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"Mein Körper will mich offenbar in Pension schicken"

Wenn die Vierschanzen-Tournee in Bischofshofen in die Zielgerade einbiegt; wenn die großen Bakken wieder Überhand nehmen; wenn das neue Jahr langsam in Schwung kommt, kommt auch Martin Koch in Schwung.

Der Kärntner ist ein Spätzünder, wie er selbst sagt. "Ich brauch‘ immer ein bisschen, bis ich in die Saison reinkomme."

Spätestens am Kulm ist der noch 29-Jährige meist so richtig da. Diese gute, alte Tradition will er auch 2012 fortsetzen.

Im LAOLA1-Interview spricht er zudem über den bevorstehenden 30er, den internen Druck und ein Konzert, das sich schon in der Zugabe befindet.

LAOLA1: Martin, der Kulm steht vor der Tür. Die wichtigste Frage: Wie geht’s dir gesundheitlich?

Martin Koch: Leider nicht so gut. Zu meinen Rückenproblemen ist nun auch ein leichter grippaler Infekt dazugekommen. Aber das hab‘ ich mir eh fast gedacht, dass nach der Tournee wieder etwas ausbrechen wird. Es ist einfach sehr anstrengend, vor allem, wenn es so schwierig ist, wie dieses Mal. Aber ich bin am Weg der Besserung und zum Springen fit.

LAOLA1: Was macht der Rücken?

Koch: Der Rücken ist ein altes Leiden. Die Beschwerden kommen zum Teil von Trainingsabnützungen, da ich einen Beckenschiefstand hab‘ und sich da die Wirbel immer verschieben. Ich darf einfach nicht zu viel machen.

LAOLA1: Sind die Beschwerden auch die Vorboten deines 30ers, der bald (22. Jänner) vor der Tür steht?

Koch (lacht): Schaut fast so aus. Anscheinend will mich mein Körper schon in Pension schicken. Ich wehre mich aber noch erfolgreich dagegen.

LAOLA1: Hat dieser runde Geburtstag für dich eine Bedeutung?

Koch: Nein, überhaupt nicht. Der 30er ist für mich genau gleich, wie der 29er oder 28er. Mir ist das egal, welche Zahl davor steht.

LAOLA1: Verwundert es dich nicht manchmal, wie schnell die Zeit vergeht?

Koch: Beim Springen fällt es mir schon auf, dass die Zeit schnell vergeht. Wenn die Weggefährten nach und nach wegbrechen, weil sie aufhören, dann bemerkst du, dass nicht mehr viele da sind, mit denen du früher noch gesprungen bist.

LAOLA1: Wie sehr befindet man sich ansonsten als Spitzensportler in einem Tunnel?

Koch: Bei uns ist das schon extrem. Es gibt jedes Jahr Highlights, das heißt die neue Saison fängt dann an, wenn die alte vorbei ist. Ich merke es langsam an meinen körperlichen Beschwerden und Regenerationszeiten. Früher hab‘ ich zwei Tage nach der Tournee wieder springen können, jetzt brauch‘ ich etwas länger.

LAOLA1: Apropos Zeit: Ab Bischofshofen beginnt die Zeit, wo du traditionell am stärksten bist. Gibt es dafür eine Erklärung?

Koch: Ich bin nicht wirklich ein Frühstarter und brauch‘ immer ein bisschen, bis ich in die Saison reinkomme. Bei mir hängt auch alles am Selbstvertrauen. Mein ganzes System funktioniert nur dann, wenn ich sicher bin. Letzte Saison hab‘ ich mich in der Tournee in einen Flow reingesprungen, da geht dann vieles leichter.

LAOLA1: Kommen wir wieder zum aktuellen Geschehen: Wie groß ist die Vorfreude auf den Kulm?

Koch: Ich freu‘ mich wirklich schon brutal. Mir ist es auch egal, ob ich einen Trainingssprung hab‘ – ich steig‘ von mir aus auch gleich im ersten Wertungsdurchgang ein. Der Kulm ist eine sehr lässige Flugschanze und super zum Anfangen.

