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Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Wenn am Sonntag um 15:30 Uhr in Östersund mit der Mixed-Staffel der Startschuss für die 37. Biathlon-Weltcup-Saison fällt, ist alles Vergangene Makulatur.

Gewonnene Kristallkugeln, hart erkämpfte Weltcup-Siege, heroisch errungene Olympia-Medaillen – all das ist Schnee von gestern. In Schweden beginnt das jährliche Procedere von vorne.

Ein Ass im Ärmel

Nach 252 Tagen hat das Warten ein Ende und sämtliche Spekulationen können ad acta gelegt werden. Wer bislang geblufft hat, muss nun die Karten auf den Tisch legen. Spätestens in den Einzelbewerben kommende Woche wird sich herausstellen, wer das entscheidende Ass im Ärmel hat.

Im Sommer haben Ole Einar Björndalen, Darya Domracheva und Co. hart dafür geschuftet, um im Winter die Früchte ernten zu können. Wir bringen auch auf den aktuellsten Stand

Was hat sich in den letzten Monaten getan? Welche Biathleten zielen in dieser Saison besonders scharf? Wer muss jeden Cent zweimal umdrehen? Wir schaffen Tatsachen – nackte Tatsachen, um genau zu sein – die LAOLA1-Schießbude zum Weltcup-Auftakt 2014/15:

Der (gute) Zweck heiligt die Mittel: Soukalova im Kampf gegen Krebs

Nackte Tatsachen

Vom Talent zum Sternchen zum Superstar. Fährt man mit dem Auto nach Prag, lacht einem - selbst im Sommer - Gabriela Soukalova alle paar Kilometer von einem Plakat entgegen. Die 25-Jährige, bei Olympia mit zwei Medaillen dekoriert, eilte in den letzten Monaten von Termin zu Termin. "Man sollte zu Saisonbeginn nicht zu viel erwarten", dämpft sie aufgrund ihrer Verpflichtungen und eines gewissen Trainingsrückstands die Erwartungen. Soukalova hetzte allerdings nicht nur von Feier zu Feier, sondern nutzt ihren Bekanntheitsgrad auch für wohltätige Zwecke. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem Badminton-Spieler Petr Koukal, ließ sie sich deshalb - wie Gott sie schuf - für den Kampf gegen Krebs ablichten. 

 

Ohne Moos nix los

Dank Andrejs Rastorgujevs ist Biathlon in Lettland klar am aufsteigenden Ast. Bis zu potenziellen Sponsoren haben sich seine Erfolge - der 26-Jährige wurde letzte Saison Europameister und landete im Weltcup auf dem 16. Gesamtrang - allerdings noch nicht herumgesprochen. Lange Zeit schien es, als sollte dem Einzelkämpfer spätestens zu Saisonmitte die Luft bzw. das Geld ausgehen. 80.000 Euro fehlten Rastorgujevs, dem sogar angeboten wurde, für andere Nationen zu starten. "Es gab Versuche, für eine bestimmte Summe, aber ich wurde in Lettland geboren und bin auch Patriot", erteilte er sämtlichen Interessenten eine Absage. Es sollte sich auszahlen, denn kurz vor Saisonbeginn gab der Verband bekannt, einen Investor gefunden zu haben. Einer erfolgreichen Saison steht damit nichts mehr im Wege.

 

Familiengeflüster

Für zahlreiche Stars war der Olympia-Winter zugleich der letzte ihrer ruhmreichen Karriere. Aus unterschiedlichen Gründen beendeten u.a. Christoph Sumann, Andrea Henkel, Tora Berger oder auch Björn Ferry ihre Karrieren. Henkel nutzte den Sommer dann auch gleich, um ihrem Verlobten, dem US-Amerikaner Tim Burke, das Ja-Wort zu geben. Einen Schritt weiter ging die Schweizerin Selina Gasparin. Die Silbermedaillengewinnerin aus Sotschi ehelichte nicht nur Langläufer Ilia Chernousov, sondern muss im WM-Winter 2014/15 passen, weil sie in Erwartung ihres ersten Kindes ist. Erstmals Vater wurde indes auch Simon Eder, der sich im Sommer über die Geburt von Marlene freuen durfte.

Vier gewinnt

Dreimal in Folge war Martin Fourcade zuletzt der beste Biathlet der Welt. Gelingt ihm ein vierter Husarenstreich, schreibt er Geschichte - nie zuvor hat ein Biathlet vier große Kristallkugeln in Folge gewonnen. Der Sommer des Franzosen war allerdings schwierig, musste er doch aufgrund des Pfeiffer'schen Drüsenfiebers rund einen Monat mit dem Training pausieren. Inzwischen scheint er vollständig wiederhergestellt zu sein, hinterließ er doch in Testwettkämpfen einen glänzenden Eindruck. Als besondere Motivation will Fourcade in diesem Winter auch an Langlauf-Rennen teilnehmen. "Viele Leute glauben, dass ich dadurch im Biathlon schlechter werde. Das glaube ich nicht", will er es seinen Kritikern einmal mehr beweisen.

