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"Sie leisten mehr für Deutschland als die Politiker"

Uwe Krupp ist eine Ikone des deutschen Eishockeys.

Helden-Status erlangte der mittlerweile 45-Jährige einst in Nordamerika.

Mit den Colorado Avalanche eroberte der frühere Weltklasse-Defender im Jahr 1996 die „Trophäe schlechthin“, den Stanley Cup.

Dabei ging Krupp in die Annalen ein, schoss er doch in Spiel vier den Game-Winner der Finalserie gegen die Florida Panthers.

Ein legitimer Nachfolger für den nunmehrigen Coach der Kölner Haie ist nach 15 Jahren gefunden, sein Name: Dennis Seidenberg.

Nordamerika fest in deutscher Hand

Die Boston Bruins bekamen im entscheidenden Showdown mit einem 4:0-Erfolg bei den Vancouver Canucks ihr Happy End. Als erst zweiter Deutscher durfte der Verteidiger „The Holy Grail“ in den Händen halten.

Im LAOLA1-Interview erklärt Krupp, dessen Ära als DEB-Teamchef nach der WM 2011 endete, was Landsmann Seidenberg nun erwartet, warum NBA-Champ Dirk Nowitzki der beste Botschafter ist, und wie er damals die persönliche Zeit mit „Lord Stanley“ verbrachte.

LAOLA1: Wie jeder Eishockey-Fan werden Sie wohl auch die Nacht auf Donnerstag gespannt vor dem Fernseher verbracht haben. Der erste Auswärtssieg gelang ausgerechnet in Spiel sieben, überrascht?

Uwe Krupp: Vancouver ist mit dem Heimvorteil ganz gut gefahren. Im letzten und entscheidenden Duell wird die Sache natürlich eng. Da kommt es dann auf die Tagesform an. Boston hat einen Weg gefunden, das gleiche Eishockey zu spielen, mit dem sie zu Hause erfolgreich waren. Zwei starke Mannschaften sind hier aufeinander getroffen und die Bruins haben verdient gewonnen.

LAOLA1: Einmal mehr war Boston-Schlussmann Tim Thomas nicht zu überwinden, völlig zurecht erhielt der US-Amerikaner die Conn Smythe Trophy als Playoff-MVP. Was gab letztlich noch den Ausschlag?

Krupp: Ich glaube, dass sich die Härte, mit der Boston die ganze Serie über gespielt hat, auf Dauer bezahlt gemacht hat. Zudem hat Thomas konstanter agiert als Roberto Luongo. Er strahlt viel Ruhe aus und macht die Big Saves, die ein Spiel entscheiden. Die Canucks waren die beste Mannschaft der NHL-Saison 2010/11. Aber die Bruins waren das beste Team im siebenten Spiel.

LAOLA1: Kommen wir zu Ihren Landsmännern. Deutschland war mit Vancouvers Christian Ehrhoff und Seidenberg gleich doppelt im Finale vertreten. Wie fällt ihr Fazit zu deren Performance aus?

Krupp: Man muss ihnen ein Riesen-Kompliment machen, beiden Spielern kann man nicht genug Lob aussprechen. Sie waren absolute Leistungsträger und maßgeblich am Erfolg der Mannschaften beteiligt. Einer musste verlieren, das war leider Christian. Das ist schade und tut mir auch Leid für ihn. Wenn er allerdings mit ein bisschen Abstand alles nochmal Revue passieren lässt, wird er erkennen, welch tolle Saison er spielte. Was Dennis angeht, spricht die Eiszeit (Anm.: Im Schnitt 27:37 Minuten in den Playoffs) für das Vertrauen des Trainers. Mit Zdeno Chara ist er verantwortlich dafür, dass Boston in der Abwehr so gut gespielt hat.

LAOLA1: Das Gefühl des Triumphs kennen Sie nur allzu gut. Nach 104 Minuten und 23 Sekunden krönten Sie die Colorado Avanlanche 1996 zum Champion und setzten sich damit ein Denkmal. Wie sehen die Erinnerungen an diesen denkwürdigen Moment aus?

Krupp: Ein Highlight in der sportlichen Karriere. Im Nachhinein war es ein besonderer Augenblick in meinem Leben, das kommt erst mit ein bisschen Abstand. Im ersten Moment ist eine gewisse Leere da, weil man erschöpft ist. Danach freut man sich natürlich. Mit der Zeit kommt ein gewisser Stolz hinzu.

Mit Detroit gelang Krupp "zweiter" Sieg

LAOLA1: „Lord Stanley“ hat weltweit eine immense Bedeutung. Wann haben Sie richtig realisiert, was Ihnen hier gelang?

Krupp: Wenn du den Stanley Cup in der Hand hältst, realisierst du, dass du die schwierigste Trophäe der ganzen Welt gewonnen hast. Es gibt keinen Titel im Mannschaftssport, der schwieriger zu gewinnen ist. Du musst zweieinhalb Monate jeden zweiten Abend beinhartes Hockey spielen, es ist die Trophäe schlechthin. Damit sind die ganzen Meisterschaften in Europa, wie Fußball, nicht zu vergleichen.

LAOLA1: Zu der Zeit waren in Colorado Allzeit-Größen wie Joe Sakic, Peter Forsberg oder Goalie Patrick Roy vereint.

Krupp: Wir hatten ein besonderes Gefüge, unsere Rollenverteilung war klar. Dazu kamen die durchwegs guten Charaktere der Spieler. In den entscheidenden Momenten haben alle in die gleiche Richtung gezogen, individuelle Ziele haben keine Rolle mehr gespielt. Wie die Bruins konnten wir zum richtigen Zeitpunkt unser bestes Eishockey spielen. Wir hatten eine besonders gute Chemie.

