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Die ÖEHV-U20 in ihre Einzelteile zerlegt

Die ÖEHV-U20 in ihre Einzelteile zerlegt

"Guat is gangen, nix is gschehn" – so lautet das fast schon jährliche Fazit zur Junioren-U20-WM für das österreichische Team.

Auch heuer wurde in Asiago als Fünfter unter sechs Teams der Abstieg vermieden und damit der (inoffizielle) 15. Rang in der Weltrangliste belegt.

Mit der Ausnahme des 14. Platzes im Vorjahr ist dies der Stammplatz der rot-weiß-roten Auswahl in dieser zweithöchsten Leistungsstufe in den letzten Jahren.

Individuelle Aussetzer inklusive

Wie immer formierte sich rasch eine Zweiklassengesellschaft. Mit Sieger Weißrussland, Norwegen und Lettland spielten drei Nationen um den Aufstieg, für Gastgeber Italien, Slowenien und Österreich ging es gegen den Abstieg.

Die anfänglichen Niederlagen (1:5 gegen Lettland, 5:9 gegen Norwegen) kamen daher auch nicht überraschend, machten lediglich klar, dass Coach Roger Bader bei seinem ersten Turnier nicht wie seine Vorgänger auf einen überragenden Torhüter wie David Kickert zurückgreifen konnte.

Nicht zuletzt deshalb verspielte sein Team im ersten Schlüsselspiel gegen Italien im letzten Drittel eine 4:1-Führung und verlor mit 4:5 in der Overtime. Neben einer schwachen Goalieleistung von Stefan Müller kamen auch noch individuelle Aussetzer dazu, wie schon öfters in den letzten Jahren zerfiel das Team unter Druck zu schnell in seine Einzelteile.

Knapp 14 Stunden später wartete KAC-Goalie Thomas Stroj in der Anfangsphase gegen Slowenien wenigstens mit einigen wichtigen Saves auf, sodass das rot-weiß-rote Team nach dem frühen 1:0 die Führung weiter ausbauen und schließlich einen ungefährdeten 7:3-Sieg landen konnte.

Einige Ausfälle

Im letzten Spiel gegen Weißrussland wurde um Sekundenbruchteile eine bessere Platzierung verspielt, der Siegestreffer mit/vor/nach der Schlusssirene von Marco Huber fand keine Anerkennung. Die Weißrussen setzten sich schließlich mit 5:4 nach Overtime durch, Österreich beendete das Turnier mit fünf Punkten.

Vor dem Turnier fielen krankheits- und verletzungsbedingt mit Bernd Wolf (SC Bern), Philipp Kreuzer (KAC), Valentin Leiler (VSV) und Dennis Teschauer (Innsbruck) noch vier Cracks aus, vor allem Wolfs Knieverletzung tat weh.

Denn neben unebenen Goalieleistungen war die Abwehr wie so oft auch nicht gerade ein Prunkstück, vor allem an Leuten, die unter Druck den Puck weiterspielen konnten, mangelte es. Bader hatte aber ein Team einberufen, das körperlich zu den besseren der letzten Jahre gehörte, dazu kamen auch noch einige überdurchschnittliche Stürmertalente. Der Schweizer Headcoach brachte auch alle Kaderspieler zum regelmäßigen Einsatz, der vierte Block spielte eine prominentere Rolle als in den Vorjahren.

Fahrstuhl-Dasein hat seine Gründe

Allzu neue Erkenntnisse – außer den individuellen Eindrücken – über das österreichische Eishockey brachte das Turnier nicht.

An den Aufstieg in die A-Gruppe, die im Gegensatz zu den Senioren nur zehn Teams umfasst, ist natürlich nicht zu denken, den machen sich die üblichen Verdächtigen (Dänemark, Norwegen, Lettland und heuer seit einiger Zeit wieder Belarus) unter sich aus.

Aber der jährliche Verbleib in den Top 16 ist schon wichtig und keinesfalls ein Selbstläufer, die U18 (im Vorjahr Zweite im Turnier) beweist schon seit Jahren, dass man der dritthöchsten Leistungsstufe nicht so einfach entkommt.

