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Uschi Disl: "Lena ist fast konkurrenzlos"

Uschi Disl:

Als Uschi Disl ihre Weltcup-Karriere 1990 begann, war Biathlon den Medien nicht mehr als eine Randnotiz wert.

16 Jahre später, als sie ihre Karriere beendete, herrschte ein unglaublicher Boom. Biathlon war in ihrer Heimat Deutschland zur Wintersportart Nummer eins avanciert.

"Turbo-Disl" bei Fans und Medien hoch im Kurs

Die heute 41-Jährige spielte dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Authentisch, bodenständig, redefreudig und (fast) immer gut gelaunt präsentierte sich die in Bad Tölz geborene Loipenjägerin den Fans und Medien.

Noch heute erfreut sich "Turbo-Disl", wie sie aufgrund ihrer Laufstärke genannt wurde, größter Beliebtheit bei den Millionen Anhängern des Biathlon-Sports.

Im großen LAOLA1-Interview spricht Uschi Disl über die Entwicklung im Biathlon, kritikunfähige IBU-Funktionäre und die Weltmeisterschaft in Ruhpolding.

LAOLA1: Früher war das Leben als Spitzensportlerin mit Stress verbunden, heute halten dich deine Kinder auf Trab. Was verlangt dir mehr ab?

Uschi Disl: Körperlich hat es mir als Athletin natürlich mehr abverlangt, ich war aber nur für mich selber verantwortlich. Ich musste mich nur darum kümmern, dass ich gesund bleibe. Jetzt habe ich zwei Zwerge, die meinen Tagesablauf bestimmen. Es ist beides anstrengend, aber auch beides sehr schön.

LAOLA1: Was macht glücklicher – sportlicher Erfolg oder Mutterfreuden?

Disl: Das ist schwer zu vergleichen, weil es zwei ganz verschiedene Bereiche sind. Ich war aber noch nie so glücklich wie jetzt mit meinen Kindern. Andererseits war meine Karriere natürlich auch sehr schön.

LAOLA1: Dein Rücktritt liegt bereits rund sechs Jahre zurück. Gab es je das Bedürfnis nach einem Comeback-Versuch?

Disl: Nein, nein. Das war sofort erledigt. Nach Beendigung meiner Karriere habe ich meinen Traumurlaub in Neuseeland gemacht. Als ich heimkam, war ich schon schwanger. Ich war auch nicht mehr die Jüngste. So gesehen: Comeback? Nie im Leben!

Uschi Disl (ganz links) mit der goldenen DSV-Staffel von Nagano 1998

LAOLA1: Du bist ein Star zum Anfassen?

Disl: Ja, logisch. (lacht)

LAOLA1: Du betrachtest Ruhpolding als dein „Wohnzimmer“. Was macht das 6.000-Seelen-Örtchen so besonders?

Disl: Ich habe dort rund 20 Jahre trainiert und meine Sommer verbracht. Teilweise habe ich sogar im Biathlon-Stadion in einem kleinen Zimmer gewohnt. Das ist für mich mein Heimat-Stadion, in dem ich jeden Zentimeter kenne.

LAOLA1: Bei der WM 1996 warst du selbst am Start, auch 2004 in Oberhof. Ist eine Heim-WM das Größte für einen Sportler?

Disl: Es ist zweifellos etwas ganz Besonderes, auch wenn es bei mir nicht so wirklich gut geklappt hat. Es ist natürlich nicht einfach, der Druck ist enorm. Andererseits ist es ein spezielles Feeling, vor eigenem Publikum zu starten. Ich würde Olympia aber doch noch klar darüber stellen.

LAOLA1: Bei der „halben“ Heim-WM in Hochfilzen klappte es dafür umso besser.

Disl: Natürlich, das war ganz schön. Es war meine persönliche Heim-WM, die mit dem entsprechenden Erfolg gekrönt wurde.

LAOLA1: Nachdem es oftmals ganz knapp nicht gereicht hatte, gelang dir im Sprint der erste Einzel-WM-Titel. Was ging in dir vor, als dir bewusst wurde, Gold gewonnen zu haben?

Disl: Da ist mir tatsächlich ein Stein vom Herzen gefallen. Ich habe mir gedacht: Endlich hat es gereicht! Es war ein sehr emotionaler Moment.

LAOLA1: 250.000 Menschen werden in diesem Jahr erwartet, die Chiemgau-Arena wird beben. Wie schwierig fällt es, trotz dieser Kulisse den Fokus ausschließlich auf das Rennen zu richten?

