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Chancen-Auswertung, Stolz und schwere Beine

Chancen-Auswertung, Stolz und schwere Beine

Seit Bekanntgabe des Spielplanes der WM in Helsinki war klar, das Duell mit Frankreich würde ein Schlüsselspiel werden. Obwohl seit Jahren eine A-Nation, zählen die Franzosen alle Jahre wieder zu den Abstiegskandidaten. Ebenso wie die Fahrstuhl-Mannschaft Österreich.

Obwohl sich die Spieler im Vorfeld bemüht zeigten, dem Aufeinandertreffen mit der „Equipe Tricolore“ keinen besonderen Stellenwert einzuräumen, war einem jeden bewusst, dass ein Sieg die Chancen auf den Verbleib in der A-Gruppe deutlich steigern würde.

Schwere Beine oder nicht?

Umso verwunderlicher war es, dass die Österreicher die Anfangsphase einer so entscheidenden Partie verschlafen hatten und nach sechs Minuten bereits mit 0:2 im Rückstand lagen.

Für Teamchef Manny Viveiros war die Sache klar, ein Grund für das schlaffe Auftreten zu Beginn lag in der vorhergegangenen Partie gegen die USA, während die Franzosen am Samstag einen spielfreien Tag genießen durften.

„Anfänglich hatten wir schwere Beine, denn wir hatten nur 20 Stunden zuvor ein schweres Match bestritten. Das ist normal, aber soll keine Ausrede sein“, so der Austro-Kanadier.

Verteidiger Thomas Pöck sah dies ein wenig differenzierter und keinesfalls als „normal“ an. „Wenn wir nicht Profis genug sind, dass wir zwei Tage hintereinander Eishockey spielen können, dann sind wir hier fehl am Platz. Es macht niemand etwas anderes als Eishockey spielen. Du hast den ganzen Sommer über Zeit, dass du dich vorbereitest. Wenn wir das nicht können, dann gehören wir hier nicht her“, fand der Neo-Klagenfurter deutliche Worte.

Die Österreicher haben gegen Frankreich das Nachsehen

„Brauchen 20 Vaneks“

Eine solch schlagfertige Truppe wie sie andere Nationen bei diesem Turnier zur Verfügung haben, stellte Pöck auch in Zukunft nicht in Aussicht.

"Es wird nie leichter. Außer wir haben in 15 Jahren 20 Vaneks oder zumindest 20 NHL-Spieler. Unabhängig davon, ob das dann Superstars sind. Das Niveau ist ein anderes, das hat man bei den Amerikanern gesehen. Das ist eine gute Mannschaft, mit talentierten Spielern, aber bis auf ein, zwei keine Superstars. Aber es ist einfach alles: Das Eislaufen, der Körper, das Stellungsspiel, Passen, Schießen und sie sind immer um einen Schritt schneller. Dieser Schritt entscheidet dann, ob du das Tor machst oder eben nicht“, analysierte der ehemalige NHL- und AHL-Legionär.

Die von Pöck angesprochene mangelnde Chancenauswertung war auch Teamchef Viveiros logischerweise nicht entgangen. Auch der 47-Jährige erwartete sich mehr Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor.

„Auf diesem Niveau bieten sich nicht so viele Möglichkeiten, da musst du die, die du hast, nützen“, wiederholte der Trainer die Pöck-Kritik, wies aber auch auf die Fehler in der Defensive hin.

„Beim ersten Gegentreffer muss die Scheibe tief gespielt werden und beim zweiten Tor muss die Defensive das Spiel besser lesen. Nach den ersten zehn Minuten haben wir aber unserer Rhythmus gefunden und gut gespielt“, war Viveiros jedoch nicht komplett unzufrieden.

Stolz als erreichtes Ziel

Denn auch wenn das Ergebnis gegen die Franzosen nicht nach dem Geschmack des ÖEHV-Coaches war, das Auftreten nach dem anfänglichen „Minutenschlaf“ ließ sein Herz höher schlagen.

„Ich ziehe ein positives Fazit, denn es war kein Wechsel dabei, bei dem die Jungs nicht ohne Ende gekämpft haben. Jeder ist natürlich mit der Niederlage unzufrieden, aber die Spieler sind wieder stolz, dieses Trikot zu tragen. Man kann leicht stolz sein, wenn es gut läuft, aber es zeugt von Charakter, wenn man dies auch in schlechten Phasen ist. Diese Einstellung ist wichtig und wir freuen uns auf die nächsten Partien. Das wollten wir erreichen, dass dieses Gefühl wieder in unser Programm zurückkehrt.“

„Man darf nicht zu negativ sein“

Daniel Welser konnte sich die Aussetzer zu Beginn ebenfalls nicht erklären, glaubte aber auch, dass man gegen die Nordamerikaner viel Substanz liegen gelassen hatte.

„Vielleicht waren wir aufgrund der Auftaktpartie im Kopf müde. Es wirkte ein bisschen so, als ob man abwartet und zurücksteckt und erst mal schaut, was der Teamkollege macht. Dadurch waren wir zu passiv. Gegen die USA haben wir uns auf dem Eis gegenseitig geholfen. Im ersten Drittel gegen Frankreich war das eine „Allein-Partie“. Einer hat gespielt und vier haben zugeschaut“, so der Assistant Captain.

Markus Peintner wiederum, konnte dem Argument absolut nichts abgewinnen und stand mit seiner Meinung auf der Seite Pöcks.

„In einem Final-Spiel, wie dieses es war, darf es keine schweren Beine oder Müdigkeit geben. Das darf man mental gar nicht zulassen. Das war zu wichtig, da gibt es auch keine Ausreden“, so der Villacher, der aber vor zu kritischen Tönen warnte.

„Es bringt nichts, wenn man da jetzt zu kritisch ist, denn bei so einem Turnier haben wir sieben Spiele in neun Tagen und da darf man nicht zu negativ sein. Natürlich muss es analysiert werden, aber schlussendlich müssen wir näher zusammenrücken und die nächste Partie gewinnen. So einfach ist es.“

Keine vier Scorer-Linien

Ein Einschätzung, die seineszeichens Teamkollege Pöck wiederum nicht teilte. Der Verteidiger sprach klar und deutlich an, was dem österreichischen Team bei dieser WM fehlt.

„Du musst den Puck halt auch mal reinschießen. So viele Chancen kriegen wir auf diesem Niveau nicht. Von 3:0 werden wir nicht mehr zurück kommen, dafür reicht es bei uns nicht. Wir haben offensiv einfach nicht vier Linien, wie etwa die Kanadier.“

Ausgeruht gegen Lettland

Stolz oder nicht, am Ende reichte es gegen die Franzosen nicht zu einem Sieg. Die kommenden Duelle mit Lettland (Dienstag) und Deutschland (Mittwoch) haben nun absoluten Endspiel-Charakter.

„Diese beiden Partien müssen wir gewinnen oder zumindest Punkte holen. Auf die letzten drei Spiele brauchen wir nicht warten, dass wir da sechs Zähler einfahren“, brachte es Pöck auf den Punkt.

Am Montag hat die rot-weiß-rote Nationalmannschaft spielfrei, die Letten ebenso. Auf schwere Beine bei den Balten kann man somit nicht hoffen.

Aus Helsinki berichtet Sebastian Rauch