news

M. Raffl: "Muss besser sein als ein Einheimischer"

M. Raffl:

„Es war eine Herausforderung, die er annehmen musste. In Österreich kann er immer spielen.“

Bei Thomas Raffl stößt das Schweden-Engagement seines Bruders Michael auf Zustimmung. Wenig verwunderlich, die Parallelen im Karriere-Verlauf sind nämlich unverkennbar.

Der nunmehr 25-Jährige erkundete selbst den hohen Norden. Eineinhalb Saisonen in der Elitserien brachten nicht den erhofften Durchbruch, gleichwohl „war es eine positive Erfahrung“.

Im November 2010 zog der bullige Flügel einen Schlussstrich. Zurück in der Heimat eroberte er mit RB Salzburg prompt seinen zweiten Meistertitel.

Heuer ist der Villacher (29 Scorerpunkte) gar die Nummer eins im „Bullen“-Stall (LIVE-Ticker der 28. Runde ab 17:30 Uhr). Und der zwei Lenze jüngere Raffl kämpft bei Leksands IF um sein Standing.

Reife-Prozess im Ausland

Nach rund drei Monaten in der Allsvenskan - die zweite Spielklasse im Land der „Tre Kronor“ - zieht der Neo-Legionär bei LAOLA1 ein Zwischen-Resümee: „Am Anfang war es eine sehr große Umstellung. Das Eishockey ist komplett anders als in Österreich.“

Im heimischen Liga-Geschehen stand er bereits seinen Mann. Für den VSV stieg Michael in den vergangenen Jahren zum unumstrittenen Eckpfeiler auf. Schließlich schien für den Topscorer die Zeit gekommen, den nächsten Schritt zu wagen.

„Wenn man als Junger die Chance bekommt, muss man sie ergreifen. Man kann wichtige Erfahrung sammeln. Da gibt es überhaupt keine Option, es nicht zu versuchen“, sieht Thomas darin überdies eine Art Reifeprüfung.

Es gibt nicht mal ein Kino“

Zuvor genoss Michael, der am 1. Dezember seinen 23. Geburtstag feierte, stets den Rückhalt von Familie und Freunden. Jene Bezugspersonen sind in Leksand über 2.000 Kilometer entfernt, für die Entwicklung der Persönlichkeit durchaus positiv: „Ich muss mir in einem fremden Land alles alleine organisieren. Das macht Spaß. Ich möchte solange wie möglich im Ausland bleiben.“

Mittlerweile hat sich der ÖEHV-Crack gut eingelebt. Er wohnt in einer vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Bleibe, seine Freizeit genießt er häufig im Kreise der Kollegen. Lediglich mit den Gegebenheiten der knapp 6.000-Seelen-Gemeinde wusste er sich in keinster Weise anzufreunden.

„In Leksand ist es ziemlich langweilig. Es ist eine ganz kleine Stadt, da gibt es gar nichts. Nicht mal ein Kino. Das war eine große Umstellung, eine ganz andere Welt.“

Gemeinsames Tennis ist „keine gute Idee“

Wie für den Erstgeborenen so üblich, zeigt Thomas dafür keineswegs Verständnis. Lachend mahnt er den „Kleinen“ ab: „Er ist zum Eishockey spielen dort und muss schauen, dass er Erfolg hat. Alles andere sollte nur Nebensache sein.“ An mangelnde Einstellung verschwendet er dennoch keinen Gedanken.

„Unser Problem ist eher, dass wir zu ehrgeizig sind. Deshalb ist es auch keine gute Idee, zusammen Tennis zu spielen. Wir gehen maximal gemeinsam aufwärmen, sonst kommt es zu Streitereien.“ Wer denkt, dies sei eine von vielen Gemeinsamkeiten, der irrt.

„Wir sind auf keinen Fall gleich. Jeder hat privat seine eigenen Interessen. Und sportlich hat er sehr gutes Spielverständnis, ich bin der geradlinigere Typ. Jeder weiß, was er am besten kann.“ Ratschläge für die neue Konstellation in Schweden waren daher überflüssig.

Vorfreude auf die gemeinsamen Aufgaben im Nationalteam

Herkunft ein Problem?

