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Gandler: "Wenn man will, findet man Kompromisse"

Gandler:

Alois Stadlober, Markus Gandler, Mikhail Botvinov und Christian Hoffmann.

Vier Namen, die unvergessen sind.

Ihre Erfolge – allen voran der Staffel-Triumph bei der Heim-Weltmeisterschaft 1999 in der Ramsau – haben in Österreich für ein „Langlauf-Wunder“ gesorgt.

Spätestens mit dem Dopingskandal von Turin wurde dieses abrupt beendet.

Nach Jahren der Dürre im heimischen Langlauf wächst nun allerdings wieder ein kleines, aber feines Team heran, das auch den internationalen Vergleich nicht länger scheuen muss.

ÖSV-Sportdirektor Markus Gandler hat sich ausführlich für LAOLA1 Zeit genommen und spricht über die WM-Leistungen seiner Schützlinge, die Affäre von 2006 sowie die Differenzen mit seinem einstigen Weggefährten Stadlober, der als Trainer von Tochter Teresa seinen eigenen Weg durchzieht.

Zudem nimmt der Tiroler Stellung zum WM-Abschneiden der Biathleten, für die er ebenso zuständig ist, und die Aussage Peter Schröcksnadels, der das gesamte Team hinterfragen will.

LAOLA1: Markus, wie beurteilst du die bisherigen Leistungen der Langläufer?

Markus Gandler: Katerina (Smutna) war im Bereich dessen, wo sie hingehört. In der Quali des Klassiks-Sprints hatte sie allerdings einen Husten-Anfall, sodass wir Angst hatten, sie würde im Viertelfinale nicht mehr starten können. Dadurch hat im Viertelfinale das nötige Eitzerl gefehlt. Bei Wurm/Tritscher waren die Top 10 das Ziel, das haben sie geschafft. Mit Platz sieben müssen wir sehr zufrieden sein, viel besser geht's nicht. Joe (Dürr) als 15. im Skiathlon war ebenfalls sehr stark. Er war nur 16 Sekunden von Gold weg. Und bei Theresa (Stadlober) sind wir im Skiathlon ohne Erwartungen gewesen. Für sie geht es hier darum, Erfahrungen zusammeln. So gesehen war ihre Leistung mit Rang 29 auch sehr zufriedenstellend.

LAOLA1: Der Langlauf erlebt in Österreich nach einigen harten Jahren wieder einen Aufschwung. Wie nimmst du diesen wahr?

Gandler: Dafür, dass es so nach unten ging mit dem Langlauf, gibt es ein Wort: Turin. Uns wurde damit eine Generation genommen und diese geht uns ab. Meine Motivation war es, hier wieder etwas aufzubauen. Um ehrlich zu sein, ich hätte nicht gedacht, dass wir es so schnell schaffen, den Anschluss wieder zu finden. Jetzt haben wir mit Dürr einen, der einiges vorgibt. Das wirkt sich dann vor allem im Sommertraining aus, wenn die Jungen ihn herausfordern. Das kann dann eine Eigendynamik annehmen. Ich muss aber ganz ehrlich sagen, dass es im Jugend- und Juniorenbereich richtig mühsam ist. Wir müssen das aber so nehmen, wie es ist, und uns auf die Leute konzentrieren, die wir hier haben. Es ist ein Eiertanz, Krankheiten können wir uns keine erlauben. Hut ab aber vor (Herren-Cheftrainer) Gerald Heigl, der eine tolle Truppe aufgebaut hat.

LAOLA1: Ist es für dich ein komisches Gefühl, wenn du nach dieser Affäre heute nach Italien reist?

Gandler: Turin ist ja viel weiter südöstlich als hier. (lacht) Das ist abgehakt. Wenn ich dorthin fahren musste, war das ein ganz anderes Thema, das ich aufarbeiten wollte. Ich war 17 oder 18 Mal bei Verhandlungen und kenne Turin inzwischen gut. Für mich ist die Sache abgeschlossen. Diese zusätzliche Aufgabe habe ich aber immer von der Mannschaft weggehalten. Dabei hatte ich super Unterstützung von Peter Schröcksnadel.

Gandler setzt große Stücke auf Dürr
LAOLA1: Johannes Dürr hat nach einigen harten Jahren in dieser Saison den Anschluss an die Weltspitze geschafft. Wie beurteilst du seine Leistungssteigerung?