 

Die Abschieds-Debatte

Der Biathlon-Weltverband (IBU) ließ auf seiner Internetseite damit aufhorchen, Kaisa Mäkäräinens wahrscheinlichen Karriereabschied mit Saisonende zu verkünden. Die finnische Gesamtweltcup-Siegerin, angesichts ihrer bevorstehenden Heim-Weltmeisterschaft in Kontiolahti motiviert wie nie, zeigte sich entsprechend überrascht. Manager Harri Halme dementierte umgehend und bezeichnete die Aktion als "Joke". Ob die 31-Jährige definitiv weitermacht, verriet er allerdings nicht.

 

Märchen oder Realität?

Erst zurück-, dann nachgetreten - Björn Ferry hat mit seinem Buch "Ferry Tales" für Aufregung gesorgt. Einige seiner Ex-Kollegen halten den Titel für passend und seine Geschichten für ein Märchen, hat der Schwede doch zahlreiche Biathleten verunglimpft. Trainer Wolfgang Pichler soll ihm fragwürdige Nahrungsergänzungsmittel angeboten haben, dem schwedischen Damen-Team wirft er Mobbing vor, den norwegischen Herren um Tarjei und Johannes Thingnes Boe, Emil Hegle Svendsen und Lars Berger eine zu starke Neigung zu Partys und Alkohol. Die Betroffenen sind freilich "not amused". Pichler dementierte umgehend, Berger warf Ferry schlechten Stil vor und Svendsen findet manche Aussagen sogar "armselig". Der Schwede sei mit seinen Aussagen vielen in den Rücken gefallen. 

Startberechtigt: Evi Sachenbacher-Stehle

Das leidige Thema

Schon vor und in Sotschi blieb dem Biathlon-Zirkus das Thema Doping nicht erspart. Die beiden Russinnen Irina Starykh und Ekaterina Iourieva (Wiederholungstäterin) wurden ebenso erwischt wie Karolis Zlatkauskas aus Litauen und daraufhin folgerichtig von den Wettkämpfen im Laura Stadium ausgeschlossen. Bei den Bewerben im Zeichen der fünf Ringe erwischte es schließlich die Deutsche Evi Sachenbacher-Stehle, die nach Anhörung vor dem Sportgerichtshof (CAS) inzwischen allerdings wieder startberechtigt ist. Und nun, wenige Tage vor dem Saisonstart, gab es das nächste Beben. Alexandr Loginov, das derzeit vielleicht größte Talent in den Reihen Russlands, wurde - bereits Ende 2013 - überführt. Ihm droht eine zweijährige Sperre. Traurige Erkenntnis: Die Dummen sterben nie aus!

 

Biathlon-Shooting-Challenge

Nicht nur die ALS Ice Bucket Challenge machte im Lager der Loipenjäger die Runde, auch die Shooting Challenge war in aller Munde. Hierbei galt es, eine Stehend-Serie von fünf Schüssen fehlerfrei abzusetzen - und das in möglichst kurzer Zeit. Martin Fourcade forderte zunächst die Norweger heraus, bis der Trend auch international Beachtung fand. Wenig verwunderlich, dass schon bald Simon Eder (hier geht's zum Video) den Rekord knackte - mit 8,15 Sekunden. Fourcade, Björndalen und Co. verzweifelten zwar daran, inoffiziell soll allerdings ein junger Norweger die Zeit unterboten haben.

 

Der Sommer der Österreicher

Allen voran sei hier Alfred Eder gestellt. Der 60-Jährige, Vater von ÖSV-Ass Simon Eder, hat den Cheftrainer-Posten in Weißrussland übernommen und zeichnet sich fortan für die Ergebnisse von Topstar Darya Domracheva, Olympia-Medaillengewinnerin Nadezhda Skardino und Co. verantwortlich. Neben Christoph Sumann hat sich bei den Damen auch Iris Schwabl heimlich, still und leise aus dem aktiven Sport zurückgezogen. Die Damen gehen dennoch stark wie nie in die neue Saison und dank der Ergebnisse des letzten Jahres - an dieser Stelle sei noch einmal der historische Sprint-Sieg von Katharina Innerhofer in Pokljuka erwähnt - in Östersund erstmals mit drei Ladies an den Start. Bei den Herren sind Dominik Landertinger und Simon Eder weiterhin die Zugpferde, letzterer hatte den "Sommer meines Lebens" und überzeugte in sämtlichen Testrennen. Mannschaftlich zeigten sich die Herren ungemein geschlossen, sodass sich Cheftrainer Reinhard Gösweiner sogar leisten konnte, Julian Eberhard nicht für den Auftakt zu nominieren. Der Top-Läufer hat in Norwegen immerhin eines von drei Qualifikationsrennen gewonnen.


Christoph Nister