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Kuttin über Morgenstern: "Die Auszeit war notwendig"

Kuttin über Morgenstern:

Zum nunmehr dritten Mal darf sich Val di Fiemme damit rühmen, eine Nordische Ski-Weltmeisterschaft auszutragen.

Vor 22 Jahren fand die Premiere statt, zudem war man 2003 Gastgeber der prestigeträchtigen Veranstaltung.

Einer der Hauptprotagonisten der ersten Titelkämpfe im Jahr 1991 war Heinz Kuttin. Der damals 20-Jährige gewann überraschend Gold im Einzelbewerb (Normalschanze) und triumphierte überdies auch noch mit der Mannschaft.

„Für mich war das der größte Erfolg meiner Karriere“, so der Kärntner gegenüber mit LAOLA1.

Inzwischen hat er längst die Seiten gewechselt. Kuttin fungiert als Stützpunkttrainer in Kärnten und hat dabei mit Thomas Morgenstern ein aktuelles Sorgenkind unter seinen Fittichen.

Im großen Interview spricht er über die Probleme seines Schützlings, Erinnerungen an „seine“ WM und den Springer-Nachwuchs in Österreich.

LAOLA1: Herr Kuttin, Sie haben hier in Predazzo vor 22 Jahren zweimal Gold gewonnen. Kamen bei der Rückkehr die alten Erinnerungen hoch?

Heinz Kuttin: Ja, natürlich. Für mich war das der größte Erfolg meiner Karriere. Das Leben ist allerdings schnelllebig, zwei Jahre später war schon die nächste WM mit dem nächsten Weltmeister. Dennoch sind das tolle Erinnerungen. Es war ja so, dass ich zuvor gestürzt war und bei der WM zum ersten Mal wieder dabei war. Es zeigt einem auch immer wieder, dass sich harte und schwere Arbeit auszahlt. Man braucht aber auch viel Glück und das hatte ich.

LAOLA1: Sie waren damals erst 20 Jahre alt. Brach damals eine Lawine über sie herein oder kann man das mit heute nicht vergleichen?

Kuttin: Das war nichts im Vergleich zu heute. Ich hatte ja schon einige Junioren-WM-Titel (fünf, Anm.) und hatte daher gedacht, irgendwann wird die Zeit reif sein, auch bei den Senioren etwas ganz Großes zu machen. Ich hatte ein brutales Selbstwertgefühl. Das mediale Interesse war aber sehr gering. Bei mir zuhause gab es einen großen Empfang. Ich komme vom Land und das Schöne ist, dass man dort jeden kennt. Es war ein riesiges Fest, das sind schon unvergessliche Momente.

LAOLA1: Wenn Sie nun miterleben, welch großer Hype um Thomas Morgenstern oder Gregor Schlierenzauer ausgebrochen ist – würden sie gerne tauschen?

Kuttin: Jeder muss seine Zeit richtig nutzen. Nie im Leben würde ich mein Leben tauschen. Jede Erfahrung – ob positiv oder negativ – gibt einen Anstoß, Dinge besser zu machen. Ich sage immer: Wer hart arbeitet, darf Fehler machen. Nur sollte man einen Fehler nur einmal begehen. Meine Zeit war damals schön, ist es aber auch heute. Was die Burschen betrifft, wird es ihnen ähnlich gehen. Ich bin stolz, dass ich in einer gewissen Form mitwirken kann.

Ex-Weltmeister Heinz Kuttin ist Morgensterns Stützpunkttrainer
LAOLA1: Die Probleme sind ja nicht ausschließlich beruflicher, sondern auch privater Natur. Wie haben Sie ihm dabei geholfen, wieder in die Spur zu finden?

Kuttin: Was zählt, sind die körperliche und geistige Verfassung. Man hat ihm die nötige Ruhe gegeben und ihn auch komplett abgeschirmt. Er ist 26 und hat noch viel vor sich. Er ist Vater geworden, das ist auch nicht ohne. Ich war bei der Geburt meines Kindes auch dabei und danach bist du einfach erst einmal komplett auf etwas anderes fokussiert. Sport ist nicht alles, das hat er jetzt auch gemerkt.

LAOLA1: Sie sind sozusagen nicht nur Trainer, sondern auch Freund und Berater?

Kuttin: Selbstverständlich, wie viele im Umfeld. Von außen kommen dann eben auch noch viele, die glauben, sie müssen etwas beitragen. Es gab schwierige Situationen, aber genau da geht es darum, Thomas in seinem Weg zu unterstützen. Wenn du nicht gut in Form bist und mental mehr willst, verkrampfst du und dann kommen harte Sprünge raus. Deswegen haben wir uns die Zeit genommen – auch wenn die Pause in dieser Länge nicht geplant war. Er ist ein Rennpferd, daher Hut ab, dass er die Ruhe bewahrt hat.

LAOLA1: Thomas hat gemeint, er kommt zur WM, um auch eine Medaille zu gewinnen. Ist er in der nötigen Form, um das bereits auf der Normalschanze zu realisieren?

Kuttin: Wir haben es bei den Kombinierern gesehen, es kann viel passieren. Er wird bereit sein, seine beste Leistung abzurufen.

