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"Die paar Dodeln in den Internet-Foren sind mir egal"

„Hundertstel-Hans“ ist zurück am Ort seiner bittersten Niederlage.

Obwohl Hans Knauß bei der WM 1999 im Super-G Bronze gewann, verlor er die Goldmedaille um nur eine Hundertstel Sekunde. „Es gab schon Zeiten, und die gibt es immer noch, wo ich dasitze und mir denke, ich wäre schon gerne Weltmeister geworden“, kann der 43-Jährige heute darüber lachen und fügt an: „Es hatte alles seinen Sinn.“

Kritiker kreiden dem Steirer oft an, in seiner Rolle als Co-Kommentator ein Strahlemann zu sein, der alles schönrede. Dass er auch austeilen kann, beweist er bei LAOLA1: "Ich freue mich total, wenn mich Leute kennen und anreden. Das ist die Masse. Wenn sich dann ein paar 'Dodeln' in irgendwelchen Internet-Foren austoben, ist mir das egal.“

Auch im Ski-Sport gibt es einige Dinge, die Knauß gegen den Strich gehen: „Gewisse Sachen laufen extrem steril ab. Wenn ich zum Beispiel höre, dass Anna Fenninger nur dem ORF ein Interview gegeben hat und wegen ihrem Pressesprecher nicht zur CBS gehen konnte, frage ich mich, ob die komplett verrückt geworden sind.“

Was er zur Nachwuchs-Krise sagt, warum er nicht im ÖSV arbeiten will und die neuen Ski „scheiße“ sind, erklärt Hans Knauß im LAOLA1-Interview.

LAOLA1: Wie frisch sind die Erinnerungen an die WM 1999, wenn du hierher kommst?

Hans Knauß: Ich komme jedes Jahr hierher, es beeindruckt mich aber jedes Mal wieder. Dadurch, dass WM ist, noch etwas mehr. Wenn es dann knappe Entscheidungen wie bei der Damen-Abfahrt mit zwei Hundertstel gibt, denke ich schon immer wieder zurück, was vor 16 Jahren war.

LAOLA1: Ganz ehrlich: Haderst du hin und wieder noch damit, im Super-G um eine Hundertstel Gold und in der Abfahrt um zwei Hundertstel Bronze verpasst zu haben?

Knauß: Heute stehe ich voll drüber, weil ich sehe, dass alles seinen Sinn hatte. Es gab schon Zeiten, und die gibt es immer noch, wo ich dasitze und mir denke, ich wäre schon gerne Weltmeister geworden. Das kann aber genauso gut im Sommer sein. Einmal um eine und einmal um drei Hundertstel (2003, Riesentorlauf/Anm.) nicht. Da hast du das Können und das Material, trotzdem bist du es nicht geworden. Da denke ich mir oft: Wieso? Dann finde ich die Bestätigung in meinem Leben. Die Kinder sind gesund und ich habe eine tolle Familie.

LAOLA1: Es kommt aber schon noch manchmal durch?

Knauß: Ab und zu schon, das muss ich zugeben. So ist es nicht, dass ich mir denke, dass es eh scheißegal ist. Dafür war ich zu viel Sportler.

LAOLA1: Was hat sich in Vail und Beaver Creek seit 1999 verändert?

Knauß: Ganz offen und ehrlich gesagt, gar nicht so viel. Die Birds of Prey ist Gott sei Dank noch dieselbe. Dazu ist die Damen-Strecke „Raptor“ gekommen, die ist richtig gut und schwer. Ansonsten war 1999 fast mehr Glamour. Global gesehen merkt man, dass die Wirtschaftskrise die Amerikaner viel mehr getroffen hat. Ich habe zuerst gemerkt, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise zu uns kommt, als ich hier war. Das muss so um 2008 gewesen sein, da hat man bei uns nur sporadisch darüber geredet. Hier hat man es richtig gesehen und gespürt. Die ganzen Immobilien sind immer noch schweineteuer, aber so viel gebaut, wie damals, wird nicht mehr. Der ganze Glanz ist nicht mehr so, wie er war.

Hans Knauß stören die vielen Wasserträger

LAOLA1: Im Ski-Zirkus generell? Fehlen die Typen?

Knauß: Einer der größten Typen hat sich leider im Super-G in der Kompression verabschiedet. Ich habe wirklich die Hoffnung, dass Bode zurückkommt. Er ist ein Held für viele, vor allem für die jungen Leute. Svindal ist zum Glück wieder zurück. Auch Matthias Mayer ist ein Spitzenfahrer und super Typ, als Olympia-Sieger bist du hier drüben auch jemand. Reichelt ist jetzt mit 34 Jahren der älteste Weltmeister und auch ein eigener Typ mit einer eigenen Geschichte. Die Mischung stimmt eigentlich, das gefällt mir ganz gut.

