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"Tina hatte einfach das 'Euzerl' mehr Glück"

Ausgleichende Gerechtigkeit.

So könnte man das Ergebnis der WM-Abfahrt nennen. Zwei Hundertstel fehlten Anna Fenninger auf Siegerin Tina Maze. Im Super G gewann die Salzburgerin dafür drei Hundertstel vor der Slowenin.

„Heute war sie die Glücklichere, im Super G waren die Hundertstel auf meiner Seite. Ich bin mit Silber sehr zufrieden, weil es in der Abfahrt bei Großereignissen bislang immer schwer für mich war“, strahlte die 25-Jährige über ihre zweite Medaille des Events.

Und noch ist nicht Schluss. In der Kombi und im Riesentorlauf hat sie die Chance, ihre Medaillensammlung aufzustocken. Schon jetzt ist sie Österreichs viert-erfolgreichste WM-Teilnehmerin. Nur Annemarie Moser-Pröll, Renate Götschl und Trude Beiser-Jochum haben mehr WM-Edelmetall im Schrank.

Warum sie sich fit genug für die anstehenden Aufgaben fühlt, sie eine Freundschaft mit Tina Maze verbindet, die Silbermedaille fast emotionaler als Super-G-Gold ist und es in Beaver Creek einfacher, als in Schladming ist, erklärt Anna Fenninger im Interview:

Frage: Wieder hat es hauchdünn nicht für den Sieg in der Abfahrt gereicht. Bist du einfach noch nicht bereit für einen Sieg in der Abfahrt?

Anna Fenninger: Oja, ich bin bereit. Ich brauche einfach noch etwas Zeit, aber ich war heute schon knapp dran. Tina war heute besser, sie hatte einen richtig guten Lauf. Ich bin mit Silber sehr zufrieden, weil es in der Abfahrt bei Großereignissen bislang immer schwer für mich war.

Frage: Wie war dein Gefühl während der Fahrt?

Fenninger: Ich hatte ein gutes Gefühl. Ich musste kämpfen, drinnen zu bleiben. Es hat mich immer runtergedrückt, ich musste zusehen, die Kurven eng zu halten. Das ist meistens ein gutes Zeichen, weil es bedeutet, dass man komplett am Limit ist. Das war ich auch. Ich habe das Beste rausgeholt.

Frage: Was ging dir durch den Kopf, als Tinas Vorsprung immer kleiner wurde?

Fenninger: Es war sehr aufregend. Lara (Gut/Anm.) war für mich die große Favoritin, als sie runter kam und hinter mir war, dachte ich, dass ich einen richtig guten Lauf hatte. Als Tina dann immer mehr Zeit verloren hat, war es wirklich spannend. Ich mag es, mit ihr auf dem Podest zu sein, weil sie so eine großartige Läuferin ist. Heute war sie die Glücklichere, im Super G waren die Hundertstel auf meiner Seite.

Frage: Ihr scheint euch gut zu verstehen. Wie kann man trotz der Rivalität auf der Strecke befreundet sein?

Fenninger: Wir verstehen uns sehr gut. Es ist nicht so, dass wir Freunde wie im normalen Leben sind. Wir sind Freunde im Ski-Leben, reisen zusammen und sehen uns den ganzen Winter lang. Wir treffen uns immer wieder am Podium. Deshalb sind wir Freunde, wir teilen diese Siege und die Emotionen die damit verbunden sind.

Frage: Was hat sich seit der letzten WM verändert?

Fenninger: Ich weiß es nicht. Vielleicht waren es die Olympischen Spiele letztes Jahr, wo ich mich bereit fühlte, einen Titel zu holen. Ich hatte dann in der Abfahrt Probleme, was sehr hart war. Dann die Goldmedaille im Super G, da wusste ich, dass ich das wichtigste Rennen einer Ski-Karriere schon gewinnen konnte. Danach konnte alles, was ich erreiche, nur noch gut sein, weil ich nichts mehr zu verlieren hatte. Ich fühle jetzt keinen Druck mehr, sondern fahre so gut ich kann.

Frage: Du hast gesagt, dass die Medaille heute fast emotionaler als die Gold-Medaille war. Warum?

Fenninger: Es ist einfach ein ganz anderes Erlebnis. Im Super G bin ich mit 22 runtergekommen, habe gesehen ich bin vorne und wusste, dass es passt. Da ist alles so schnell gegangen. Heute bin ich mit 16 gefahren, hatte einen Mega-Lauf und war über eine Sekunde vorne. Das war ein unglaubliches Gefühl, aber dann musste ich zittern und warten, was die anderen machen. Da hat sich alles aufgebauscht und zum Schluss mehr gelöst als im Super G. Das war ein sehr schönes Erlebnis, so emotional Silber gewinnen zu dürfen.

Frage: Als Tina schneller war, konnte man sehen, wie du die Hände vors Gesicht geschlagen hast. Was ging dir da durch den Kopf?

Fenninger: Das kann man gar nicht beschreiben. Da passieren in Sekunden Dinge, für die man Stunden brauchen würde, um sie zu erklären. Man ist immer hin- und hergerissen, geht es sich aus oder geht es sich nicht aus? Ich habe gemerkt, dass sie immer mehr Zeit verloren hat. Für sie war es sicher im Super-G so, als ich gefahren bin und sie unten war. Natürlich wollte ich Gold gewinnen und es war möglich. Tina hatte einfach das „Euzerl“ mehr Glück, das ich dafür im Super G hatte. Im ersten Augenblick denkt man sich schon „Ah, ist sich nicht ausgegangen“, aber jetzt bin ich richtig glücklich über Silber.

Frage: Drei Medaillen in drei Rennen für Österreich. Ist das eine Art Statement?

Fenninger: Es ist wirklich toll, dass wir bereits drei Medaillen holen konnten. Wir sind ein starkes Team und geben alle unser Bestes. Das war ein sehr guter Start. Es ist leichter, hier zu fahren, als in Schladming. So wie hier ist es wie bei einem normalen Rennen im Weltcup. In Schladming war es abnormal viel, das waren die wichtigsten Rennen unserer Leben. Das erzeugt viel Druck und macht es schwer, sein Bestes zu zeigen. Hier ist es einfacher.

Frage: Was ist der Grund, dass die ersten Drei so viel Vorsprung auf des Rest des Feldes haben?

Fenninger: Wir drei haben versucht, zu attackieren. Für mich war es immer wieder ein Kampf, das nächste Tor zu erreichen. Es war etwas schneller, härter und ruppiger als im Training. Wir haben es geschafft, so zu fahren, wie wir wollten. Das haben die anderen nicht geschafft.

Frage: Du hattest zwei anstrengende Rennen und noch einiges vor dir. Wie sieht es um deinen Fitness-Zustand aus?

Fenninger: Ich fühle mich eigentlich ganz normal fit. Die Abfahrt ist eigentlich extrem anstrengend, sie ist mir heute aber nicht so vorgekommen. Wenn man gut fährt und viele Emotionen hat, ist es einfacher, als wenn man nicht so gut fährt. Ich habe das relativ gut verdaut und versuche in dem Flow zu bleiben, in dem ich bin.

 

Aus Vail/Beaver Creek berichtet Matthias Nemetz