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Shiffrin-Coach: "Gruppen-Training macht keine Stars!"

Shiffrin-Coach:

Der Name Roland Pfeifer ist nur den Insidern unter den Ski-Fans hierzulande ein Begriff.

Dabei gewann der Vorarlberger, einst ein talentierter Riesentorläufer und Slalomfahrer, die Gesamtwertung der U.S. Ski Pro Tour und mehrere WM-Titel.

Nach erfolgreichen Jahren als Trainer von Kilian Albrecht und einer leitenden Tätigkeit im Vorarlberger Ski-Verband, wechselte der 48-Jährige vor zwei Jahren als Technik-Trainer zu den US-Damen.

Damit ist der Name Pfeifer untrennbar mit dem Aufstieg einer gewissen Mikaela Shiffrin verbunden.

Im LAOLA1-Interview erklärt der Export-Trainer wieso sein 17-jähriger Schützling mehr ist als „nur“ ein Wunderkind, warum die aktuellen Erfolge nur ein Zwischenschritt sind und weshalb es bei der WM auch in die Hose gehen kann.


LAOLA1:
 Herr Pfeifer, wie arbeitet es sich mit einer Rennläuferin, die als Wunderkind und Jahrhundert-Talent gefeiert wird?

Roland Pfeifer: Ach, wenn ich das immer höre, Wunderkind oder Jahrhundert-Talent. Das ist einfach nicht richtig. Ich habe früher auch mit Jugendlich gearbeitet, da waren genauso gute Talente dabei. Aber Mikaela geht mit ihrem Talent einfach anders um.

LAOLA1: Haben Sie dafür eine Erklärung?

Pfeifer: Sie genießt seit jeher eine super Unterstützung vom Elternhaus und wurde so erzogen, dass man für den Erfolg hart arbeiten muss. Mikaela weiß, dass man nichts geschenkt bekommt, deshalb arbeitet sie mehr als jede andere. Das ist auch der Grund, warum sie mit sehr guten Fertigkeiten im Alter von 16 Jahren zum US-Verband gekommen ist.

LAOLA1: War das der Grund, warum man ihr gleich ein komplettes Team zur Verfügung gestellt hat?

Pfeifer: Genau. Der Verband hat ihr zwei Trainer, einen Physiotherapeuten und einen Konditionstrainer gestellt. Dazu Zugang zu den besten Pisten in der ganzen Welt ermöglicht. Neuseeland im August, Chile im September, dazu die Trainingsmöglichkeiten in Colorado und Österreich. Dieses qualitativ hochwertige Training macht sich bezahlt, einfach weil sie es nützt. Mikaela will jeden einzelnen Lauf perfekt machen.

LAOLA1: Ist das der Grund für ihre unglaubliche Sicherheit im Slalom?

Pfeifer: Auch. Aber hier kommen wir noch einmal zu den Eltern, die ihr früh klargemacht haben, dass dieses Gewackle, das viele Amerikaner haben, dieses wilde Herumrudern mit den Händen, die extreme Rückenlage, nicht funktioniert. Hier ein Sturz, da ein Sturz, das gibt es bei ihr nicht, sie stürzt beinahe nie.

LAOLA1: Also ist Shiffrin eigentlich der Gegenentwurf zu Bode Miller?

Pfeifer: Absolut. Über Bode kann man nur Gutes sagen, der fährt zehn Slaloms, fällt neun Mal aus und dann gewinnt er mit zwei Sekunden Vorsprung. Ein anderer Athlet braucht ein halbes Jahr, um die neun Ausfälle mental zu verkraften. Bei Mikaela ist das ganz anders aufstrukturiert. Ausscheiden ist für sie gar nicht relevant, weil sie so sicher am Ski steht. Im Training, wenn sie 15 Läufe fährt, scheidet sie in keinem aus.

LAOLA1: Lassen Sie uns noch einmal kurz über die Eltern sprechen, die ja auch heute noch eine wichtige Rolle spielen?

Pfeifer: Wenn man die Eltern kennt, dann weiß man, woher Mikaela ihre unglaubliche Ruhe haben. Das sind harte Arbeiter, vor allem aber Realisten. Sie haben ihr auch beigebracht, dass man etwas richtig erlernen muss und nicht auf Glück vertrauen kann. Wenn zum Beispiel der Innenski ein Problem wäre, dann übt sie solange, bis es das Problem nicht mehr gibt.

LAOLA1: Das geht natürlich einfacher, wenn man alleine im Team ist und nicht eine Läuferin von vielen in einer Slalom-Gruppe?

