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Gold für Gruber - "der Rest war ein Desaster"

Gold für Gruber -

Nach den Olympischen Spielen in Sotschi wurde Ex-Kombinierer Mario Stecher gefragt, ob er sich vorstellen könnte, unter die Autoren zu gehen.

"Ich werde niemals ein Buch schreiben", antwortete der Steirer.

Ein gutes Jahr später freute sich der 37-Jährige, zahlreiche Journalisten bei seiner Buchpräsentation in der Stiegl-Ambulanz in Wien begrüßen zu dürfen.

"Es hat mich verfolgt", erklärte der zweifache Team-Olympiasieger und sechsfache WM-Medaillengewinner. Irgendwann sei er zum Schluss gekommen, es wäre vielleicht doch eine feine Sache.

Gemeinsam mit Egon Theiner bastelte er seit August an diesem Werk, das nun erschienen ist. Im Interview mit LAOLA1 spricht Stecher, der über zwei Jahrzehnte die Nordische Kombination mitprägte, über sein Werk, die neu gewonnene Zeit nach seinem Rücktritt im Februar und die Zukunft der Kombination in Österreich.

Dabei spart er - wie gewohnt - nicht mit Kritik und klaren Ansagen und erklärt, warum die ÖSV-Mannschaft derzeit der Konkurrenz aus Deutschland nur selten etwas entgegenzusetzen hat.

LAOLA1: Mario, vor einem Jahr hast du ausgeschlossen, je ein Buch zu schreiben, jetzt wurde dein Werk „Ausdauernd erfolgreich“ veröffentlicht. Wie zufrieden bist du mit dem Werk?

Mario Stecher: Es steht alles so drin, wie ich es für gut befinde und es mir gefällt. Anfangs war es eine sehr anstrengende Zeit, sein Leben neu zu gestalten, ich bin jetzt aber froh, dass ich es gemacht habe und bin gespannt, wie es bei den Lesern ankommt.

LAOLA1: Wie wichtig sind dir Verkaufszahlen?

Stecher: Natürlich wäre es schön, wenn das Buch häufig gelesen wird, aber es ist nichts, an dem ich mich messe. Ich habe keine Zahl im Kopf, sondern will Dinge, die ich tagtäglich in meiner Karriere mitgemacht habe, weitergeben. Ich glaube, dass teilweise Sachen drinstehen, die für jedermann lehrreich sein können. Wenn man den einen oder anderen Tipp annimmt, bin ich davon überzeugt, dass man sich in diversen Bereichen verbessern kann, erfolgreicher und mit mehr Spaß durchs Leben gehen kann.

LAOLA1: Du hast in deinem Werk bewusst auf Skandalgeschichten verzichtet – aus welchem Grund?

Stecher: Ich habe immer gesagt, dass mein Buch keine Abrechnung sein sollte. Das habe ich nicht nötig, ich will nicht den einen oder anderen Teamkollegen in die Pfanne hauen. Ich äußere im Buch Kritik und bleibe dabei authentisch. Es geht um die Artikulation: Ich kann die Kritik einfach rausschreien oder sachlich beschreiben. Ich denke, dass mir das gut gelungen ist und hoffe, dass die betroffenen Leute auch darüber nachdenken.

LAOLA1: Im August hast du Autor Egon Theiner kontaktiert, um ihn mit ins Boot zu holen. Wusstest du zu diesem Zeitpunkt bereits, dass 2014/15 deine Abschiedssaison wird?

Stecher: Ich wusste definitiv, dass es meine letzte Saison sein würde, denn ich hatte nach Olympia schon überlegt, ob ich weitermache. Der Spaß hat damals gesiegt und ich war überzeugt davon, dass ich noch eine gute Saison abliefern kann. Durch diverse Umstände verlief die Saison leider nicht nach Wunsch, nichtsdestotrotz war es eine erfüllende Saison. Es gab viele lehrreiche Momente, sodass ich auch den letzten Winter nicht missen will.

LAOLA1: Welche Vorteile bietet das Leben als Sport-Pensionist?