LAOLA1: Welche Reaktion kam vom ÖSV? Es ist doch ungewöhnlich, wenn ein Spitzenathlet mehrere Wochen pausiert.

Kuttin: Das Verständnis war zu 100 Prozent gegeben. Ich sehe es anders: Die Jungen haben Chancen erhalten, der ÖSV konnte sie mitnehmen und ihnen die Möglichkeit geben, sich zu etablieren. Stefan Kraft hat sie ja genützt und sich für die WM qualifiziert. In den letzten Jahren hatten sie fast zu wenige Chancen, weil das Team zu gut war.

LAOLA1: Profitieren Sie als Trainer davon, einst selbst aktiv gewesen zu sein und dadurch viele Emotionen, die die Springer heute erleben, selbst durchgemacht zu haben?

Kuttin: Es heißt ja oft, gute Aktive werden keine guten Trainer. Es ist die Frage, wie man sich selbst bewegt. Meine Philosophie ist einfach: Ich kann einem Athleten nur dabei helfen, seinen Weg zu finden. Jeder Sportler hat seinen eigenen Willen. Wenn man glaubt, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, dann ist das Blödsinn. Ich habe den Biss und den Willen, das auch an die Jungen weiterzugeben. Leider gibt es sehr wenige, die sich auch ehrenamtlich zur Verfügung stellen.

LAOLA1: Ihr Schützling Thomas Morgenstern hat sich zuletzt rar gemacht und aufgrund einiger Probleme eine mehrwöchige Pause eingelegt. Welchen Eindruck haben Sie von seiner aktuellen Verfassung?

Kuttin: Das lässt sich jetzt noch schwer sagen. Persönlich habe ich das Gefühl, dass die Auszeit notwendig war, um sich in Ruhe zu sortieren. Es war eine schwierige Saison. Zu Beginn hatte er das Gelbe Trikot, dann gab es drei, vier Wettkämpfe, in denen er keinen guten Wind hatte, ohne das als Ausrede zu sehen. Das alles hat ihn dann aber in ein Eck gedrängt. Das kann man dann nur ausbügeln, indem man in Ruhe trainiert. Er nimmt neu Anlauf für den Rest der Saison. Körperlich ist er – bis auf eine leichte Verkühlung – gut drauf und bereit, wieder guten Sport zu zeigen.

LAOLA1: Ist es eine mentale Blockade, die sich eingeschlichen und ihm derart zugesetzt hat?

Kuttin: So kann man es auch sagen. Wichtig ist, wie der Sportler damit umgeht. Bei der Tournee war er topfit und kam in Oberstdorf nicht ins Finale. Das ist bitter, da bricht natürlich eine Welt zusammen. Das muss man erst einmal verkraften. Es ist eine Phase in seinem Leben, in der er nicht ganz oben steht. Es ist aber auch eine wichtige Phase, um für sich daraus zu lernen.

LAOLA1: Das Team präsentiert sich in dieser Saison mannschaftlich nicht so geschlossen wie in den Vorjahren, nicht selten wurde vom Ende der Wunder-Adler berichtet. Ist es ein natürlicher Prozess, dass nach derart erfolgreichen Jahren auch wieder weniger erfolgreiche – wobei das angesichts der Schierenzauer-Erfolge Jammern auf sehr hohem Niveau ist – folgen?

Kuttin: Die Jammerei ist typisch österreichisch. Die anderen schlafen auch nicht, es ist kein Zufall, dass so viele heimische Trainer im Ausland tätig sind. Da geht es auch darum, in unsere Kulissen einzublicken. Thomas ist jetzt das zehnte Jahr im Weltcup dabei. Es ist eine normale Entwicklung, dass auch irgendwann ein Loch kommt. Dasselbe gilt für Andi Kofler, der mit Problemen kämpft, aber auch für Wolfgang Loitzl, der in den letzten Jahren gekämpft hat. Es geht darum, genau diese Talfahrten so gut wie möglich zu meistern. Wer sagt denn, dass nur Österreich die Chance auf Siege gepachtet hat? Es ist gut, dass auch die Deutschen wieder Fuß fassen, die Slowenen saustark sind und so weiter.

LAOLA1: Dem ÖSV wird zudem ein Nachwuchs-Problem angedichtet. Muss sich Österreich um die Zukunft der Adler sorgen?

Kuttin: Wir in Kärnten haben kaum Nachwuchsleute, dafür aber sehr gute. Auch in Tirol, Oberösterreich oder Salzburg gibt es richtig starke Leute. Ich denke, dass vielen die Alternative gefehlt hat. Wir haben jahrelang den Conti-Cup beherrscht, doch nach oben gab es keine Chance. Viele sind daran zerbröckelt, das war eine harte Zeit. Eine Phase wie die jetzige ist eine Möglichkeit für die Jungen, einige haben sie genutzt. Daran sieht man auch den Charakter der Leute und erkennt, ob sie das Zeug haben sich durchzusetzen. Wir haben mit Gregor und Thomas zwei Ausnahmetalente und zudem noch einige weitere sehr gute Leute. Das macht es für alle anderen natürlich schwer. Ich sehe aber kein Nachwuchs-Problem in Österreich.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Aus Val di Fiemme berichtet Christoph Nister