Disl: Es ist alles andere als einfach. Für manche wird es zur Belastung, weil so eine WM die Nerven beansprucht. Diese Anspannung sollte man zwar im Hotel lassen, aber das gelingt nicht immer.

LAOLA1: Der Sport hat sich enorm weiterentwickelt – in welchen Bereichen ganz besonders?

Disl: Es ist überall etwas nach vorne gegangen. Als ich anfing, hatten wir keine Fans. Die Medien behandelten uns noch stiefmütterlich. Von Sponsoren hat man gehört: Was wollt ihr mit Biathlon, das interessiert doch keinen. Es war aber eine normale Entwicklung, die es in jedem Sport gibt. Biathlon wurde populärer, das Material wurde besser, die Zuschauer kamen. Dazu gab es mehr Fernseh-Präsenz und Sponsoren.

LAOLA1: Früher wurde gerne über die Biathlon-Familie gesprochen. Gibt es diese immer noch, oder ist das Konkurrenzdenken größer geworden?

Disl: Ich glaube, es gibt immer noch diese große Familie. Mein Lebensgefährte ist ja als Skitechniker für Norwegen tätig. Die sitzen immer noch manchmal mit den Deutschen zusammen und treffen sich. Auf der Strecke gibt es Konkurrenz, nebenbei wird aber zusammen gelacht. Das ist das Schöne am Biathlon.

LAOLA1: Bei „Sport und Talk“ hast du vor rund einem Jahr Kritik an der IBU geübt, wonach verdiente Athleten nicht entsprechend gewürdigt werden. Ist das immer noch der Fall?

Disl: Ja, daran hat sich nichts geändert. Die Sponsoren, die Öffentlichkeit, die Trainer – alle würdigen die ehemaligen Läufer. Nur die IBU tut das nicht. Es gibt Leute, die deswegen auch nicht mehr mit mir reden, weil sie sich auf den Schlips getreten fühlen. Manche können eben nicht mit Kritik umgehen. Es ist aber tatsächlich so, dass man als ehemaliger Athlet zwar eine Eintrittskarte bekommt, was ja nett ist. Aber: Ich komme nirgends hin und muss mich mit den Athleten im Hotel zum Kaffee verabreden, weil ich sonst nicht zu ihnen kommen würde. Es wird alles hermetisch abgeriegelt, die IBU sagt, wir haben dort nichts mehr verloren. Ich darf mich ins VIP-Zelt setzen – ich bin auch dankbar dafür -, aber ich muss mir die Rennen nicht unbedingt von dort aus ansehen.

LAOLA1: Wer sind deine Favoriten?

Disl: Lena (Neuner, Anm.) ist unglaublich stark und fast konkurrenzlos. In meinen Augen ist Darya Domracheva die Einzige, die ihr halbwegs das Wasser reichen kann. Kaisa Mäkäräinen, Tora Berger und Andrea Henkel, die klar am aufsteigenden Ast ist, können an einem guten Tag auch um die Medaillen laufen. Aber Neuner und Domracheva sind ganz klar die Goldfavoriten. Bei den Männern ist es enorm eng. Andi Birnbacher hatte bisher eine Wahnsinns-Saison, Arnd Peiffer ist auch Medaillenanwärter. Speziell Andi wünsche ich, dass er sich Gold holt. Die Russen sind auch stark und natürlich schlägt die Hälfte meines Herzens für die Norweger. Emil (Hegle Svendsen) hätte sich eine Medaille auf alle Fälle verdient, auch Ole Einar Björndalen und Tarjei Bö gehören zu den Favoriten.

LAOLA1: Apropos Björndalen: Viele hatten ihn bereits abgeschrieben, doch „Mr. Biathlon“ hat sich rechtzeitig in Form gebracht und das letzte Rennen gewonnen. Hättest du ihm dieses Comeback zugetraut?

Disl: Gut, ich höre natürlich einiges von meinem Freund. Der sagt immer: Schreib den Ole nicht ab, er kommt wieder. Natürlich tut er sich nicht leicht, er ist ja auch nicht mehr der Jüngste. Bei Ole ist aber immer alles möglich.

LAOLA1: Neuner gibt sechs WM-Medaillen als Ziel aus. Ein machbares Unterfangen?