Gandler: Er ist vom Typ Sportler besser als ein Hoffmann, weil er auch die klassische Technik beherrscht. In einer Doppelverfolgung hält er mit, er ist zudem ein Typ, der über die Distanz immer stärker wird. Wenn wir ihm die nötige Aufmerksamkeit schenken – damit spreche ich den Materialbereich an –, kann man noch einiges verbessern. Wurm und er sind die Leitwölfe im Team. Er ist der Intellektuelle, Wurm eher der Oldie. Dazu kommt mit Tritscher ein Chaot. Zusammen haben sie sich gefunden und verstehen sich sehr gut. Von dieser Konstellation verspreche ich mir einiges.

LAOLA1: Bei den Damen kommt mit Teresa Stadlober ein Ausnahmetalent nach, das bei der Junioren-WM Gold und Silber gewann. Sie trainiert allerdings nicht mit dem ÖSV, sondern auf eigene Faust mit ihrem Vater. Aus ÖSV-Sicht wohl nicht die Premiumlösung?

Gandler: Teresa hat sich super entwickelt. Sie hat ihren Weg mit ihrem Vater gewählt, nicht mit dem ÖSV. Sie hat zuvor auch mit dem Verband trainiert, da kam man aber nicht mehr auf einen grünen Zweig. Es funktioniert trotzdem gut, sie ist sehr gut integriert. Bei den anderen Mädels ist es ähnlich, es wird viel individuell gearbeitet. Bei den Burschen haben wir eine Truppe, die sich gegenseitig hochschaukelt. Bei den Damen gibt es das nicht. (Trainer) Radim Duda und Katerina Smutna sind seit jeher eine Einheit. Dann kommt eine Kerstin Muschet, dazu Stadlober mit ihrem Vater und Veronika Mayerhofer mit ganz anderen Vorstellungen. Dazu Nathalie Schwarz, die leider fast übrig bleibt. Das ist sicher keine optimale Situation. Wir haben das ein Jahr probiert, müssen aber jetzt damit anfangen, mit den Leuten darüber zu reden, wie man zusammenarbeiten kann. Auch mit Luis (Stadlober) habe ich gesprochen und wollte ihn in die Mannschaft holen – solche Leute könnte ich ja gut gebrauchen – aber das wollte er nie. Ich kann es durchaus verstehen, es geht um sein Kind. Ich muss aber für 30 Leute denken. Neu erfinden werden wir alle das Training nicht. Meine Tür ist für Gespräche weit offen. Ich hoffe, dass sich auch die anderen nähern und gehe schon davon aus, dass wir uns zusammenraufen.

Größte Damen-Hoffnung: Teresa Stadlober
LAOLA1: Muss sich der ÖSV in dieser Causa nicht auch hinterfragen? Es wirft kein gutes Licht auf den Verband, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht.

Gandler: Schau, wenn ich einen Plan hinlege, der für sieben Mädels gilt, dann haben wir uns etwas dabei überlegt. Dann will eine statt sieben nur drei Tage auf Kurs, die andere will dort und da gar nicht hinfahren, dazu kommen auch andere Dinge erst gar nicht in Frage. Irgendwann wird es dann schwierig, wir haben es ja nicht nach dem ersten Gespräch abgebrochen. Ich habe mit Luis viel gesprochen. Er will sich einbringen und das kann er auch gerne machen. Ich habe mich mit ihm sogar auf einen gemeinsamen Trainer geeinigt, das wäre (Damen-Trainer) Alexander Marent. Die beiden waren früher Zimmerkollegen und haben sich immer gut verstanden – im Endeffekt wollte er es dann doch alleine machen. Wenn er das so will, müssen wir einen Weg finden, damit das alles klappt. Es geht darum, dass wir auch wissen, was Teresa macht. Wenn Mayerhofer dann noch mit Thomas Stöggl trainiert, wird das alles irgendwann zu kompliziert. Der ÖSV-Trainer muss sein Programm durchziehen und dabei hat er unsere Unterstützung. Wenn man will, findet man Kompromisse.

LAOLA1: In deiner zweiten Sparte, dem Biathlon, ging kürzlich die WM in Nové Mĕsto ohne Medaillengewinn Österreichs zu Ende. Ein Umstand, der dich kaum zufriedenstellen wird?

Gandler: Ich bin natürlich nicht zufrieden. Wir waren zweimal knapp dran, aber es hat nicht funktioniert. In dieser Liga kannst du dir das nicht erlauben. Die Medaille war zum Greifen nah, wir haben aber nicht hingelangt.

LAOLA1: Julian Eberhard hat sein WM-Debüt gefeiert und bei beiden Chancen gepatzt. Worin siehst du die Gründe dafür?