Pfeifer: Ja, aber das war bei uns schon immer so, dass wir einzeln trainiert haben. Jede Läuferin braucht etwas anders. Wenn ich mit Resi Stiegler die Haarnadel übe und mit Mikaela die langen Schwünge, dann kann ich nicht irgendeinen Mix-Max machen. Deshalb haben wir von 8 bis 10 Uhr Training mit Resi und von 10 bis 12 Uhr mit Mikaela. Aus meiner Sicht sind vier, fünf Läuferinnen schon zu viel.

LAOLA1: Im Lager der Österreicherinnen ist man froh, dass man mit Marlies Schild eine Referenz hat?

Pfeifer: Aber geh, eine Marlies trainiert ja auch meist alleine und nicht mit dem Rest. Deshalb ist sie ja auch eine Klasse für sich. So wie ich das beobachtet habe, kommt beim Gruppentraining nur Durchschnitt raus, aber kein Star. Die heutigen Stars wie Lindsey, Ted, Bode oder jetzt Mikaela haben immer einzeln trainiert.

LAOLA1: Im Slalom ist Shiffrin im Alter von 17 Jahren bereits das Maß der Dinge. Wo kann es da noch hingehen?

Pfeifer: Sie hat ein ganz klares Ziel, nämlich so schnell wie möglich den Gesamt-Weltcup zu gewinnen. Dafür trainiert sie, daran glaubt sie. Aber ich vermute, dass sie noch nicht ganz versteht, was es bedeutet, wenn sie Super-G und Abfahrt dazunimmt. Nämlich dass ihr die Zeit abgeht, um Slalom und Riesentorlauf zu trainieren. Aber solange sie in diesen Disziplinen nicht perfekt fährt, brauchen wir über den Rest nicht nachdenken.

LAOLA1: Von was für einem Zeitrahmen sprechen wir also?

Pfeifer: Sie will natürlich gestern. Im Slalom fährt sie schon sehr konstant, aber im Riesentorlauf hat sie noch viel Arbeit. Und solange das nicht automatisch geht, macht es keinen Sinn alles zu fahren. Aber ein bisschen Super-G werden wir im nächsten Winter schon antesten. Sollten wir aber merken, dass es auf Kosten der technischen Disziplinen geht, werden wir das auch sofort eingrenzen.

LAOLA1: Sie arbeiten beinahe täglich mit Shiffrin. Was kann man in den schnellen Disziplinen erwarten?

Pfeifer: Mikaela hat auch in Abfahrt und Super-G unglaubliche Fähigkeiten. Vor allem kann sie Gleiten, das konnten wir auf der Gleitstrecke schon festmachen. Wenn sie nur geradeaus fährt, ist sie sehr, sehr schnell.

LAOLA1: Wie schnell war ihr Schützling denn in Beaver Creek, wo Shiffrin als Vorläuferin beim Herren-Riesentorlauf im Einsatz war?

Pfeifer: Natürlich ist gegen die Männer kein Kraut gewachsen, aber sie wäre Top-30 gewesen. Wobei man das natürlich insofern relativieren muss, als dass sie mit Startnummer 1 ins Rennen gegangen ist. Wir haben zuletzt mit den Italienern Slalom trainiert, da verliert sie auf Gross und Razzoli in einem 50-Sekunden-Lauf eineinhalb Sekunden, was großartig ist.

LAOLA1: Was kann sich Shiffrin von den Männern abschauen, oder gibt es etwas, was für das starke Geschlecht von Interesse ist?

Pfeifer: In Sachen Belastbarkeit macht Mikaela keiner etwas vor, es gibt niemand, der so viele Tore aushält wie sie. Einfach weil sie so aufrecht und effizient fährt, da hat sie einen Technik erfunden, die schnell ist und gleichzeitig weniger Kraftaufwand erfordert. Deshalb bin ich der Meinung, dass sie sich noch deutlich steigern kann.

LAOLA1: Shiffrin wirkt stets bodenständig und so, als könne sie nichts aus der Bahn werfen. Wie geht sie mit Druck und Superstar-Rolle um?

Pfeifer: Der Erfolg hat sie überhaupt nicht verändert. Aber natürlich spürt sie hier bei der WM die Favoritenrolle. Sie weiß, dass sie in den technischen Disziplinen und vor allem im Slalom die einzige Amerikanerin mit der Chance auf eine Medaille ist. Wenn sie ihre Lockerheit nicht verliert, bin ich guter Dinge. Aber es kann natürlich auch voll in die Hose gehen.

LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.

 

Das Interview führte Stephan Schwabl