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"Meinen Rekord würde ich schon noch gerne behalten"

"Ich sage es jetzt einfach gerade aus: Ich beende mit dem heutigen Tag meine aktive Karriere."

Mit diesen Worten zog Marlies Schild einen Schlussstrich unter ihre sportliche Karriere.

13 Jahre voller Freude, Erfolge und Medaillen sind mit einem Satz beendet. Doch die 33-Jährige lernte in ihrer Laufbahn auch die Schattenseiten des Sports kennen. Zahlreiche Verletzungen warfen sie immer wieder zurück und nagten an den Nerven der Salzburgerin. Wie sehr, zeigt sich an der Reaktion, als sie über die „schweren Zeiten“ ihrer Karriere spricht.

"Ich möchte mich bei meiner Familie bedanken, die mich zum Skirennsport gebracht hat und mich in all meinen Entscheidungen immer unterstützt hat. Ich möchte mich auch bei Benni bedanken, der die letzten zehn Jahre immer an meiner Seite war. Wir hatten viel Freude zusammen, aber auch das Leid als Sportler geteilt."

Danach konnte die "Slalom-Queen" ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.

Warum sie dennoch überzeugt ist, den richtigen Zeitpunkt gewählt zu haben, sie ihren Rekord noch eine Zeit lang halten will, was sie von "City-Events" hält und es „komisch“ wäre, wenn Benni Raich ebenfalls heuer seine Karriere beendet hätte, verrät sie im Gespräch.

MARLIES SCHILD…

… ÜBER DIE DINGE, DIE SIE VERMISSEN WIRD:

Irgendwie werde ich alles ein bisschen vermissen. Auch die harte Zeit, in der ich zu kämpfen hatte. Ich werde das Training vermissen. Wobei es ja nicht so ist, dass ich nichts mehr machen werde. Den Wettkampf, die Anspannung, den Nervenkitzel werde ich vermissen. Das wird sich aber mit der Zeit legen.

… ÜBER IHREN EMOTIONALSTEN MOMENT IN 13 JAHREN:

Das ist sehr schwer, zu sagen. Da könnte ich beim ersten Weltcupsieg anfangen, der WM-Titel, der Comeback-Sieg nach der Verletzung, und so weiter. Es war alles in allem wunderschön und viele Emotionen dabei. Im Nachhinein gesehen war sicher die Goldmedaille in Garmisch-Patenkirchen (2011/Anm.) einer der größten Erfolge. Der 34. Weltcup-Sieg war so ein riesiger Brocken, der mir vom Herzen gefallen ist. Weil es davor schwierig und kraftraubend war. Da könnte ich ewig reden.

… ÜBER DIE FAMILIENPLANUNG:

Ich habe in meiner Karriere gelernt, dass man die Dinge nicht immer planen kann. Es gibt natürlich Pläne und Wünsche, der größte Wunsch ist es, eine Familie zu gründen. Eigene Kinder zu haben, ist das größte Gut, das man haben kann. Ich koche auch gerne und bin zu Hause, werde aber auch wo anders Herausforderungen suchen. Familie hätte aber oberste Priorität.

… OB ES ETWAS GIBT, DAS SIE WÄHREND IHRER AKTIVEN ZEIT VERMISST HAT UND NUN MACHEN KANN:

Ich habe absolut nichts vermisst. Ich habe den Traum, den ich als kleines Mädchen hatte, gelebt. Die WM in Saalbach (1991/Anm.) war das erste Großereignis, bei dem ich zusehen war, da ist der Gedanke entstanden, einmal dabei zu sein. Das war etwas Großartiges. Ich durfte den Traum jahrelang leben und habe mehr erreicht, als ich mir je vorgestellt habe. Ich habe immer gerne dafür gearbeitet und es gibt nichts, was ich vermisst hätte. Eher werde ich den Wettkampf in nächster Zeit vermissen. Es ist aber schön, etwas mehr Zeit für den Benni und mich selbst zu haben.