„Er erklärte mir natürlich, welche Probleme er hatte. Aber im Endeffekt muss jeder seinen eigenen Weg finden“, so Michael, der sich jeden zweiten Tag mit dem „Bro“ via Skype austauscht. Der Sport ist in solchen Gesprächen, wenn überhaupt, eine Randnotiz. Vielmehr liegt die Intention darin, ein offenes Ohr zu haben, Unterstützung sowie Verständnis zu vermitteln, gibt Thomas zu verstehen.

Denn: „Im Prinzip kann ihm bei dieser Sache keiner helfen. Es kann jeder gut auf ihn einreden und motivieren, doch eigentlich ist er auf sich allein gestellt. Im Profi-Sport wird die Leistung beurteilt.“ Als Legionär zu überzeugen, sei schwer genug. Und rot-weiß-roter Backgrund keinesfalls förderlich.

„Das österreichische Eishockey verliert etwas den Stellenwert. Es ist Jahre lang aufwärts gegangen, mittlerweile befinden wir uns im Stillstand. Mit der jetzigen Situation wird es nicht einfacher. Die EBEL hat nicht den Ruf, welchen Spieler-Agenten bevorzugen.“

Besser spielen als ein Einheimischer“

Nicht zuletzt deshalb „war Michaels Entscheidung, in der zweiten Liga anzufangen“, vernünftig. „Da bekommt er mehr Eiszeit und der Druck ist in der Elitserien viel höher“, spricht Thomas aus eigener leidvoller Erfahrung. Während des Gastspiels bei Lulea HF, wo sich derzeit Nachwuchs-Hoffnung Konstantin Komarek seine Sporen verdient, brachte es der eigentliche Scorer bloß auf 17 Punkte.

Nichtsdestotrotz sollte es der prägendste Karriere-Abschnitt bleiben. „Ich habe einfach gelernt, mit der Erwartungshaltung und geringer Eiszeit umzugehen. Ich bekam weniger Minuten als erhofft. Und trotzdem muss man das Beste herausholen.“

Auch Michael erkannte längst, dass er sich bei seinen Shifts keinen Leerlauf leisten kann. „Wenn ich nicht auf meinem Top-Level bin, sitze ich eben ein ganzes Drittel nur auf der Bank.“ Das Leistungs-Prinzip ist bei einem Legionär bekanntermaßen noch bedeutender: „Ich muss besser spielen als ein Einheimischer.“

Schneller, härter und besser

Mit Fortdauer der Saison findet der Linkshänder langsam zu gewohnter Stärke. Im Kampf um den Aufstieg, das „erklärte Ziel“, verbuchte er bislang sechs Treffer sowie fünf Vorlagen für den Tabellen-Vierten. Die Akklimatisations-Phase scheint überwunden: „Meinen Spielstil musste ich etwas verändern. Es geht härter und schneller zur Sache. Ich habe mehr Aufgaben in der Defensive, Tor-Chancen muss man sich erkämpfen.“

Thomas ergänzt: „Wenn man mit zwei guten und flinken Cracks aufläuft, wird man um diese Klasse schneller. So hebt sich das gesamte Niveau. All das ist allerdings nur dann möglich, wenn man den Trainer hinter sich hat.“

Das Vertrauen von Manny Viveiros wird den Gebrüdern Raffl jedenfalls zuteil. Beide stehen nämlich im ÖEHV-Aufgebot für den Österreich-Cup in Klagenfurt (16./17. Dezember).

Thomas war nicht umsonst in Schweden“

„Ich freue mich sehr darauf, wieder nach Hause zu kommen. Über Weihnachten bin ich sowieso in Villach, da feiert die Familie geschlossen“, sinniert Michael, den zuletzt ein grippaler Infekt außer Gefecht setzte. Über die Verfassung der Nationalteam-Kollegen ist er übrigens stets auf dem neuesten Stand.

„Was Villach und Thomas' Salzburger betrifft, bin ich top informiert. Ich weiß, wer die besten Scorer sind und bei wem es nicht so läuft.“ Seinem VSV traut er trotz miserablen Saisonstarts „einen Platz unter den Top-Sechs“ zu, mit dem Höhenflug des „Big Brother“ hat er gerechnet.

„Er war nicht umsonst im Ausland und spielte im schwedischen Oberhaus. Er hat sich den Erfolg erarbeitet.“ Die Schluss-Worte bleiben natürlich dem Älteren vorbehalten: „Michael darf nicht satt werden. Dann gibt es keine Grenze nach oben.“

Und wenn doch, „kann er noch immer in Österreich spielen.“

Christoph Köckeis