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"Mein Körper hat mir gesagt: Runter vom Gas!"

Der Hoffnungsträger ist zum Siegertyp gewachsen. Marcel Hirscher hat nach seiner Verletzung den nächsten Schritt getan.

Überraschend schnell. Zwei Siege und zwei Stockerlplätze hat der 22-Jährige in diesem Winter bereits auf der Habenseite.

Damit mischt er im Gesamt-, Riesentorlauf- und Slalom-Weltcup ganz vorne mit. In Zagreb (ab 14:45 Uhr im LIVE-Ticker) hat er die Chance, wieder die Nummer 1 der Ski-Welt zu werden.

Cool und höflich

Aber trotz des Höhenflugs ist Hirscher am Boden geblieben, vergisst auch in der Stunde größter Triumphe seine gute Kinderstuben nicht.

Der junge Wilde zeigt, dass Höflichkeit und Coolness durchaus miteinander können.

Bei LAOLA1 spricht er über die gesteigerte Popularität und ihre Schattenseiten, Hirscher-Hype in Holland und sein erstes Treffen mit Hermann Maier.

Außerdem klärt Marcel Hirscher über verschobene Prioritäten und die Bedeutung von Geld auf.

 

LAOLA1: Marcel, deine Beliebtheitswerte sind auf einem absoluten Höchststand. Kannst du daheim überhaupt noch unerkannt auf die Straße oder einkaufen gehen?

Marcel Hirscher: Grundsätzlich ist es eine super Geschichte, wenn einen die Leute kennen und ein Foto oder ein Autogramm wollen. In den seltensten Fällen gibt es Sachen, die nicht so cool sind. Dass dich Leute zu sehr in Anspruch nehmen, obwohl du Stress mit den ganzen Weihnachtsgeschenken und eh keine Zeit hast, das ist dann weniger cool.

LAOLA1: Aber besser zu viel als zu wenig Popularität, oder?

Hirscher: Natürlich taugt mir das. Aber im Sommer zum Beispiel merkt man es schon, dass Fußball das große Thema ist und Skifahren keinen interessiert. Das ist auch okay für mich, ich akzeptiere es, wie es ist. Im Sommer wird eben nicht Ski gefahren, dafür gibt es andere Sportarten im Winter nicht.

LAOLA1: Deine Mutter ist Holländerin, dort genießt Skifahren Exoten-Status. Aber werden deine Erfolge registriert?

Hirscher: Tante und Onkel berichten fleißig und sammeln die ganzen Berichte. Da kann es schon einmal vorkommen, dass ich auch in Holland eine Doppelseite habe.

LAOLA1: Immer und immer wieder wird der Vergleich mit Hermann Maier gezogen, den du so gar nicht magst. Aber du hast ein „Herminator“-Poster in deinem Kinderzimmer hängen gehabt. Was hat dich an ihm fasziniert?

Hirscher: Es ist schon cool, wenn der Papa den großen Star persönlich kennt und teilweise die selben Rennen wie er gefahren ist. Das ist schon cool für einen jungen Buam. Obwohl ich immer gesagt habe, dass er seine G'schichtln jemand anderem erzählen kann. Bis wir ihn beim Skifahren getroffen haben.

LAOLA1: Wie war das später, als ihr gemeinsam im Team gewesen seid?

Hirscher: Es war eigentlich immer eine Gaudi mit ihm. Schon zu seiner aktiven Zeit war er total nett und hat mir immer weitergeholfen. Wenn ich etwas wissen wollte, war der Hermann immer sehr bemüht und für mich da.

LAOLA1: Maier hat auch in Sachen Verdienst neue Maßstäbe gesetzt. Welche Bedeutung hat Geld für dich?

Hirscher: Ich mache mir keine Gedanken darüber, was ich mir mit dem jetzt verdienten Geld gönnen könnte. Dazu habe ich zu viel Stress. Grundsätzlich ist es ein super Nebeneffekt. Wenn es gar nichts gäbe, wäre es auch schwierig, wie ich bei meinem Freund Matthias Walkner sehe.

LAOLA1: Der ist Motocross-Profi?

Hirscher: Genau. Er gehört zu den Schnellsten der Welt, ist in den Top-15. Wenn der einen Grand Prix gewinnen würde, kriegt er null Cent. Das ist für mich bewunderswert, weil die Motivation muss man einmal haben, tagtäglich sein Leben zu riskieren und eigentlich ein Minusgeschäft zu machen.

LAOLA1: Skifahren wiederum hinkt in Sachen Verdienst Sportarten wie Fußball, Golf oder Tennis hinterher?

Hirscher: Ich bin schon froh, wie es im Skifahren gehandhabt wird. Aber im Vergleich zu anderen Sportarten sind wir immer noch für ein Butterbrot unterwegs. Nur Fußball zum Beispiel ist eine Weltsportart und Skifahren ist in Mitteleuropa populär und nicht darüber hinaus.

LAOLA1: Kennst du deinen Kontostand?

Hirscher: Ja, sicher. Den kenne ich ganz genau!

LAOLA1: Wo Erfolg ist, ist Geld, sind Schulterklopfer, aber natürlich auch Neider. Spürst du das schon?

Hirscher: Persönlich noch nicht unbedingt. Aber ich weiß schon, dass sich der eine oder andere nicht über meine Erfolge freut. Aber ich gehe davon aus, dass die Freude bei den Menschen überwiegt.

LAOLA1: Und die Hoffnung auf einen österreichischen Gesamt-Weltcupsieger?

Hirscher: Da heißt es immer in der PISA-Studie, die österreichischen Schüler sind so schlecht in Mathe. Aber das kann nicht sein, wenn die Leute so gerne mit Weltcup-Punkten rechnen. Für mich ist “hätt i, war i” nicht so sexy. Mein Ziel ist immer so schnell wie möglich zu fahren!

LAOLA1: Du warst zum Ende des Jahres aufgrund der vielen Rennen körperlich am Limit. Wie wichtig waren die freien Tage für dich?

Hirscher: Ich habe diese Pause gebraucht. In Amerika bin ich mit den Vorbereitungsrennen, die ich auch sehr ernst genommen habe, sieben Rennen gefahren. Ich habe mich gut gefühlt, aber die Rückenschmerzen, das waren so Zeichen, da sagt mir mein Körper, dass ich runter vom Gas muss. Aber wir haben das genauso getimed.

LAOLA1: Was stand sonst noch am Programm?

Hirscher: Ich habe in Gaal super trainiert. Das war die ideale Rennvorbereitung auf Zagreb, mit ähnlichen Temperaturen und Geländeeigenschaften, viel Salz in der Piste. Und wir haben am Set-Up gearbeitet, weil das ist richtig knifflig im Moment. Ein Zehntelmillimeter beim Kanten-Tuning daneben greifen und du kannst heimgehen. Aber das ist auch das Geile an unserem Sport.

LAOLA1: Aber es war schon auch Zeit für Freizeit, oder?

Hirscher: Auf jeden Fall, ich bin auch komplett offline gegangen. Ich hatte ein paar Stationen, war mit Laura und unserem neuen Hund Timon in Annaberg und Abtenau. Bei der Familie und bei Freunden. Auf das Wiedersehen habe ich mich brutal gefreut. Die Freunde studieren, ich bin am Wochenende meist unterwegs, da sieht man sich nicht oft. Deshalb ist das immer eine super G'schicht.

LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.

Aufgezeichnet von Stephan Schwabl