… OB SIE FROH GEWESEN WÄRE, WENN BENNI RAICH AUCH HEUER SEINE KARRIERE BEENDET HÄTTE:

Ich weiß nicht, ob es so gut wäre, wenn wir beide vom einen Moment auf den anderen zu Hause wären. (lacht) Scherz beiseite, er respektiert meine Entscheidungen und ich unterstütze ihn bei seinen. Ich freue mich, wenn ich bei den Rennen dabei sein und für ihn nervös sein kann. Wir schauen beide sehr positiv und gemeinsam in die Zukunft.

… ÜBER DIE DINGE, AUF DIE SIE SICH NUN AM MEISTEN FREUT:

Ich freue mich darauf, einfach frei Ski fahren zu können. Dafür war ja bisher nicht so viel Zeit. Ich freue mich auf ganz neue Dinge, die ich machen werde und die auf mich zukommen. Natürlich auch auf eine Familie. Nachwuchs ist ein großes Thema, wenn das passieren würde, wäre es wunderschön. Jetzt ist es offiziell raus und ich bin in Skipension. Das ist ein neuer Lebensabschnitt, auf den ich mich sehr freue.

… OB EXTREME RÜCKSCHLÄGE UND VERLETZUNGEN EIN "MUSS" SIND, UM HELDENSTATUS ZU ERREICHEN:

 Man wünscht es keinem und auch sich selbst nicht. Um Sport wieder auf dem Niveau ausüben zu können, braucht es viel Arbeit und auch Glück. Es gewinnen gewisse Erfolge für einen selber und den Betrachter eine andere Wertigkeit, als wenn alles reibungslos verläuft. Vor der schweren Verletzung war es fast so, als wäre ein zweiter Platz schon schlecht. So gesehen waren die Rückschläge vielleicht ganz gut, um mich auf den Boden zurückzuholen.

 

Aufgezeichnet von Matthias Nemetz und Peter Rietzler

… ÜBER IHRE EINDRÜCKE VOM "MODERNEN" WELTCUP-ZIRKUS:

Ich werde den Weltcup auf jeden Fall vermissen. Die klassischen Rennen waren für mich das Größte. Die neuen Events, die versucht werden, sind sicher eine super Sache. Auch, dass man den Skirennsport in die Städte bringt. Aber mein Herz hängt an den Klassikern wie am Semmering, in Lienz oder Zagreb. Es entwickelt sich alles weiter, das macht es spannend. Leben ist Bewegung, so ist es auch im Skisport. Es werden neue Formate ausprobiert werden, das finde ich im Großen und Ganzen auch gut.

…ÜBER DEN AUSSCHLAGGEBENDEN PUNKT, AN DEM SIE IHR KARRIEREENDE BESCHLOSSEN HAT:

Ich war ja schon beim Weltcupfinale der letzten Saison in Lenzerheide sehr emotional. Das war unbeabsichtigt, aber das Gefühl in der Zeit war einfach so, dass ein Wendepunkt in meinem Leben ansteht. Die Entscheidung ist vor ein paar Wochen gefallen. Ich habe immer gesagt, ich höre auf, wenn ich spüre, dass es so weit ist. Ich habe mir die Zeit genommen, um darüber nachzudenken. Ich bin mir jetzt sicher, dass das der richtige Weg ist. Ich bin mir – sowohl vom Kopf her, als auch vom Bauch her – zu 100 Prozent sicher, dass es das war.

… ÜBER DIE MEINUNG DER FAMILIE UND BENNI RAICH ZUM RÜCKTRITT:

Natürlich haben wir Gespräche geführt. Es war aber meine Entscheidung. Jeder hat gesagt, wie auch immer ich mich entscheide, ich habe die volle Unterstützung. Egal in welche Richtung. Im Endeffekt war es meine Entscheidung und ich denke, es sind alle recht glücklich darüber.

… ÜBER DIE LÜCKE, DIE SIE HINTERLÄSST:

Meine Schwester (Bernadette/Anm.) ist ja aktiv unterwegs und ich hoffe, dass sie heuer so richtig durchstarten kann. Aber es gibt auch andere, wir haben ein starkes Team. International sieht es momentan danach aus, dass Mikaela Shiffrin in meine Fußstapfen tritt. Sie ist sehr, sehr stark. Ich hoffe aber, dass unsere Mädls nachziehen können und ihr Parole bieten. Meinen Rekord (35 Slalomsiege/Anm.) würde ich schon noch gerne eine Zeit lang beibehalten (lacht).