LAOLA1: … und du hast deine Entscheidung nie bereut?

Sumann: Auf keinen Fall! Der erste Schuss war ein Treffer, es ging mir körperlich besser und ich hatte neue Ziele. Binnen kurzer Zeit ging es schnell bergauf, das war entscheidend.

LAOLA1: Ungeplant war auch die bereits erwähnte Karrierefortsetzung, nachdem du ursprünglich 2012 die Waffe wegsperren wolltest. Hast du deine Entscheidung zwischenzeitlich als Fehler betrachtet?

Sumann: Wenn ich nein sagen würde, müsste ich lügen. Speziell in der ersten Zeit war es schwierig. Als ich nach Innsbruck gezogen bin, konnte ich zu Beginn keine einzige Trainingseinheit absolvieren, weil ich sofort krank wurde. Das hat sich über einen Monat gezogen, ohne einen Meter zurückzulegen. So ging das bis Mitte, Ende des Winters. Ich habe mir öfter als einmal die Frage gestellt, ob es die richtige Entscheidung war. Im Grunde genommen waren die beiden Rennen in Khanty – Platz vier im Sprint und der Sieg in der Verfolgung – ausschlaggebend. Die haben mir den nötigen Kick gegeben. Ansonsten weiß ich nicht, ob ich noch ein Jahr mit all diesen Enttäuschungen durchgestanden hätte. Summa summarum hat sich die vergangene Saison mit Olympia-Bronze, aber auch anderen Leistungen, absolut ausgezahlt. Jetzt kann ich sagen, ich bin mit mir im Reinen und kann Abschied nehmen.

LAOLA1: Hast du Angst vor dem neuen Leben, das auf dich zukommt?

Sumann: Angst kann man es nicht nennen, aber Respekt. Das wird ein anderes Leben, ein neuer Abschnitt. Ich habe 20 Jahre Leistungssport überlebt, daher werde ich auch das schaffen.

LAOLA1: Was waren rückblickend die schönsten Momente deiner Karriere?

Sumann: Da gibt es Gott sei Dank viele. Dazu gehören die ersten Siege im Weltcup – in der Staffel wie im Einzel. Passiert ist das Ganze innerhalb einer Woche im Dezember 2001. Das waren sicher Meilensteine. Dazu die erste Medaille bei der Heim-WM in Hochfilzen und die Olympia-Medaillen 2010 mit der Staffel und im Einzel. Was mir wohl ewig in Erinnerung bleiben wird, ist die Bronzemedaille in Sotschi. Sie war etwas ganz Außergewöhnliches. Der ganze Tag und die Vorbereitung waren so prägend, nervtötend und stressig, dass es nicht schlimmer gegangen wäre.

LAOLA1: War die Angst vor dem Versagen so groß?

Sumann: Die Mannschaft war den ganzen Tag zusammen, wir saßen auf der Couch und unterhielten uns. Die Anspannung hätte man mit dem Messer schneiden können. Eine Weltcup-Staffel ist im Vergleich zu diesem Rennen ein Kindergeburtstag. Jeder wusste, dass es eine ähnliche Situation wie in Vancouver war. Auf dem Papier waren wir unter den Mitfavoriten, wir wussten, dass wir die Medaille realisieren können, wenn jeder seine Leistung abruft. Das heißt aber noch lange nicht, dass du es dann auch umsetzen kannst. Dazu kommt, dass du nicht allein bist. Im Einzel hast du es eben verbockt und bist niemandem Rechenschaft schuldig, in der Staffel gibt es aber noch drei andere, die mit dir laufen. Da gibt es kein Aufgeben und Nachlassen, da gibt es nur Kampf. Ich wollte nicht für einen Misserfolg verantwortlich sein, deshalb war die Anspannung unvorstellbar groß. Es war aber nicht besser, als ich im Ziel war. Zwar im guten Gewissen, dass ich meinen Beitrag geleistet habe, aber die Zeit von der Übergabe bis zum Zieleinlauf (von Landertinger) war schrecklich.

