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Ligety: "Bin weder Republikaner, noch Demokrat!"

Ligety:

Ted Ligety lässt den Taten auf der Piste bei LAOLA1 Worte folgen.

Nach seinem überlegenen Sieg beim Weltcup-Auftakt in Sölden (Rennbericht) spricht der 28-Jährige im großen Interview über Themen, die ihn abseits der Rennstrecke bewegen.

Zum Beispiel, wie es sich als Amerikaner im Ötztal lebt, wo das US-Team während der Saison seine Home-Base hat.

Oder wem er bei den Präsidentschafts-Wahlen am 6. November seine Stimme gibt, Barack Obama oder Mitt Romney.

Lance Armstrong ist ein Thema. Und natürlich darf bei einem Interview mit dem Olympiasieger und Weltmeister auch ein bisschen FIS-Bashing nicht fehlen.

LAOLA1: Das US-Team hat seinen Lebensmittelpunkt im Winter in Sölden. Merken Sie, dass dadurch und durch die vielen Rennen in Österreich, der Schweiz oder Italien eine Europäisierung bei Ihnen stattgefunden hat?

Ted Ligety: Ich habe mich an den Lifestyle gewöhnt, dass ich die meiste Zeit aus dem Koffer lebe. Das war eine Umstellung, die auch für mich anfangs hart war. Aber ich habe mich damit abgefunden, dass ich im Jahr nur 60 Tage zu Hause bin. Und ich weiß jetzt auch, wie ich damit umgehen muss, wenn es vielleicht einmal ein paar Rennen nicht mit einem Stockerlplatz klappt.

LAOLA1: Bei nur 60 Tagen daheim, fühlen Sie sich da überhaupt noch als Amerikaner?

Ligety: Ich bin immer noch Amerikaner, vielleicht sogar mehr als damals, als ich nach Europa gekommen bin.

LAOLA1: Apropos Amerika. Wem werden Sie am 6. November ihre Stimme geben?

Ligety: Mal schauen. Leider gibt es im Moment keine guten Optionen.

LAOLA1: Es hat Tradition, dass sich US-Berühmtheiten für den einen oder anderen Kandidaten stark machen. Könnten Sie sich das auch vorstellen?

Ligety: Ich bin weder Republikaner, noch Demokrat, stehe politisch irgendwo dazwischen. Beide Seiten haben Punkte im Programm, denen ich etwas abgewinnen kann, aber gleichzeitig auch welche, die ich nicht gut finde.

LAOLA1: Aber Sie wissen schon, wen sie wählen?

Ligety (lacht): Ja, aber ich werde es nicht sagen.

LAOLA1: Verfolgen Sie den Wahlkampf und also zum Beispiel die Debatten zwischen Präsident Obama und Herausforderer Romney?

Ligety: Ich lese mir alles am nächsten Tag durch, bin sehr daran interessiert. Leider polarisiert die Politik in den USA so stark, dass die eigentlichen Probleme nicht besprochen und angegangen werden.

LAOLA1: Wie haben Sie die erste Amtszeit von Barack Obama erlebt?

Ligety: Er ist in einer Zeit ins Weiße Haus eingezogen, die alles andere als einfach war. Die Welt ist am Rande einer großen Depression gewesen, aber Obama hat es dennoch geschafft Jobs zu schaffen. Es hat sich einiges zum Guten verändert, er hat einiges richtig gemacht, aber eben einiges auch nicht.

LAOLA1: Das zweite große Thema, das Amerika in den letzten Tagen beschäftigt hat, war der Absturz von Lance Armstrong. Wie haben Sie das erlebt?

Ligety: Es ist eine unglaubliche Story, einfach verrückt. Armstrong war ein Held für so viele Menschen. Was er außerhalb des Sports getan hat, war und ist großartig. Es ist schade um dieses Lebenswerk, aber Doping ist Betrug. So hart es ist, aber man muss da aufräumen. Damit der Radsport und auch viele andere Sportarten eine Zukunft haben.

LAOLA1: Armstrong selbst betont nach wie vor, dass er unschuldig ist. Zudem gab es nie einen positiven Doping-Test?

Ligety: Das ist natürlich ein Problem. Ich habe keinen Zweifel daran, dass er gedopt hat. Aber auf der anderen Seite kann ich niemanden schuldig sprechen ohne Beweis. Dass man ihm seine Tour-Siege ohne Verhandlung und nur aufgrund von Aussagen ehemaliger Teamkollegen wegnimmt, ist verfassungswidrig.

LAOLA1: Kommen wir zu einem anderen Thema. Wie steht es eigentlich um ihre Beziehung zur FIS?

Ligety (lacht): Da hat sich nicht viel geändert. Die FIS wird geführt wie ein totalitäres Regime. Wir, die Sportler, haben nichts zu sagen. Aber wir, und natürlich auch die Skifirmen, sind es, die für die Show sorgen und dafür, dass die FIS viel Geld verdient. Trotzdem werden wir größtenteils ignoriert.

LAOLA1: Hat man Sie eigentlich von Seiten der FIS schon einmal darauf hingewiesen, dass solche Aussagen Konsequenzen haben könnten?

Ligety: Es gab die eine oder andere Andeutung in diese Richtung, aber mir hat niemand direkt gesagt, dass ich meine Meinung nicht mehr sagen darf.

LAOLA1: Carlo Janka hat im LAOLA1-Interview gesagt, dass sich nichts ändern wird, solange die FIS weiter abcasht. Wie sehen Sie das?

Ligety: Solange diese Herrschaften ihre Jobs haben, wird sich nichts ändern. Das Gute an der Sache ist, dass sie auch nicht jünger werden und irgendwann aus ihren Sesseln, auf denen sie jetzt noch kleben, fallen. Eines Tages, hoffentlich früher als später, wird sich also etwas ändern!

LAOLA1: Es fällt auf, dass Sie mittlerweile nicht mehr der einzige Läufer sind, der sich in Richtung Ski-Weltverband kein Blatt vor den Mund nimmt.

Ligety: Das letzte Jahr hat sicher den einen oder anderen aufgeweckt. Zumindest werden wir jetzt angehört, zum Beispiel bei den Änderungen am Slalomski, die einmal aufgeschoben wurden. Das war ein erster Schritt. Ob es sie wirklich interessiert, was wir zu sagen haben, ist eine andere Geschichte.

LAOLA1: Was stößt Ihnen denn aktuell sauer auf?

Ligety: Dass das Format der Duel-Events über unsere Köpfe hinweg entschieden wurde. Ich bin schon sehr gespannt, was sie dem 13. der Slalom-Weltrangliste sagen, dass er nicht dabei ist, weil ja nur die Top-12 fahren. Da geht es immerhin um Punkte für den Slalom- und den Gesamt-Weltcup. Es fehlt einfach der Weitblick!

LAOLA1: Wenn Sie ihre Augen schließen und sich einen Weltcup nach ihrem Geschmack ausmalen. Wie würde der aussehen?

Ligety: Hoffentlich haben die Leute dann wieder Spaß am Skifahren und müssen sich nicht mit Funktionären und Regularien herumschlagen. Das Gute am Skisport ist die Tradition, aber die ist gleichzeitig auch ein Problem. Weil Tradition alleine wird irgendwann zu wenig sein. Es gäbe so viele Möglichkeiten, den Ski-Sport wieder spannend und interessant zu machen.

LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.

 

Das Interview führte Stephan Schwabl