Aufenthalte außerhalb des eigenen Wohnortes so gering wie möglich zu halten. Ich war genug unterwegs. Ich arbeite gerne und viel, es muss sich aber die Waage halten. Für die Trainer-Idee ist mir die Reise-Tätigkeit zu hoch. Es ist wichtig, Frischluft zu atmen, das weiß auch der Verband. Ich möchte nichts ausschließen, aber im Moment bin ich glücklich, wie es ist.

LAOLA1: Du hast Philipp Orter angesprochen. Hat er das Zeug, der nächste Superstar zu werden?

Jens Lehmann ernannte Gottwald 2013 zum Laureus-Botschafter

Gottwald: Zum Superstar ist es ein breiter Weg. Es formiert sich eine Gruppe, die talentiert ist und auch will. Die wollen gut werden, sind eifrige Trainierer. Jetzt kommt es auf vieles an, auf Training und die Feinjustierung. Das hatte ich in diesem Alter aber auch noch nicht heraußen. Sie lernen es gerade. Man weiß, was auf einen zukommt, aber man muss die Athleten die Erfahrungen machen lassen. Wenn du etwas selbst erlebst, lernst du es am besten. Rund um Bernhard (Gruber/Anm.),  der jetzt die Führungsrolle im Team übernehmen muss, formt sich eine Gruppe, mit Flaschberger, Gerstgrasser, Orter, wo frischer Wind hinein kommt und viel Talent vorhanden ist. Mit denen werden wir noch viel Freude haben.

LAOLA1: Seit 2013 bist du Laureus-Botschafter. Wie sieht deine Tätigkeit aus?

Felix Gottwald: Es ist bei Laureus nicht so, dass man so und so viele Tage machen muss. Das passiert alles auf freiwilliger Basis. Wenn du aber einmal den Schritt in ein Projekt machst, willst du am liebsten dein eigenes haben und immer mehr Zeit investieren. Es gibt Botschafter, die viel Zeit haben und andere, die hauptberuflich woanders tätig sind. Mein Hauptaugenmerk liegt darin, für mein eigenes Kind und meine Familie da zu sein. Was an Zeit-Ressourcen da ist, versuche ich aber einzubringen und die Erfahrungen weiterzugeben. Das ist ja auch mein Hauptberuf. Ich bin im Sommer immer beim „Sportfreunde“-Projekt in Abtenau dabei, das ist quasi vor meiner Haustüre. Dann gibt es diverse Veranstaltungen wie den World Sports Awards. Man versucht, alles zu machen, was möglich ist. Wichtig ist, dass es Kontinuität hat. Wenn du die Kids nach einem Jahr wieder siehst und ihre Entwicklung bemerkst. Das sind vermeintlich schwererziehbare Kinder – wenn du ihnen aber einmal Aufmerksamkeit schenkst, auf Augenhöhe begegnest und Regeln erklärst, sind sie keine schwererziehbaren Kinder, sondern ganz normale Kinder. Da sieht man, wie viel Kraft der Sport hat. Das ist die wichtigste Lektion des Spitzensports, die leider nur selten bedient wird.

LAOLA1: Wissen die Kinder, wer du bist?

Gottwald: Unterschiedlich (lacht). Das ist das wohltuende, weil du als Kind aufgenommen wirst. Auch die Pädagogen werden als Kinder aufgefasst, es ist eine Begegnung auf Augenhöhe. Sie wissen, dass ich eine Sportart gemacht habe, nicht alle wissen, was Nordische Kombination ist. Das ist aber auch nicht wichtig, wichtig ist, gegenseitig voneinander zu lernen. Ich lerne genauso von den Kindern wie sie von mir.

LAOLA1: Wie geht es dir in deinem Hauptberuf, den Vorträgen und Seminaren?

Gottwald: Zehn Tage nach dem Weltcup-Finale 2011 habe ich mit den Impulstagen in Loipersdorf das erste Seminar gehalten. Mittlerweile gab es ungefähr 65 Impulstage. Dazu gibt es zwei andere Formate, die aufbauend sind. Ich bin im Unternehmens-Kontext unterwegs, weil ich merke, dass die Übersetzung angenommen wird. All jenen, denen es nicht nur gelingt, etwas auszuprobieren und anzuwenden, sondern auch beizubehalten, erfahren eine Steigerung der Lebensqualität. Das macht den Spitzensport ungleich sinnvoller. Ich habe immer mehr das Gefühl, der Spitzensport war nur Vorbereitung auf das, was jetzt kommt.

LAOLA1: Du hast Anna Fenninger als Laureus-Botschafterin eingeführt. Wie siehst du ihre sportlichen Leistungen?

Gottwald: Anna ist bewundernswert. Ich beobachte Sportler, ganz dick drin bin ich ja nicht mehr. Aber aus der Beobachter-Rolle sieht man manchmal ohnehin mehr. Sie ist eine Athletin und ein Mensch, der genau weiß, was er will. Sie trifft Entscheidungen, unabhängig davon ob tausend Einflüsterer sagen, das geht nicht oder das geht schon. Sie geht ihren Weg entschlossen weiter und ist immer in Kontakt mit ihrem Herz und ihrem Bauch. Das zeichnet sie aus und ist meiner Meinung nach auch ihr Schlüssel zum Erfolg. Wenn du diesen Zugang nicht hast, kannst du die Erfolge nicht feiern. Gerade in diesen kraftzehrenden Duellen, wenn sich am Ende alles zuspitzt, brauchst du den Kontakt oder du gehst ein. Das ganze Leben ist Belastung und Erholung. Trotzdem findet sie Zeit, sich für soziale Projekte zu engagieren und einen Ski-Tag mit Kindern zu verbringen.

LAOLA1: Ist es dir 2011 eigentlich schwer gefallen, den endgültigen Schluss-Strich zu ziehen?

Gottwald: Nein, das war lange geplant. Ich habe mich selbst mit zwei zusätzlichen Jahren im Spitzensport beschenkt. Ich wusste, dass ich aufhöre und zehn Tage später in einen anderen Lebensabschnitt eintauche. Der erfüllt mich richtig. Eines ist klar: Spitzensport ist immer ein Beruf mit Ablaufdatum. Mir war es lieber, selbst zu entscheiden, dass der Zeitpunkt gekommen ist, um aufzuhören. Am besten ist es, einen Zeitpunkt zu finden, wo du etwas Wehmut verspürst, weil du noch voll im Saft bist. Es ist immer komisch, wenn jemand vergisst aufzuhören. Diese Entscheidung muss jeder Athlet selber treffen, die kann einem keiner abnehmen. Sie ist nie einfach, gehört aber getroffen. Dann ist es so wie es ist. Entscheidung getroffen und durchziehen.

 

Das Gespräch führte Matthias Nemetz