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Raich: "Das ist gut so, ich bin ja keine Maschine"

Raich:

„Benni ist einer der größten heimischen Athleten, die wir in Österreich jemals hatten. Nicht nur als Skifahrer, auch als Mensch.“

ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel hatte die passenden Worte zu Benjamin Raichs Rücktritt. Egal, wie man zum 37-Jährigen steht, seine Erfolge bleiben wie seine umgängliche Art unbestritten.

Der Tiroler steht in einer Reihe mit Toni Sailer, Karl Schranz, Franz Klammer, Stephan Eberharter und Hermann Maier und geht in die rot-weiß-rote Ski-Geschichte ein.

„Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich erreicht habe“, blickt der Pitztaler kurze Zeit nach seiner Verkündung zurück. Nicht nur auf seine zahlreichen Siege und Medaillen ist er stolz: „Die Begegnungen, die ich machen durfte. Sowohl auf der Piste, als auch daneben. Das alles war sehr wichtig für meine Entwicklung.“

Die großen Emotionen kamen bei Raich während der Bekanntgabe seines Karriereendes nicht auf, hin und wieder musste er aber doch schlucken. „Ich bin ja keine Maschine. In solchen Momenten kommen viele Emotionen hoch, die kann man auch zeigen. Ich hätte mir gewünscht, dass ich es etwas ruhiger hinbekomme, vielleicht ist es aber ganz gut, Emotionen zu zeigen“, nimmt der zweifache Olympiasieger diese Tatsache gelassen.

Warum Benjamin Raich sich für den Rücktritt entschieden hat, wer seine härtesten Gegner waren, wie seine Frau Marlies reagiert hat und welche Geheimnisse er zur abstehenden Geburt verrät, hat LAOLA1 zusammengefasst.

 

… ÜBER DEN ZEITPUNKT DER ENTSCHEIDUNG:

Ich habe die Entscheidung vor zwei bis drei Wochen getroffen. Vor einer Woche habe ich es den wichtigsten Leuten mitgeteilt. Dann haben wir den Abtritt geplant, dass es eine runde Sache ist. Ich habe als Athlet nie die Hintertüre gewählt, obwohl sie manchmal einfacher wäre. Der Auftritt war nicht leicht, aber ich bin froh, es so gemacht zu haben. Ich spüre, dass es ein richtiger Schritt ist und war. Mein Gefühl hat mich selten getäuscht. Es war eher ein schleichender Prozess. Ich habe mich ja den ganzen Sommer vorbereitet und trainiert. Wenn ich an die Rennen denke, geht irgendetwas ab. Das möchte ich nicht. Ich wollte immer ganz vorne dabei sein. Das Ziel geht ab. Dadurch fehlt die Bereitschaft, die Spannung aufzubauen und zu explodieren. Das ist aber notwendig, wenn man im Rennsport um Siege mitfahren will. Da habe ich gemerkt, dass der Zeitpunkt gekommen ist.

Eine innige Umarmung mit ÖSV-Präsident Schröcksnadel durfte nicht fehlen

… WIE ES WIRD, BEI RENNEN ZUSEHEN ZU MÜSSEN:

Wo ich genau sein werde, weiß ich nicht. Ich habe aber kein Problem, mir Skirennen anzusehen oder vor Ort mit dabei zu sein. Der Skisport ist mein Leben und wird es auch bleiben. Was genau in Zukunft passiert, lasse ich offen.“

... ÜBER EINE MÖGLICHE KARRIERE ALS TRAINER:

Wieso nicht? Ich bin weit davon entfernt, die genauen Pläne festzulegen. Das möchte ich nicht, ich muss erst alles sacken lassen. Ich möchte nichts ausschließen. Ein paar Dinge habe ich trotzdem zu erledigen, für die ich in den letzten Jahren nicht so viel Zeit hatte. Mein Vater hat mich in diesen Bereichen stark unterstützt, jetzt muss ich ihn etwas entlasten.

… ÜBER SEINE ZUKUNFTSPLÄNE:

Es gibt Ideen, das ist keine Frage. Erstmal werde ich eine kleine Auszeit nehmen und reflektieren. Seit ich zehn Jahre alt bin habe ich Vollgas gegeben. Ich selbst habe es nicht mitbekommen, weil ich es sehr gerne gemacht habe. Jetzt kann ich durchschnaufen. Ich werde diese spannende Zeit, die jetzt kommt, etwas mehr genießen können. Ich werde mich auch etwas mehr in gewisse Unternehmungen einbringen, mit den Sponsoren etwas machen und mich weiterbilden. Es gibt also schon Ideen, ich lasse es aber auf mich zukommen. Es gibt viele Sportler, die froh sind, wenn sie aufhören. Das ist bei mir nicht so. Ich bin topfit und freue mich, auch in Zukunft auf die Ski zu steigen.

 

Aufgezeichnet von Matthias Nemetz

… WIE SCHWER IHM DIE ENTSCHEIDUNG GEFALLEN IST:

Wenn du es über die Lippen bringen musst, ist es nicht ganz so einfach. Wenn du dann Personen aufzählst, die dir geholfen haben, und an sie denkst, kommen viele Erinnerungen hoch. Die Entscheidung selbst ist mir nicht schwer gefallen. Ich habe mir bewusst Zeit genommen, ab einem gewissen Zeitpunkt habe ich gespürt, dass ich so entscheiden muss. Mein Gefühl sagt mir, dass ich meine aktive Karriere beenden und einen neuen Weg einschlagen muss.