Stecher: Ich will die Situation nicht als Vor- oder Nachteil bezeichnen. Ich habe genauso ein Leben wie als Spitzensportler, das ich so gut wie möglich gestalten will. Wenn man den Willen hat, neue Aspekte anzugehen, kann auch das ein schönes Leben sein. Ich bin extrem zufrieden mit meiner Laufbahn als Sportler, freue mich aber auch das neue Leben.

LAOLA1: Du betonst immer wieder, nie wieder von einer Schanze zu springen, auch nicht zum Spaß. Sind deine Knie derart in Mitleidenschaft gezogen, dass es nicht mehr funktioniert?

Stecher: Wenn man weiß, wie mein Knie beieinander ist, weiß man, dass sehr, sehr viel Arbeit dazugehört hat, um das überhaupt möglich zu machen. Man muss sich hundertprozentig vorbereiten, daher macht es keinen Sinn, mit einem Knie, das vielleicht bei 70 Prozent ist, von Schanzen zu springen. Runterzufahren, um am Vorbau zu landen, interessiert mich nicht. Entweder mache ich es zu hundert Prozent oder gar nicht.

LAOLA1: Wird dort professioneller gearbeitet?

Stecher: In gewisser Weise, ja. Damit will ich aber nicht sagen, dass die Leute, die hier arbeiten, zu wenig machen. Jeder ist mit einem Mordseifer dabei, aber die Linie fehlt. In Deutschland haben sie jetzt schon einen groben Trainingsplan für 2018. Davon sind wir weit weg.

LAOLA1: Bieler schlüpft von der Athleten- direkt in die Trainerrolle und wird Skisprung-Coach der Kombinierer. Wie siehst du diese Entwicklung und könntest du dir ebenfalls ein Engagement beim ÖSV vorstellen?

Stecher: Es ist so, dass ich das gerne austesten würde. Ich war im ÖSV immer gut aufgehoben, vielleicht kann ich da etwas zurückgeben. Momentan ist die Zeit aber noch nicht reif, weil ich einen Abstand gewinnen will. Er darf aber nicht zu groß werden, denn wenn man länger weg ist, kommt man schwer wieder rein. Der Spitzensport ist so kurzlebig, dass man schnell zurückkehren muss. Bieles wünsche ich sehr viel Erfolg, aber auch das entscheidende Glück. Damit meine ich, dass schon beim Auftakt in Kuusamo zwei, drei Leute einen guten Aufwind haben und gute Wettkämpfe zeigen, dann läuft das ganze Rad von Anfang an.

LAOLA1: War es teamintern wichtig, mit Bieler und Jochen Strobl (neuer Langlauf-Trainer) neue Reize zu setzen, nachdem man über längere Zeit mit demselben Team gearbeitet hat und die Sprungleistungen zuletzt zu wünschen übrig ließen?

Stecher: Es ist ein Irrglaube, dass wir so schlecht gesprungen sind. Unsere Probleme liegen im Langlaufbereich und dort sind sie eklatant. Die WM war natürlich – abgesehen von Berni Grubers WM-Titel – indiskutabel, sowohl auf der Schanze, als auch auf der Loipe. Man darf nicht vergessen, welch tolles Material wir hatten. Das kaschiert wahnsinnig viel, denn vor allem bei nassen Verhältnissen waren wir den anderen weit voraus. In Falun hatten sie im ersten Bewerb Ski, die sind von selbst gefahren. Das war sensationell, was die Serviceleute geboten haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir genau dort ansetzen müssen. Was hier in den Medien verbreitet wird, dass wir im Skispringen zu schlecht sind, ist meines Erachtens völliger Nonsens …

LAOLA1: … von der Sprungschwäche hat allerdings auch Cheftrainer Christoph Eugen gesprochen.

Stecher: Das kann sein, aber es gibt im Langlauf Unmengen an Sachen, die aufzuholen sind. Das betrifft nur den Ausdauerbereich, da brauchen wir vom Skispringen überhaupt nicht reden. Gott sei Dank hat Berni (Gruber) den WM-Titel gewonnen, das war sensationell. Sein Erfolg kaschiert aber natürlich sehr viel, denn der Rest der WM war ein Desaster.