LAOLA1: Können Sie verdeutlichen, was Seidenberg in den nächsten Tage, Wochen und Monaten erwartet?

Krupp: Viel öffentliche Anerkennung. Boston holte den ersten Stanley Cup seit 1972. Es ist einer der drei traditionellen Eishockey-Standorte in den USA. Ebenso wie Detroit und der Bundesstaat Minnesota. Sie erwartet eine tolle Feier, die Jungs werden in den kommenden Tagen viel Spaß haben.

LAOLA1: Zudem erhält jeder Akteur die Möglichkeit, etwas wirklich Persönliches mit der Trophäe zu unternehmen. Manche Spieler ließen den Nachwuchs darin taufen, andere entführten ihn in einen Strip Club. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Krupp: Als ich ihn das erste Mal gewonnen habe, war ich damit bei mir zu Hause in Colorado. Ich gab dann eine Party mit allen Freunden und Familie. Das zweite Mal nahm ich den Stanley Cup mit nach Montana, wo meine Range war. Wir haben ihn in einer kleinen Stadt ausgestellt.

LAOLA1: Konnten Sie den Titel-Gewinn mit den Detroit Red Wings 2001/02 überhaupt genießen? Aufgrund einiger Verletzungen absolvierten Sie nämlich nicht genug Einsätze, um das zweite Mal auf dem Stanley Cup eingraviert zu werden.

Krupp: Es gibt gewisse Regeln (Anm.: 41 Partien in der Regular Season und ein Finale), die haben mit sechs Spielen im Grunddurchgang und keinem Endspiel-Auftritt nicht zugetroffen. Obwohl meine Rolle gegen Ende der Karriere komplett anders war, bin ich sehr stolz darauf. Das sind zweieinhalb Monate, wo jeder Spieler in der Mannschaft seinen Teil beitragen muss. Wenn du nicht spielst, so wie in meinem Fall verletzungsbedingt, kannst du dich mit den jungen und zukünftigen Spielern beschäftigen und bist für gute Atmosphäre in der Kabine zuständig. Wenn du Leute hast, die nicht reinpassen, dann gewinnst du nichts.

LAOLA1: Buffalo Sabres, New York Islanders, Colorado, Detroit sowie Atlanta Thrashers – Sie haben in der NHL einiges erlebt. Was war der bitterste Moment ihrer Laufbahn?

Krupp: Der bitterste Moment war, als ich realisierte, dass ich wegen meiner Verletzung nicht mehr in der körperlichen Verfassung bin, um Profi-Eishockey zu spielen. Ich habe den Job nicht verloren, weil einer besser war. Ich konnte wegen der vielen physischen Probleme einfach nicht mehr. Das ist der Moment, wo du dir eingestehen musst, dass deine Eishockey-Karriere vorbei ist.

LAOLA1: Verletzungen gab es in der Saison 2010/11 zuhauf. Die Zahl der Gehirnerschütterungen nimmt ein beängstigendes Maß an. Davon betroffen war unter anderem Superstar Sidney Crosby, der sich noch heute mit den Nachwirkungen herumschlägt. Wie ist die Entwicklung zu stoppen?

Krupp: Du kannst die Fahrlässigkeit herausnehmen, in dem du den Versuch einen Gegenspieler am Kopf zu treffen, rigoros bestrafst. Ich glaube, das wird im Moment gemacht. Man muss natürlich erkennen, dass beim Eishockey alleine aufgrund der Körperhaltung stets der Kopf gefährdet bleibt. Der Scheiben-Führende ist in einer vorwärts gebeugten Position. Und der Spieler, der den Kontakt herstellt, steht aufrecht. Es gibt keinen Weg daran vorbei, dass der Kopf zuerst auf den Körper des Gegenspielers trifft.

LAOLA1: Die Schnelligkeit, welche von Jahr zu Jahr höher wird, lässt sich jedoch nur schwer aus dem Spiel nehmen, oder?

Krupp: Genau. Die Cracks sind noch athletischer, besser trainiert und ausgebildet. Das Spiel wird schneller, gerade das nordamerikanische. Auf der engeren Eisfläche ist es unheimlich attraktiv anzuschauen. Es wird marschiert ohne Ende. In Europa ist es wegen dem breiteren Eis nicht so geradlinig, deshalb sind die Kopf-Verletzungen nicht ganz so problematisch. Man kann lediglich versuchen, diese übertrieben gefährlichen Checks aus dem Spiel zu nehmen. Wenn du jedoch alle bestrafst, dann spielt man kein Eishockey mehr.

LAOLA1: Abschließend noch zu etwas Erfreulichem. Nicht nur die NHL sondern auch die NBA ist in deutscher Hand. Dirk Nowitzki konnte mit den Dallas Mavericks seine Karriere krönen. Haben Sie die NBA-Finals verfolgt und welche Bedeutung kommt diesen Erfolgen zu?

Krupp: Ich verfolge Dirks Karriere seit 15 Jahren. Nowitzki machte mich zum Basketball-Fan. Er ist ein hervorragender Botschafter für Deutschland, wie Seidenberg, Ehrhoff, Boris Becker oder Steffi Graf. Das sind Leute, welche für den Ruf und die Anerkennung des Landes in den USA viel mehr leisten, als ein Politiker jemals im Stande wäre. Als Deutscher kann man auf die Leistung einfach nur stolz sein.

Das Gespräch führte Christoph Köckeis