Die dadurch entstehenden Ränge 15 (U20) und 18 (U18) legen ja auch nahe, dass das Fahrstuhldasein unseres A-Teams nicht von ungefähr kommt und das Gesamtniveau des österreichischen Eishockeys nur zu gut widerspiegelt…

Eine Schande für den ÖEHV

Neben den neun Legionären (Müller, Hrdina, Wukovits, Richter, Haudum, Baltram, Reisinger, Schnetzer, Puntus) wiesen mit Vallant, Gaffal, Huber, Gelfanov, Hackl und Bauer sechs Spieler mehr oder (meist) weniger Kampfmannschaftserfahrung auf, der Rest agiert mit Salzburg in der russischen MHL (Jakubitzka, Lindner, Kainz) oder der EBYSL (Stroj, Kirchschläger, Schaurhofer, Winkler).

Die übliche Gretchenfrage: Wären die Spieler besser, wenn sie mehr Chancen in der Ersten bekommen oder bekommen sie diese Chancen nicht, weil sie einfach nicht besser sind?

Was regelmäßigen Besuchern von Nachwuchs-Weltmeisterschaften – dazu gehören weder Verbands- noch Vereinsfunktionäre - auffällt: Länder wie Italien, Slowenien, Polen oder Ungarn gehören zu den regelmäßigen Ausrichtern dieser Turniere.

Die letzte Nachwuchs-WM in Österreich liegt mit der U18-WM in Amstetten im Jahre 2004 eine Dekade zurück, die letzte U20-WM (Kapfenberg/Zeltweg 2002) gar schon zwölf Jahre! Wahrlich eine Schande für den ÖEHV…

Unsere Schlüsselspieler in Asiago:


Marco Richter (geboren 1995/ spielt bei Madison Capitols/Position Center; Foto rechts)

- Kapitän und konstantester Spieler
- Center mit gutem Spielverständnis und Offensivpotential
- Kann sich körperlich und eisläuferisch im 1-1 durchsetzen
- Überbrückt das Mitteldrittel gut mit der Scheibe
- Wird interessant, wie sehr er sich die nächsten Saison im College (Connecticut) noch steigern kann
- Eine der wenigen Mittelstürmerhoffnungen im ÖEHV, dessen Coaches ihn lange nicht ernstgenommen haben 

 

Lukas Haudum (1997/Södertälje/Flügel)

- Spielte als jüngster Spieler des Teams wie ein Mann und nicht wie ein Jugendspieler und gehörte physisch bereits zu den stärksten Spielern im Team
- Steigerte sich im Laufe des Turniers
- Spielt aktiv (ein fairer Supercheck gegen Slowenien) und passiv (hat keine Angst ums Tor herum) gegen den Mann
- Erkennt im Slot die Situationen schnell, kann kurze Pässe auch unter Druck spielen
- Gutes defensives Stellungsspiel
- Steht stabil auf den Eisen, muss aber noch an seinem Speed und ersten Schritten arbeiten
- Sein NHL-Potential wird unter Scouts konträr diskutiert, hat aber bei weitem das beste Upside im Team

>> Hat Haudum das Zeug für die NHL?

 

Mario Huber (1996/Innsbruck/Center, Flügel; Foto rechts)

- Kein Vergleich zum letzten Jahr, als er in desolater körperlicher Verfassung mitfuhr
- Hat gute Hände und einen schnellen, genauen und harten Schuss
- Eisläuferisch durch seine Gewichtsabnahme verbessert, Agilität muss aber besser werden
- Tendiert etwas zum „Cheaten“, nimmt Risiken im eigenen Drittel, die nicht immer aufgehen
- Muss sich stets dazu ermahnen, im Teamkonzept zu bleiben, aber trotzdem seine individuellen Stärken auszuspielen
- Sollte in seiner Entwicklung schon weiter sein

 

Ali Wukovits (1996/Färjestads/Center)

- Dritte WM (U18 und U20) nacheinander, wo er die offensiven Erwartungen nicht erfüllen konnte
- Hat gutes Spielverständnis und gute Beine, arbeitet auch im Backcheck brav
- Kaum Offensivaktionen, im Bereich ums Tor herum zu wenig anzutreffen
- Stagniert heuer in seiner Entwicklung