LAOLA1: Was macht den Kulm so speziell?

Koch: Die Atmosphäre. Hupo (Kulm-Organisator Hubert Neuper, Anm.) organisiert diesen Event wirklich sensationell. Die Athleten und die Zuschauer bekommen eine große Show geliefert. Man hat dieses Gefühl, wenn man oben am Balken sitzt und auf die vielen Zuschauer sieht, fast nirgendwo.

LAOLA1: Dein Highlight wird aber wohl Ende Februar in Vikersund mit der Skiflug-WM stattfinden.

Koch: Genau. Das ist mein Hauptziel. Eine Skiflug-WM ist für mich einfach etwas ganz Spezielles. Es wäre schon schön, eine Einzel-Goldmedaille in der Hand zu haben, bevor ich aufhöre.

LAOLA1: Aufhören? Gibt es bei dir eine Deadline?

Koch: Nein, Deadline gibt es überhaupt keine. Ich hab‘ mein Konzert gespielt, jetzt bin ich in der Zugabe. Wie viele Jahre ich noch spiele, entscheide ich spontan. Zurzeit macht mir Skispringen enorm viel Spaß, mir macht auch das Training Spaß. Sollte das einmal nicht so sein, ich das Gefühl haben, nicht mehr zu wollen, werde ich aufhören. Egal, ob das ein Jahr vor den Olympischen Spielen ist. Ich werde mich sicher nicht zu einem Event quälen oder hinten nach springen.

LAOLA1: Spürst du nach über 230 Weltcup-Springen schon eine gewisse Müdigkeit?

Koch: Es geht natürlich nicht mehr alles so leicht von der Hand, wie noch vor ein paar Jahren. Man merkt einfach gewisse Verschleißerscheinungen. Es gibt auch keinen Weltcuport, wo ich nicht schon weiß, wie mein Zimmer aussieht. Da nudelt sich natürlich einiges ab. Aber mit einem guten Sprung ist wieder alles vergessen.

Das Interview führte Kurt Vierthaler

LAOLA1: In Engelberg hätte es ja eigentlich Stoff fürs Selbstvertrauen gegeben. Warum hast du diese Erfolgserlebnisse (Zweiter, Fünfter) nicht in die Tournee mitnehmen können?

Koch: In Oberstdorf bin ich eigentlich gar nicht schlecht gesprungen, nur hat es dann dieses beschissene Wetter samt Absage gegeben. Das hat mich etwas durcheinander gebracht, ich war verunsichert. Leider bin ich da nicht drübergestanden und das Selbstvertrauen war weg.

LAOLA1: Du bist hinter dem Erfolgstrio Kofler, Schlierenzauer und Morgenstern viertbester Österreicher. Kannst du dir davon etwas kaufen?

Koch: Das Einzige, das ich mir davon kaufen kann, ist, dass ich bei den nächsten Weltcups wohl sicher dabei bin. Du hast mehr Planungssicherheit und musst nicht zittern. Aber ob ich zweitbester oder zehntbester Österreicher bin, ist egal. Zählen tut die Ergebnisliste und da muss es besser werden.

LAOLA1: Wie sehr hat euch die Situation belastet, dass ihr eigentlich einen Startplatz zu wenig hattet?

Koch: Es war bzw. ist schon sehr schwierig. In den vergangenen Jahren hatten wir auch immer ein starkes Team. Aber du hast gewusst, wenn du beim Start in Kuusamo dabei bist, dann hast du dein Weltcup-Ticket bis zur Tournee einmal sicher. Heuer hast du „Reise nach Jerusalem“ spielen müssen – plötzlich war die Musik aus und du nicht mehr dabei.

LAOLA1: Besteht durch diese Situation nicht auch die Gefahr, dass man sich zu sehr auf die Anderen fokussiert?

Koch: Doch schon. Und das Selbstvertrauen steigt in so einer Situation auch nicht unbedingt. Du kannst dich nicht so frei entfalten wie sonst und kommst irgendwann in einen Strudel rein. Aber das ist eben „part of the game“.