Disl: Das ist bei ihr ganz sicher möglich. Für mich ist es keine Frage, dass sie das schafft. Wann war sie denn in diesem Winter nicht auf dem Podest? Das gab es so gut wie nie. Ich bin mir sogar sicher, dass sie sechs Medaillen holt.

LAOLA1: Ihre Dominanz ist beeindruckend, doch mit Saisonende hat sie vom Spitzensport genug und beendet mit 25 Jahren ihre Karriere. Kannst du diese Entscheidung nachvollziehen?

Disl: Ich habe vollstes Verständnis. Nun kenne ich sie zwar persönlich nicht so gut, aber sie ist eben ein Familienmensch und braucht den Trubel um ihre Person nicht unbedingt. Wenn sie allerdings sagt, sie macht nur noch das, was ihr Spaß macht, ruft das natürlich Kritik hervor. Manche nehmen das mit Unmut zur Kenntnis. Da hört man schon auch: Wie leicht, wenn das Konto voll ist. Ich glaube, Lena will einfach keinen Leistungssport mehr betreiben und sich anderen Aufgaben widmen. Sie weiß genau, was sie will. Jeder Mensch muss seine eigene Lebensplanung gestalten, dafür sollte man Verständnis haben.

LAOLA1: Abschließend noch ein kurzer Abstecher zu den Österreichern, bei denen es in dieser Saison nicht nach Wunsch läuft. Wie erklärst du dir den Leistungsabfall?

Disl: Ich muss wirklich sagen, dass es mich völlig überrascht. Ich finde keine Erklärung, nachdem es letzte Saison noch super lief. Man hat gemerkt, welcher Elan in der Mannschaft war.

LAOLA1: Ist es möglich, das Blatt so zu wenden, dass es ausgerechnet zum Saisonhöhepunkt nach Wunsch verläuft?

Disl: Bei der WM ist alles möglich. Alle hatten noch eine Trainingsphase, da kann man einiges rausholen. Bei den Österreichern würde es mich aber schon wundern, wenn sie voll dabei wären, nachdem es läuferisch bislang so gar nicht lief. Wenn, dann traue ich ihnen im Einzel etwas zu, in diesem Bewerb ist immer eine Überraschung drin. Ich find es aber schade, weil ich es den Österreichern gönnen würde.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christoph Nister

LAOLA1: Dabei sind es doch jene Athleten, die vom Rennen ferngehalten werden, die den Sport groß gemacht haben.

Disl: Das finde ich eben auch schade. Ich darf nicht mal zu meinem Freund. Wir verabreden uns am Telefon, er muss dann rauskommen, weil ich ja nicht zu ihm darf. Das ist beispielsweise im Alpinsport ganz anders. Gerade die Österreicher würdigen ihre ehemaligen Athleten, was ich gut finde. Eure ehemaligen Skifahrer haben schließlich auch dafür gesorgt, dass der Sport so populär wurde. Ich kann es aber nicht ändern und die IBU will es nicht.

LAOLA1: Die IBU vermarktet Biathlon eigenständig, während beispielsweise die FIS als Dachverband mehreren Sportarten vorsteht. Ein Vorteil?

Disl: Ganz sicher. Früher mussten wir noch ab und zu Kritik üben, weil wir der Meinung waren, dass der Sport teilweise zu billig verkauft wurde. Ich hatte aber auch Verständnis für die IBU. Mittlerweile ist alles hochprofessionell, das läuft sehr gut. Der eigene Verband ist sicherlich ein Vorteil, andererseits können die Verantwortlichen auch machen, was sie wollen.

LAOLA1: Die WM steht in den Startlöchern. Kribbelt es schon?

Ich bin arbeitstechnisch doch sehr eingespannt. Ich bin auch mit Freude dabei und arbeite für meine Sponsoren Viessmann und ODLO, dazu mache ich auch was für eon Bayern. Dabei bin ich für die Gästebetreuung zuständig und gehe mit den Kunden langlaufen, mache Biathlon und setze mich mit ihnen ins VIP-Zelt. Ich zeige ihnen das Stadion und beantworte ihre Fragen. Ich freue mich, wenn es losgeht.

PLATZ 1 PLATZ 2 PLATZ 3
Olympia 2 4 3
WM 8 8 3
Gesamt-Weltcup 0 3 3
Einzel-Weltcup 1 1 1
Verfolgungs-Weltcup 0 1 2
Massenstart-Weltcup 0 1 1
Weltcup-Rennen 30 19 25