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Ein Österreicher mit dem Herzen in Norwegen

Ein Österreicher mit dem Herzen in Norwegen

Ein ganzes Jahrzehnt haben Österreichs Skispringer die Szene nicht nur mitgeprägt, sondern über weite Strecken dominiert.

Siege im Gesamtweltcup, bei den Olympischen Spielen und auch bei Weltmeisterschaften gelangen den rot-weiß-roten Adlern. Besonders beeindruckend ist die Serie von sechs Erfolgen bei der Vierschanzentournee en suite. (Der Tournee-Auftakt in Oberstdorf - Sonntag, ab 16:30 Uhr im LAOLA1-Ticker)

Österreicher gegen Österreicher

Nichts liegt daher wohl näher, als die überragenden Österreicher mit dem Knowhow aus Österreich zu schlagen. Rot-weiß-rote Trainer in den Reihen der Konkurrenz sind längst nichts mehr Besonderes, sie sollen dafür sorgen, dass den ÖSV-Adlern endlich die Flügel gestutzt werden.

Die Tschechen setzen etwa auf Richard Schallert, die deutsche Mannschaft eroberte unter der Führung von Werner Schuster Team-Gold bei den Olympischen Spielen. Besonders erfolgreich ist auch das norwegische Team unter der Ägide von Alexander Stöckl.

Der 41-Jährige übernahm den Cheftrainer-Posten im hohen Norden im März 2011 und verlängerte er in diesem Sommer seinen Kontrakt vorzeitig bis zu Olympia 2018 in Pyeongchang. Und das, obwohl der Österreichische Skiverband großes Interesse daran hatte, ihn in die Heimat zurückzuholen.

Besondere Beziehung zu Norwegen

Für Stöckl stand aber nie zur Debatte, „seine“ Norweger im Stich zu lassen. Der Tiroler pflegt eine ganz besondere Beziehung zu seinen Schützlingen sowie seiner Wahlheimat.

„Die Beziehung ist sicher besonders, weil ich auch das Gefühl habe, dass meine Arbeit anerkannt wird“, schwärmt Alexander Stöckl im Interview mit LAOLA1. Er habe großen Spaß daran, seine Vorstellungen umzusetzen und mit den Norwegern zu arbeiten.

„Ich habe das Gefühl, dass noch einiges zu tun ist und sehe meine Arbeit hier noch nicht abgeschlossen. Daher war der ÖSV nicht wirklich eine Überlegung und meine Entscheidung schnell abgeschlossen.“

Bardal schwärmt von Stöckl

Team-Routinier Anders Bardal hatte nie Zweifel daran, auch im WM-Winter 2014/15 von Stöckl betreut zu werden. „Ich hatte dieses Gefühl, das mir gesagt hat, dass er die Arbeit mit uns fortsetzen will“, verrät er im Gespräch mit LAOLA1.

Zu wissen, dass ein Österreich trotz ÖSV-Offerte lieber in Norwegen arbeitet, findet der Weltmeister von 2013 „natürlich gut. Er ist mit dem Herz einfach im norwegischen Team. Auch wenn er den österreichischen Pass hat, fühlt er sich hier wohl.“

Der Teamleader gerät regelrecht ins Schwärmen, wenn er von Stöckl spricht. Kein Wunder, hält Bardal seinen Chef doch für den „wohl besten Trainer der Welt.“ Beide haben in den letzten Jahren an zahlreichen Kleinigkeiten gearbeitet. „Die Zusammenarbeit hat schnell Früchte getragen und funktioniert ausgezeichnet.“

Aus dem braven Platzspringer Bardal ist einer der besten Skispringer der Welt geworden. Seiner Vita (zehn Medaillen bei Großereignissen) würde er gerne einen weiteren Erfolg hinzufügen. „Ich war schon mehrfach nah dran, diesmal ist ein Podestplatz bei der Tournee ein großes Ziel für mich.“

Ausbaufähige Altersstruktur

Allein mit Bardal Erfolg zu haben, reicht Stöckl allerdings nicht. Der 41-Jährige gab an, dauerhaft eine Handschrift hinterlassen zu wollen. Bis zu einem gewissen Grad sei das schon gelungen, doch es gehe noch mehr.

„Wir versuchen, ständig das System weiterzuentwickeln.“ Das betrifft nicht nur das Nationalteam, sondern reicht bis weit in den Nachwuchs hinein. Die Norweger wollen vermehrt junge Talente an den Spitzensport heranführen, „um möglichst breit aufgestellt zu sein“.

Ein Problem, das Stöckl ortete, war die Altersstruktur seiner Truppe. „Wir haben einen Mangel an Toptalenten festgestellt. Das Durchschnittsalter der norwegischen Mannschaft ist im Vergleich zu anderen Nationen wie Deutschland oder Österreich sehr hoch“, hält er fest.

Sjoeen mit riesigem Potenzial

Bevorzugte Zielgruppe, um diese Schwachstelle zu beheben, sind die 10- bis 15-Jährigen. Dabei steht allerdings nicht nur die Qualität auf der Schanze im Vordergrund. „Wir wollen Leute mit einer guten Basisausbildung“, erklärt Stöckl.

Ein Paradebeispiel dafür ist Philipp Sjoeen. Der Youngster, am Heiligen Abend 19 Jahre alt geworden, avancierte mit Gesamtrang zwei sowie zwei Tageserfolgen zum Shootingstar im Rahmen des Sommer-GPs. Ein schwerer Sturz vor Saisonbeginn und eine dabei erlittene Gehirnerschütterungen warfen ihn zwar etwas zurück, doch gleich bei seinem Debüt in Engelberg zeigte er als Elfter sein überragendes Talent.

„Er ist genau der Typ, wie wir ihn uns in unserem System vorstellen. Wenn er den Durchbruch schafft, wäre das für uns alle optimal, weil wir dann ein Vorzeigebeispiel dafür hätten, dass die Basisentwicklung im Sport genauso wichtig ist, wie auf der Schanze zu stehen.“

Fannemel als Leader zur Tournee

Ein weiteres Aushängeschild könnte Anders Fannemel werden. Der 23-Jährige startet als Gesamtweltcup-Führender und somit Träger des Gelben Trikots in die Tournee und feierte in Nizhny Tagil seinen ersten Weltcuperfolg.

„Er ist bisher durchwegs stabil gesprungen“, rekapituliert der norwegische Cheftrainer, der darauf hofft, „dass er richtig einschlägt“. Insgesamt stellt Stöckl fest, dass seine Truppe in der Breite einen Schritt nach vorne gemacht hat. Das Saisonziel, mehrere Athleten auf ein konstant hohes Level zu führen, wurde bislang in eindrucksvoller Art und Weise umgesetzt.

In den kommenden dreieinhalb Jahren soll es Schritt für Schritt weiter nach vorne gehen. Eine Rückkehr nach Österreich nach Pyeongchang kann er sich derzeit noch nicht vorstellen. „Ich habe den Kopf voll mit Dingen, die ich hier umsetzen will.“

Eines dieser „Dinge“ ist, die Österreicher vom Thron zu stürzen. Am besten schon bei der Vierschanzen-Tournee.


Christoph Nister

 

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