 

Stefan Gaffal (1996/Linz/Flügel; Foto rechts)

- Hätte im Erkennen und Verarbeiten von Offensivmöglichkeiten sicher das größte Potential im Team
- Guter Playmaker von den Halfboards und hinter dem Tor im Powerplay
- Betritt die „Hard Hat Areas“ aber nur sehr selten
- Muss an Muskelmasse gewaltig zulegen
- "Size/Speed-Ratio" ist nicht gut, es fehlt ihm an Dynamik und Agilität
- Dominiert die EBYSL nach Belieben, aber kann er seine Schwächen so korrigieren, dass aus ihm ein EBEL-Scorer wird?
- Kein typischer Viertlinienspieler, eher der „Sekt-oder-Selters“-Typ

 

Florian Baltram (1997/Seattle Wildcats/Flügel)

- Sehr gute Beine und Motor, stets in Bewegung, sehr gute Arbeitsmoral
- Sehr gut getimte Hits, unterbricht dadurch den Spielfluss des Gegners, ohne dumme Strafen zu nehmen
- Vor allem im Cycling-Game sehr mobil
- Bei ihm dürfte das Gesamtpaket größer als die einzelnen Teile sein
- Hätte er die Größe oder das Talent einiger seiner Mitspieler, würde er mehr daraus machen

 

Thomas Vallant (1995/KAC/Verteidiger)

- Zwei Powerplay-Tore im Schlüsselspiel gegen Slowenien schönten seine persönliche und die Bilanz des Teams auf
- Probleme mit Beweglichkeit und dem Erkennen von Spielsituationen
- Nimmt öfters Risiken mit der Scheibe, am besten, wenn er das Spiel einfach hält

 

Dario Winkler (1997/Salzburg/Flügel, Center)

- Schnell und agil, guter Motor
- Beine müssen körperliche Mängel kaschieren, schlug sich gegen ältere Gegner aber gut
- Riss mit unüberlegten Forechecks mehrmals Löcher in die Defensive

 

Max Reisinger (1995/Wichita Falls Wildcats/Flügel)

- Lange nicht am Radar der Auswahlteams
- Körperlich präsenter Flügel, der seine Größe gut einsetzte
- Kaum Finesse in seinem Spiel, kann aber Spielzüge am Leben erhalten und ist um das Tor herum ein physischer Faktor
- “What you see is what you get“-Spielertyp, wäre guter Mann für so manche vierte Linie in der EBEL

 

Philipp Lindner (1995/Salzburg/Verteidiger; Foto rechts)

- Sah vor drei Jahren wie das kommende österreichische Verteidigertalent aus, Karriere ging dann aber in die falsche Richtung
- Hat sich zuletzt wieder etwas in seinen Leistungen stabilisiert, ohne die einst hohen Erwartungen erfüllen zu können
- Hätte Potential zu Zwei-Weg-Verteidiger mit guten Powerplay-Fähigkeiten
- Risikoabschätzung ist sein größtes Problem
- Schafft er in Salzburg oder anderswo den Sprung ins Männereishockey? Wenn in anderen Ländern solche Spieler stagnieren, kommen halt andere nach, in Österreich ist das aber letal

 

Daniel Jakubitzka (1996/Salzburg/Verteidiger)

- Mobilität und Hände sind für österreichische Verhältnisse überdurchschnittlich
- Kann Scheibe gut zirkulieren lassen
- Hat aber schon im Juniorenbereich größte Probleme im Zweikampf
- Muss an seiner Physis immens hart arbeiten, um je im Seniorenbereich spielen zu können

 

Sascha Bauer (1995/Vienna Capitals/Flügel)

- Kam im vierten Block zum Einsatz
- “Up-and-down“-Winger ohne große spielerische Komponente
- Sieht das Eis nicht sonderlich gut
- Ausgezeichnete Einstellung auf und neben dem Eis und spielt ohne Angst, aber das Offensivpotential, das man in ihm in Wien sieht, ist nicht offensichtlich
- Sollte sich in der EBEL in einer vierten Linie festkrallen können


Bernd Freimüller