LAOLA1: Traust du Gruber zu, in die Rolle von Felix Gottwald oder dir zu schlüpfen, und die Jungen als Teamleader zu führen?

Stecher: Er ist definitiv gefragt, diese Rolle zu übernehmen. Ich hoffe, er kann die Jungen anspornen, dass sie das Training immer zu einhundert Prozent absolvieren und voll hinter dem, was sie tun, stehen. Wenn er das schafft, bin ich überzeugt, dass er ein Leader sein kann. Wir haben Junge wie Philipp Orter, der ist ein richtig guter Bub. Bei ihm bin ich überzeugt davon, dass er seinen Weg gehen wird und ein sehr erfolgreicher Kombinierer werden kann. Man muss ihm aber bewusst machen, dass er noch nicht ganz vorne war. Erst wenn er das mal ist, kann er richtig selbstbewusst auftreten. Drauf haben tut er es allemal.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christoph Nister

LAOLA1: Gibt es weitere Komponenten, die dir fehlen?

Stecher: Nein, mir fehlt überhaupt gar nichts. Ich finde jetzt viel mehr Zeit für andere Dinge. Ich gehe gemeinsam mit meinen Buben (David und Luis, Anm.) schlafen und wache mit ihnen auf. Das habe ich nicht oft erlebt.

LAOLA1: Ist das Familienleben schöner als das Sportlerleben?

Stecher: Es ist zumindest das Leben, das dir viel mehr gibt. Der Sport ist vergänglich, die Familie ist mein ein und alles. Das sind zwei Welten, die aufeinander prallen. Wenn ich einen Wettkampf bestritt, war der Sport in diesem Moment das Wichtigste für mich. Spätestens, als ich von meinem ersten Sohn (Luis, Anm.) zum ersten Mal gehört habe, dass es ihm egal ist, ob ich als Erster oder 20. ins Ziel komme, erkennst du die wahren Werte im Leben. Dann begreift man den Spitzensport als sehr kleine Welt.

LAOLA1: Für die Öffentlichkeit sind Erfolge dennoch immer wichtig. Dem ÖSV-Team kommen  mit Christoph Bieler und dir zwei erfahrene Athleten, die die Kombination hierzulande über zwei Jahrzehnte entscheidend mitgeprägt haben, abhanden. Wie groß sind deine Sorgenfalten ob der Leistungsfähigkeit im Team?

Stecher: Sorgen muss man sich sicherlich keine machen, weil die Kombination in einem extrem guten Verband untergebracht ist und dort sicher sehr gute Arbeit geleistet werden wird. Dass der Erfolg stante pede in den nächsten ein, zwei Jahren vorhanden sein wird, könnte sich als nicht ganz so einfach erweisen. Wir haben aber bekanntlich 2019 eine Heim-Weltmeisterschaft in Seefeld. Ich bin davon überzeugt, dass wir bis dahin wieder ein schlagkräftiges Team beisammen haben werden.

LAOLA1: Nachdem die Routiniers jahrelang die Kohlen aus dem Feuer holen mussten, tat sich der Nachwuchs im letzten Winter immer wieder hervor. Wie betrachtest du die Entwicklung?

Stecher: Es ist definitiv Potenzial vorhanden. Die Wichtigkeit besteht darin, mit diesem Potenzial richtig umzugehen und den Athleten Trainer zur Seite zu stellen, die von ganz unten nach ganz oben einen Plan verfolgen. Da komme ich wieder zu meinem Buch, denn wenn ich keinen Plan verfolge, habe ich in der Kombination keine Chance mehr. Wenn eine konsequente Linie durchgezogen wird, haben wir auch wieder eine Chance. Wenn ich das mit den Deutschen vergleiche, dann sind das Welten, die sie uns voraus sind.

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Mttwoch, 22. April, 16:00 Uhr Morawa, Wollzeile, Wien
Donnerstag, 23. April, 18:30 Uhr Innerberger Gewerkschaftshaus, Eisenerz
Montag, 27. April, 19:00 Uhr Wintersportmuseum Mürzzuschlag
Dienstag, 28. April, 19:00 Uhr Thalia, Landstraße, Linz
Mittwoch, 29. April, 19:00 Uhr Alpenvereinshaus, Rottenmann