Gandler: Julian muss lernen, nicht zu viel zu wollen. Am Schießstand muss er sicher noch am meisten an sich arbeiten. Seine Laufleistung ist stark, das zeigt er ja von Rennen zu Rennen. Aus diesem Grund hätte ich ihn nicht ungern bei der Nordischen Ski-WM gesehen. Julian war für mich ein heißer Kandidat. Im Endeffekt gehört er jetzt aber zum Biathlon-Kader für Oslo. Aufgrund seiner Laufzeiten wäre ein Einsatz hier aber gerechtfertigt gewesen.

LAOLA1: Christoph Sumann kam nach einer schwachen Saison lediglich in der Staffel zum Einsatz und brach dort auf seiner letzten Runde völlig ein. Gibt es dafür bereits eine Erklärung?

Gandler: Er war nie der große Läufer auf der letzten Runde, aber dass er heuer sechs, sieben Prozent verliert, das muss genau analysiert werden. Wir wollen das medizinisch ergründen. Irgendwo muss da der Hund begraben liegen.

Landertinger soll "egoistischer werden"
LAOLA1: Bei Dominik Landertinger hat man wiederum das Gefühl, dass viel mehr möglich wäre, er aber nach seinen tollen Erfolgen 2009 und 2010 in seiner Entwicklung etwas stagniert. Täuscht der Eindruck?

Gandler: Bis letztes Jahr würde ich auch zustimmen, aber heuer ging es wieder deutlich bergauf. Er hat einen Skiwechsel vollzogen, was nicht immer leicht ist. Es ist aber wesentlich mehr drin, keine Frage. Ich bin zuversichtlich, dass er wieder dort hinkommt, wo er war. Er kam früh in eine Situation, die ihn in den Fokus rückte. Mir war damals klar, dass es danach schwer werden würde, weil er an seinen Erfolgen gemessen wird. Björndalen hat ihn als Nachfolger bezeichnet – das hört man gerne, aber tut nicht unbedingt gut. Er hat Lehrjahre hinter sich. Er muss seinen Weg gehen und vielleicht auch egoistischer werden in seiner Art und Weise.

LAOLA1: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Mannschaft wieder deutlich besser präsentiert. Stimmt dich die Marschrichtung unter Trainer Remo Krug – die WM mal ausgeklammert – zuversichtlich?

Gandler: Die WM wäre das i-Tüpfelchen gewesen. Man sieht, dass noch einiges zu tun ist. Remo macht sie viele Gedanken, das funktioniert alles sehr gut. Wir wollen einen gemeinsamen Nenner mit den Athleten finden im Hinblick auf Sotschi. Das erste Jahr ist immer das schwierigste.

LAOLA1: Peter Schröcksnadel sorgte mit einer Aussage für Aufsehen und kündigte an, alles hinterfragen zu wollen. Remo Krug sitzt doch sicher im Sattel?

Gandler: (lacht) Wir haben den Schnitt im Team letztes Jahr gemacht. Dann muss man einem Trainer auch Zeit geben. Es wäre zu früh, wieder alles über den Haufen zu schmeißen. Ich muss erst noch mit Hans Pum reden, dann geht das weiter ins Präsidium. Wer weiß, vielleicht stellen sie ja mich in Frage? (lacht) Wenn, dann habe ich Fehler gemacht.

LAOLA1: Hast du Angst um deinen Posten?

Gandler: Nein, ich habe keine Angst um meinen Job. Ich hatte bereits meine Krisen, aber das ist vorbei. Momentan sehe ich, dass etwas weiter geht. Das Feuer ist wieder da. Vor zwei, drei Jahren habe ich geschwächelt, die Sache ist aber längst erledigt. Für mich war damals der Zuspruch vieler Leute sehr wichtig. Natürlich ist aber jeder ersetzbar.

LAOLA1: Abschließend noch eine Frage zu den Damen. Lisa Hauser zeigt bei den Junioren groß auf, im Weltcup hat sich Iris Waldhuber zurückgemeldet. Bist du mit der Entwicklung zufrieden?

Gandler: Iris ist wieder zum Leben erweckt worden. Mit Lisa im Rücken – dazu gibt es Kupfner, Schwaiger und so weiter – ist das Ziel für mich 2017 die Heim-WM. Wir müssen aber bei den Laufleistungen stärker werden. Die Mischung muss wieder passen, für meinen Geschmack sind wir einfach zu weit weg von der Spitze. Hier muss Trainer-technisch mehr kommen. Wir haben nur einen Coach, das ist einfach zu wenig.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Aus Val di Fiemme berichtet Christoph Nister