LAOLA1: Was stört dich am Ski-Sport?

Knauß: Gewisse Sachen laufen extrem steril ab. Wenn ich zum Beispiel höre, dass Anna Fenninger nur dem ORF ein Interview gegeben hat und wegen ihrem Pressesprecher nicht zur CBS gehen konnte, frage ich mich, ob die komplett verrückt geworden sind. Das ist ein reines Kräftemessen von irgendwelchen Leuten ganz oben. Das ist ein Schwachsinn, weil die Leidtragenden die Sportler sind. Die operative Familie im Ski-Weltcup ist klein und überschaubar. Wir müssen alles daran setzen, das gut zu vermarkten. Das habe ich gelernt, seit ich Co-Kommentator bin. Da will jeder zusammenarbeiten. Wenn ich dann höre, der geht zu dem Interview nicht und das passt nicht, merke ich, dass viele „Wasserträger“ mit dabei sind. Die hat es bei uns damals nicht gegeben. Bei uns hatte einer einen Wasserträger, das war Hermann. Und der hat es sich verdient! Hirscher hat es sich verdient. Ansonsten ist es mir von gewissen Athleten zu wenig Eigenständigkeit. Es ist ganz wichtig, dass die eine eigene Meinung haben und sagen: "Jetzt mache ich mein Interview und nicht, wann es mir jemand sagt." Bode ist zum Beispiel ein enormer Freigeist, ein extremer Typ. Der hat nichts getan, wovon er nicht selbst überzeugt war und hat sich nichts einreden lassen. Deshalb mögen ihn die Leute und er ist ein Hero.

LAOLA1: Es wirkt oft unantastbar, siehst du das auch so?

Knauß: Genau. Bei den großen Teams schaut nach außen hin alles so brav aus. Das ist das, was die jungen Leute nicht bewegt. Deshalb war ich über den Herren-Super-G so froh mit Spannung, knappen Entscheidungen und einem geilen Siegertypen. Alleine wenn ich an Bodes Fleischwunde denke: Da werden ältere Leute vielleicht sagen, dass das grauslich ist und sie so etwas nicht sehen wollen, aber viele Junge werden sagen: „Wow, das ist ein geiler Sport, da geht es hart her!“ - so ist das heutzutage.

LAOLA1: Du bist jetzt schon fast zehn Jahre Co-Kommentator im ORF. Hättest du dir gedacht, das so lange zu machen?

Knauß: Als ich mit dem Skifahren aufgehört habe, habe ich mit der Öffentlichkeit abgeschlossen. Ich dachte mir, das war eine geile Zeit in der Öffentlichkeit und habe mir gedacht: „Naja, irgendetwas werde ich schon machen müssen.“ (lacht) Dann hat sich das ergeben und es ist unfassbar, wie schnell die Zeit vergeht. Das ist ein Zeichen, dass es mir gefällt. Auch wenn es manchmal noch so beinhart ist. Mit der Kamera fahren und dann schnell rauf, das ist alles viel Stress. Trotzdem gefällt es mir nach wie vor, je älter ich werde, desto mehr merke ich, dass der Skisport immer mein Leben war und es nach wie vor ist.

LAOLA1: Du stehst als Co-Kommentator in der Öffentlichkeit und kommst bei einem Teil der Zuseher sehr gut an, bei einem anderen stehst du dafür in der Kritik. Bekommst du das mit und stört dich das?

Knauß: Das ist doch völlig normal. Früher als Läufer hat man es so mitbekommen, da gab es die Foren noch nicht so. Heute freue ich mich total, wenn mich Leute kennen und anreden. Das ist die Masse. Wenn sich ein paar „Dodeln“ in irgendwelchen Internet-Foren austoben, ist mir das egal. Wenn es konstruktive Kritik ist, bin ich dankbar und nehme sie an. Keiner ist perfekt, auch ich nicht. Ich mache Fehler, wie im Super-G, wo wir Dustin Cook nicht beachtet haben, weil wir im Siegestaumel waren. Auf einmal war er schnell. Das ist aber menschlich. Konstruktive Kritik ist voll angebracht, der Rest bewegt mich gar nicht mehr wirklich. Da denke ich mir oft, dass mir noch nie so langweilig war, dass ich irgendetwas in ein Forum schreibe. Mich ärgert nämlich auch manchmal etwas. Gott sei Dank stehe ich darüber.

LAOLA1: Hattest du nie den Wunsch, etwas in die Richtung Trainer oder Funktionär zu machen?

