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Garmisch und der G(a)udiberg

Garmisch und der G(a)udiberg

Und wieder ist ein Jahr Geschichte.

Wir schreiben in wenigen Stunden 2015 und von Beginn an geht es Schlag auf Schlag.

Für das erste Highlight aus sportlicher Sicht sorgen traditionell die Skispringer, die beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen den Gudiberg in den Gaudiberg verzaubern.

Zum Auftakt in Oberstdorf haben Stefan Kraft und Michael Hayböck für einen ÖSV-Doppelsieg gesorgt, doch die Konkurrenz um Peter Prevc und Kamil Stoch scharrt bereits mit den Hufen, um zurückzuschlagen.

Wir haben die Geschichte bemüht und beginnen das Jahr '15 mit 15 Fakten zum Neujahrsspringen.

*) Der Bakken am Gudiberg trägt offiziell den Namen "Große Olympiaschanze". Diese Bezeichnung rührt von den Spielen 1936 her, als Birger Ruud auf der K90 Gold für Norwegen gewann. Silber schnappte sich der Schwede Sven Selanger, das Podest komplettierte Ruuds Landsmann Reidar Andersen. Die wichtigsten Zahlen zur Anlage in Garmisch-Partenkirchen: Die Turmhöhe beträgt 60,4 Meter, die Anlauflänge 103,5 Meter. Der K-Punkt liegt bei 125 Metern, die Hillsize bei 140 Metern. 

*) Betrunken Skispringen? Heutzutage unvorstellbar, in den 50er Jahren offenbar nicht unüblich. Tournee-Titelverteidiger Hemmo Silvennoinen soll Silvester 1955 dermaßen einen über den Durst getrunken haben, dass ihn sein Trainer aus der Mannschaft warf. Erst auf Drängen der Teamkollegen wurde der damals 23-Jährige, der 2002 im Alter von 70 Jahren verstarb, begnadigt. So durfte er mit jeder Menge Restalkohol im Blut am Bewerb teilnehmen. Das Beste an der Geschichte: Silvennoinen war vom Silvester-Rausch so beflügelt, dass er das Neujahrsspringen tatsächlich gewann.

*) Die Tournee exisitiert zwar erst seit 1953, das Neujahrsspringen gibt es allerdings schon deutlich länger. 1922 wurde erstmals am 1. Jänner ein Bewerb ausgetragen, der Sieg ging an den Norweger Jakob Vaage. Seither war Garmisch-Partenkirchen jedes Jahr - mit Ausnahme der Kriegsjahr 1942-1945 - Austragungsort des Neujahrsspringens.

*) Insgesamt 18 Mal konnte der Tournee-Auftaktsieger auch den zweiten Bewerb für sich entscheiden. Sollte das auch Stefan Kraft gelingen, liegen seine Chancen auf den Gesamtsieg statistisch gesehen bei 66,6 Prozent, denn zwölf Double-Sieger standen auch am Ende ganz oben.

*) Eine tragische Wende nahm die Karriere von Mika Laitinen in Garmisch. Der Finne führte die Gesamtweltcup-Wertung in der Saison 1995/96 überlegen an und triumphierte auch in Oberstdorf, als das Schicksal zuschlug und er im Training vor dem zweiten Tournee-Bewerb schwer zu Sturz kam. Sieben Rippen und das Schlüsselbein waren gebrochen, Laitinen fand nie wieder zu alter Stärke zurück.

*) Die Olympiaschanze wurde 2009 mit einem besonderen Preis ausgezeichnet - dem IOC/IAKS Award in Gold. Dies ist der einzige international renommierte Architekturpreis für im Betrieb bewährte Sportstätten.

*) Erst zweimal - 2007 und 2011 - musste das Neujahrsspringen aufgrund widriger Witterungsverhältnisse in nur einem Durchgang entschieden werden. Bei der Premiere gewann Andreas Küttel, vier Jahre später sein Schweizer Landsmann Simon Ammann. Der springt nach seinem Sturz in Oberstdorf bekanntlich mit der Wut im Bauch.

Thomas Diethart sorgte 2014 für den 14. ÖSV-Sieg in Garmisch-Partenkirchen

*) Dank Thomas Dietharts Sieg im letzten Jahr führt der ÖSV die ewige Siegliste in Garmisch-Partenkirchen an. 14 Erfolge hat Österreich auf der Olympiaschanze bereits errungen, Gastgeber Deutschland hält bei 13. Dritter ist Norwegen mit immerhin elf Triumphen.

*) Erfolgreichster Springer in Garmisch ist bis heute ein gewisser Martin Neuner. Der Deutsche war Skispringer und Nordischer Kombinierer und gewann von 1924 bis 1928 fünf Mal in Folge. Seit Beginn der Tournee hält Jens Weißflog (4) den Rekord. Der Garmisch-Spezialist unter den Aktiven heißt Gregor Schlierenzauer, der Stubaier gewann drei Mal.

*) Apropos Schlierenzauer. Der 24-Jährige ist weiterhin nur einen Erfolg von Björn Wirkola und Jens Weißflog, die mit zehn Tagessiegen die ewige Bestenliste im Rahmen der Tournee anführen. Gleichauf mit "Schlieri" rangiert Janne Ahonen an dritter Position, der Finne wurde allerdings nicht für die Tournee nominiert.

*) Ein echtes Kuriosum: 18 Mal gelang es bisher einem Springer, zumindest drei (Hannawald gelang als einzigem der Grand Slam) Bewerbe für sich zu entscheiden. Sämtliche dieser Athleten - die Liste reicht von Olaf Björnberg 1953/54 bis Wolfgang Loitzl 2008/09 - triumphierten in der 26.000-Einwohner-Stadt in Oberbayern.

*) Die Durststrecke der Deutsche begann in Garmisch und soll ebendort auch wieder enden. Seit Sven Hannawalds Sieg in Oberstdorf Ende 2002 haben die DSV-Adler im Rahmen der Tournee keinen Sieg mehr errungen. Die Unserie dauert nun bereits 48 Bewerbe an.

*) Seit 2010 heißt der Schanzenrekordhalter Simon Ammann. Seinerzeit segelte der vierfache Olympiasieger 143,5 Meter weit. Zugleich bedeutet dies Tournee-Rekord, den niemand sprang je bei einem der vier Events weiter. Den Bestwert teilt sich der Eidgenosse übrigens mit Sigurd Pettersen, der 2003 auf der Schattenbergschanze in Oberstdorf ebenfalls 143,5 Meter weite sprang.

*) Der größte Pechvogel in Garmisch war Eino Kirjonen. Der Finne landete zwischen 1954 und 1957 viermal in Folge auf dem zweiten Platz, ein Sieg am Gudiberg war ihm nie vergönnt. Der 1988 verstorbene Kirjonen wird's dennoch verkraftet haben, wurde er doch 1961/62 mit dem Gesamtsieg entschädigt.

*) Überraschenderweise hat Garmisch-Partenkirchen trotz großer Skisprung-Tradition noch keinen Topstar "herausgebracht". Aktuell ist Felix Schoft (24) der größte Hoffnungsträger, gehört aber nicht einmal zur nationalen Gruppe bei der Tournee. Zum Vergleich: Christian und Felix Neureuther sowie Armin Bittner stechen aus Sicht der Alpinen hervor, Magdalena Neuner, Martina Beck und Miriam Gössner bei den Biathletinnen.


Christoph Nister