LAOLA1: Welche Möglichkeiten hat man als Athlet, um dagegen vorzugehen?

Sumann: Gar keine. Du kannst dich zusammenschließen und hoffen, dass über die Athletenkommission ein Sprachrohr entsteht. Du kriegst aber quasi einen Maulkorb verpasst, weil es sonst nur Probleme gibt. Du musst hoffen, dass es irgendwann in der Chefetage ein Umdenken gibt und auch mal Leute dort sitzen, die selbst Sport gemacht haben und anders denken.

LAOLA1: Die Spiele wandern immer häufiger in Länder, die mit Geld um sich werfen. Sollte sich auch das ändern?

Sumann: Natürlich, das kritisiere ich. Das sind alles gekaufte Spiele aus der Retorte. Man geht nicht mehr dorthin, wo Begeisterung für den Sport da ist. Dorthin, wo man Milliarden sparen kann, weil Wettkampfstätten schon da sind und nur noch renoviert oder ausgebaut werden müssten und eine Nachhaltigkeit gegeben ist. Olympia sollte man wieder in Orte geben, in denen eine Tradition für den Sport vorhanden ist.

LAOLA1: Wie siehst du die Entwicklung innerhalb des ÖSV-Teams? Die Staffel, die in Sotschi Bronze gewann, war dieselbe, die schon in Vancouver zu Silber lief. Wurden Entwicklungen verschlafen?

Sumann: Wir waren Gott sei Dank gut genug, dass die Jungen nicht vorbei gekommen sind (lacht). Wenn wir viele gute Junge hätten, wären Meso und ich nicht mehr in der Staffel gewesen. Meso wird 38, ich bin es – das ist nicht alltäglich. Wir sind aber auch kein Land wie Norwegen, Deutschland oder Russland, wo es ein unerschöpfliches Reservoir an Athleten gibt. Dort entsteht die natürliche Auslese, es gibt so viele Talente, dass fast kein Auswahlverfahren nötig ist.  Wir haben nur eine Handvoll an Talenten - wenn überhaupt. Wenn du dann einen Diamanten hast, musst du ihn hegen und pflegen und hoffen, dass etwas aus ihm wird. Die Situation hat sich in den letzten Jahren glücklicherweise verändert, es gibt immer mehr Jugendliche, aber ein Landi kommt eben nicht alle zwei Jahre daher. Er ist eine Ausnahmeerscheinung.

LAOLA1: Daniel Mesotitsch und Fritz Pinter sind ebenfalls im Herbst ihrer Karriere. Machst du dir Sorgen um das ÖSV-Team?

Sumann: Es ist keiner da, der sich aufdrängt, das ist ein Problem. Im Jugendbereich gibt es Talente, aber die sind noch zu weit weg. Die Junioren waren bei der WM relativ weit hinten. Du musst als Junger in der Lage sein, die Alten immer wieder mal zu ärgern. Momenten gibt es weit und breit keinen, der das kann. Wenn Meso, Fritz und ich weg sind, wird ein kleines Loch entstehen.

LAOLA1: Welche Wertschätzung genießt ihr Biathleten innerhalb des ÖSV?

Sumann: Ich glaube, ich habe meinen Beitrag geleistet, dass sich Biathlon im ÖSV einigermaßen etabliert hat. Ich habe den ganzen Werdegang und Aufschwung mitgetragen, mitverfolgt und miterlebt und muss sagen, dass sich etwas verändert hat. Früher waren wir eine Sparte von vielen, die im Untergrund des Skiverbandes herumgetümpelt ist. Mittlerweile brauchen wir uns nicht mehr verstecken. Alpin ist ganz klar die Nummer eins im Winter, das ist auch okay. Wir liegen aber dem Verband finanziell nicht mehr so auf der Tasche und können uns einigermaßen selbst finanzieren. Selbst unser Präsident hat gesehen, dass Biathlon etwas wert ist.