… WAS ER AUS DEM SPORT GELERNT HAT:

Sport lehrt sehr viele Sachen. Man muss ein Ziel formulieren und sich überlegen, wie man dort hinkommt. Dabei muss man dran bleiben und konsequent sein. Alleine das kann im Leben nicht schaden. Man muss auch fair sein – der Sport hat mir viel gegeben. Ich hatte viel Erfolg, aber auch Misserfolge. Das war ganz wichtig für meine Karriere. Man lernt aus Misserfolgen und Fehlern.

… OB ES EINE ROLLE GESPIELT HAT, DASS DIESE SAISON KEIN GROSSEREIGNIS ANSTEHT:

Das hat nicht so eine große Rolle gespielt. Meine Überlegung war: Wenn ich weitermache, fahre ich noch zwei Jahre. Das hätte ich mir vorstellen können. Die Entscheidung ist aber anders gefallen. Die Entscheidung war eher vom Bauch gesteuert, nicht so sehr vom Kopf. Ich wäre wenn dann nur noch Riesentorlauf gefahren.

… OB ER TRAUER ODER FREUDE VERSPÜRT:

Es ist ein erfreulicher Tag. Natürlich kommen Emotionen hoch, das ist nicht einfach. Es sieht so aus, als wäre ich traurig. Das bin ich aber nicht. Wenn ich zurückblicke, dann mit Freude. Ich bin sehr dankbar dafür, was ich alles erreichen durfte.

… ÜBER DIE EMOTIONEN, DIE ER GEZEIGT HAT:

Es ging relativ gut. Ich habe Emotionen gezeigt. Ich wollte sie zwar zurückhalten, ganz gelungen ist es mir aber nicht. Das ist gut so, ich bin ja keine Maschine. Je näher es zur Verkündung kam, desto ruhiger wurde ich. Vielleicht hat mir da die Erfahrung aus den Rennen geholfen. Ich hätte mir gewünscht, dass ich es etwas ruhiger hinbekomme, vielleicht ist es aber ganz gut, Emotionen zu zeigen.

… OB DIE ANSTEHENDE GEBURT EINE ROLLE GESPIELT HAT:

Natürlich ist das Verletzungsrisiko beim Skifahren vorhanden. Ich habe aber immer schon die positiven Seiten einer Sache gesehen und nicht nur das, was vielleicht sein könnte. Dass wir bald eine kleine Familie sind, war nicht ausschlaggebend. Es gibt genügend andere Sportler, die Kinder haben und dann noch zehn Jahre weiterfahren. Das war nicht der Grund.

… ÜBER DIE REAKTION SEINER FRAU MARLIES:

Sie war meine Trainingspartnerin und hat mich immer gefordert. Sie hat mir neue Wege aufgezeigt, das war sehr wichtig. Das ist ein Teil, im Vordergrund steht aber natürlich meine Liebe zu ihr. Natürlich bespricht man so eine Entscheidung. Bei Marlies und meiner Familie war es schon immer so, dass jeder jede Entscheidung unterstützt. Wir haben immer gesagt, jeder muss solche Entscheidungen für sich selbst treffen, weil nur er selbst es spürt. So war es dann auch, schlussendlich hat Marlies mir gratuliert.

… ÜBER DAS BABY:

Wir wissen, was es wird – alle anderen müssen spekulieren. Wir haben sogar schon einen Namen für das Kind. Die Freude ist riesengroß. Es ist wie bei jeder anderen Familie, wir sind ja nicht die einzigen Leute, die ein Kind bekommen. Es wird eine spannende Zeit. Vor dem Pensionsschock habe ich keine Angst. Ich habe immer etwas zu tun, es werden sich einige Möglichkeiten auftun.

… ÜBER SEINE LIEBLINGSHÄNGE:

Zum Glück hatte ich viele Erfolge und mich fast überall wohl gefühlt. In erster Linie sind die Rennen zu erwähnen, wo richtig die Post abgeht. Schladming, Kitzbühel, Sölden, die Rennen in der Schweiz – das sind besondere Rennen. Ich will keine Strecke richtig hervorheben, jedes Rennen hatte seinen Reiz. Zum Beispiel auch in Lake Louise, wo relativ wenig los war, war ich gerne. Die Abwechslung ist wichtig, das gilt im Sport und im Leben. Das macht es spannend.

… ÜBER SEINE KARRIERE-HIGHLIGHTS:

Sicher kann man sagen, dass ich bei den Olympischen Spielen 2006 meine größten Erfolge gefeiert habe. Wenn man sich meine ganze Karriere ansieht, war ich immer ganz vorne dabei. Auch in der letzten Saison war ich im Riesentorlauf noch in der Top-Gruppe. Ich hatte nach wie vor die Chance, zu gewinnen. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich erreicht habe. Weitere Highlights waren die Begegnungen, die ich machen durfte. Sowohl auf der Piste, als auch daneben. Das alles war sehr wichtig für meine Entwicklung. Es ist wichtig, ein Gegenüber zu haben. Ich habe sehr viele davon, die mir immer geholfen haben. Dafür bin ich dankbar. Ich kann viel erzählen, das kann mir keiner nehmen.

… WER SEINE HÄRTESTEN GEGNER WAREN:                     

Das ist schwer zu sagen, weil es so viele gab. Im Riesentorlauf war Ted Ligety in den letzten Jahren sehr stark und nur schwer zu biegen. Im Slalom würde ich Mario Matt nennen. Er war immer mein Trainingspartner und im Rennen sind wir gegeneinander gefahren, das war ein ganz besonderes Duell. Die zwei auf jeden Fall, viele andere auch.