Knauß: Ich habe schon die Trainerausbildung gemacht, der Gedanke ist nach wie vor in meinem Kopf. Wie soll ich sagen? Ich weiß nicht, ob ich ein guter Trainer wäre, aber ich glaube, dass ich es gut vermitteln könnte. Das spüre ich oft, wenn ich mit jungen Leuten spreche. Ich kann mich einfach irrsinnig gut in Menschen hineinversetzen. Ob das jetzt wirklich zielführend ist, ist schwer zu sagen. Und vor allem wo? Ich fände es trotzdem toll, vier oder fünf schnelle 16- bis 18-Jährige zu haben und mit denen von unten durch hinaufzugehen. Das wäre eine reizvolle Aufgabe.

LAOLA1: Ist das umsetzbar?

Knauß: Nebenbei sowieso nicht. Unter dem großen Apparat (ÖSV/Anm.) möchte ich momentan nicht arbeiten, wenn ich ehrlich bin. Das kann durchaus irgendwann der Fall sein. Ich ziehe vor den meisten Trainern den Hut, das ist ein „Volljahres-Job“. Das wäre mir mit meiner Familie zu viel, da wäre ich zu viel unterwegs.

LAOLA1: Derzeit wird viel über die „Nachwuchs-Krise“ im ÖSV diskutiert. Was ist deiner Meinung nach falsch gelaufen?

Knauß: Dass die erst jetzt kommt, ist für mich fast verwunderlich. Am Ende meiner Laufbahn, als ich noch gefahren bin, sind ein paar Läufer zusammengesessen und wir haben uns gedacht, dass es nicht mehr passt und es nicht mehr lange gut gehen kann. Es ist dann noch jahrelang gut gegangen, ich hätte gedacht, dass diese Krise viel früher eintrifft. Unsere Generation war sehr stark und wir wissen, dass wir vielleicht einige Leute aufgehalten haben. Die, die jetzt fehlen, haben aber nichts mit uns zu tun. Die waren damals noch blutjung.

LAOLA1: Was ist dann der Grund?

Knauß: Wie soll ich das am besten erklären? Irgendwie ist der Apparat immer größer geworden und der Spirit war nicht mehr derselbe. Wir hatten in der Technikgruppe und der WC-3-Gruppe einen Masseur, bis wir uns beschwert und irgendwann noch einen bekommen haben. Da waren wir echt am Limit. Am Ende meiner Laufbahn hat es sich so aufgeblasen, dass ich nicht mehr wusste, wofür der und der zuständig ist. Das war und ist alles überstrukturiert. Für mich liegt das Problem nicht nur ganz oben. Beim Übergang aus dem Landeskader in den ÖSV gehen so viele gute Leute verloren, da tut mir das Herz weh. Dort stimmt etwas nicht.

LAOLA1: Die Strukturen schrecken junge Läufer ab?

Knauß: Ich denke schon auch, ja. Was auch schlecht ist und der ÖSV alleine nichts dafür kann, sind die Ski im Riesentorlauf. 35 Meter Radius und 1,95 Meter lange Ski, da quälen sich die jungen Leute mit 16 oder 17 Jahren. Das ist ein Scheiße! Die haben einfach keine Lust, mit so etwas zu fahren. Vorher konnten sie carven und jetzt müssen sie mit so einem „Klumpert“ herumfahren.

LAOLA1: Können deine beiden Kinder in Zukunft die Krise vergessen machen? Ist eine Ski-Karriere absehbar?

Knauß: Meine Tochter (Nella/Anm.) geht in die zweite Klasse der Ski-Hauptschule. Sie fährt schon recht nett und es gefällt ihr total gut. Sie hat so eine Freude daran, das ist das schönste für mich. Ich hoffe, dass ihr das bleibt, egal, wie weit sie kommt. Sie ist wirklich motiviert. Mein Sohnemann (Leo/Anm.) ist zehn Jahre alt und will Bauer werden. Er fährt gerne Ski und geht manchmal zum Training mit. Er sagt aber schon heute, dass ihn Rennfahrer zu werden nicht interessiert, er will Bauer werden. Das finde ich total lässig.

LAOLA1: Abschließend: Wer sind deine Favoriten für die Abfahrt?

Knauß: Die üblichen Verdächtigen. Reichelt, Mayer, Jansrud – wenn es ihm mit dem Arm halbwegs gut geht. Auf Paris darf man nicht vergessen, Svindal ist auch gefährlich, das ist genau sein Schnee. Ein Dustin Cook kann dir wieder passieren. Das ist typisch WM, einer wird wieder lästig. Das passt mir aber ganz gut (lacht).

 

Das Gespräch führte Matthias Nemetz