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Die unterschiedlichen Wege zum EBEL-Gipfel

Die unterschiedlichen Wege zum EBEL-Gipfel

Die erste Hälfte des Grunddurchgangs geht zu Ende und das standesgemäß mit dem Spitzenspiel:

Mit dem Last-Minute-Sieg in Graz übernahm RB Salzburg (33 Punkte) nach Wochen von den Vienna Capitals (32) wieder die Tabellenführung und erwartet diese heute im Volksgarten.

Seite an Seite an der Spitze der Tabelle, doch die Wege dahin waren und sind unterschiedlich. LAOLA1 hörte sich in der Liga um, welche Unterschiede und Parallelen zwischen den beiden Spitzenteams bestehen.

Lob für den Gegner

Wenig überraschend überhäufen die beiden Coaches ihren Gegner mit Komplimenten. Salzburg- und Nationaltrainer Dan Ratushny sieht in den Capitals ein „sehr gut gecoachtes Team. Gute Eisläufer, die dir nicht viel Raum geben.“

Widerpart Tom Pokel schwärmt vom Talentlevel und der Tiefe des Gegners: „Sie kommen mit vier Linien auf dich zu, fast alle Spieler sind torgefährlich. Nicht nur, weil wir auswärts spielen und daher nicht den letzten Wechsel haben, kannst du Linematching vergessen.“

Dass die Caps diesmal auswärts antreten, sieht Pokel gar nicht als Nachteil: „Wir tun uns auf fremden Eis fast leichter, die Spiele scheinen da weniger über mögliche Niederlagen nachzudenken. Vielleicht hat uns  auch geholfen, dass wir schon in der Vorbereitung viel auswärts spielten und vor allem dort auch gewannen.“

In die gleiche Kerbe schlagen beide Coaches, wenn es um die Erfolgsfaktoren für heute geht: „Torhüterleistungen, Special Teams, nicht zu viele Strafen nehmen.“

Offense vs. Defense?

Ein Blick auf die Tabelle scheint zu zeigen, wo die Stärken der beiden Teams liegen:

Salzburg erzielte mit 88 Toren gleich um 33 mehr als die Caps, die wiederum die wenigsten Gegentreffer (43) in der Liga zuließen. Die 55 Tore der Wiener werden von fünf Teams in der Liga überboten. Offensive gegen Defensive – alles so einfach?

Ja und nein, wenn man mit anderen Coaches in der Liga redet. Bozen-Coach Mario Simioni, der gegen beide Teams nach dem November-Break anzutreten hatte, sieht natürlich Unterschiede in der Spielanlage:

Für Simioni sind die Caps etwas strukturierter

Unterschiedliche Spielanlage

„Die Capitals sind vielleicht das defensiv strukturiertere Team. Sie konzentrieren sich sehr auf das Spiel ohne Puck und lassen vor allem wenig Odd-Man-Rushes zu. Salzburg hat dagegen so viel offensives Talent. Zeitweise kommt es dir vor, als ob du fünf Stürmern gegenüberstehst, die Verteidiger sind oft bessere Eisläufer als bei anderen Teams die Stürmer. Wenn du ihnen Raum gibst, sind sie tödlich.“

Parallelen sieht Simioni, dessen Bozener die Salzburg daheim bezwangen und gegen Wien unglücklich mit 3:4 verloren, an den blauen Linien:

„Auf beiden Seiten agieren clevere Verteidiger, die den freien Mann vor dem Tor finden. Bei Salzburg habe ich das Gefühl, das auch jeder Mann einen harten Schuss hat. Wien hat dagegen bei den Verteidigern einen Vorteil in der Größe.“

Salzburg spielt weiter, Wien verwaltet

Linz-Coach Rob Daum, der den Capitals am Sonntag die erste Auswärtsniederlage zufügte (allerdings auch erst im Shootout), sieht die Unterschiede ähnlich, aber formuliert noch plakativer:

„Bei Salzburg kommt die Offensive zuerst, bei Wien nicht, ohne dass sie passiv oder destruktiv agieren würden. Jedenfalls spielt Salzburg bei einer Führung weiter auf das nächste Tor, Wien verwaltet da doch die Führung mehr.“

Das resultierte für die Capitals in (inklusive CHL) neun (!) 2:1-Siegen, eine eher fußballähnliche Statistik. Das fällt natürlich auch Tom Pokel auf, er gibt aber auch zu bedenken:

„Dass wir da nie ein Empty-Net-Goal erzielt haben, ist kaum zu glauben.“

Das oft vergeblich gesuchte dritte Tor macht den US-Amerikaner aber nicht nervös: „Wir haben zuletzt wieder mehr Chancen kreiert, das kleine Loch nach dem CHL-Aussscheiden wieder übertaucht. Ich glaube, dass wir in der Torausbeute weiter zulegen werden.“

Bullen mit unheimlichem Angriffs-Potential

Das Offensivpotential von Salzburg überhaupt kritisch zu diskutieren, hieße ein Soufflé mit einer Gartenschaufel zu essen.

Brett Sterling, John Hughes, Ryan Duncan oder Thomas Raffl sind da nur die schnittigsten Waffen. Ratushny schaffte es aber auch, Spieler wie Ben Walter oder Kyle Beach, die auf eine schwierige letzte Saison zurückblickten, wieder auf Vordermann zu bringen.

Wie Simoni sieht auch Daum bei den Verteidigern der beiden Teams Parallelen: „Vielleicht pinchen die Wiener etwas weniger, aber im gegnerischen Drittel finden die Defender auf beiden Seiten Löcher oder sind bei Backdoor-Plays zur Stelle.“

Bei Salzburg gibt es auch einen Überhang an Powerplay-Verteidigern: Trattnig, Heinrich, Fahey, Milam und Kutlak wären bei jedem anderen EBEL-Team gesetzt, in Salzburg muss Ratushny hier die Eiszeit sorgfältig aufteilen.

RBS oft etwas "berauscht"

So verdient und auch wenig überraschend die beiden Teams an der Spitze der Tabelle stehen, natürlich haben auch sie Schwächen, die ebenso wie ihre Stärken unterschiedlich ausfallen.

Salzburg berauscht sich ab und zu zu sehr an der eigenen Offensive, was zu Breaks und daraus resultierenden Heimniederlagen gegen Znojmo und Fehervar führte.

Das 0:5-Drittel gegen Lulea war ohnehin der Super-Gau und sollte auch gegen einen SHL-Gegner nicht passieren. In diesen 20 Minuten schrumpfte auch Goalie Niko Hovinen, der sonst fast drei Meter groß zu sein scheint, auf Zwergengröße zusammen.

Nödl muss offensiv mehr beitragen

Caps fehlt Tiefen-Offense

Wien, das in puncto Torhüterleistungen heuer kleine Vorteile hatte, leidet dagegen ab und zu an offensiver Verstopfung.

Eine Verletzung in der zuletzt aber auch getrennten Toplinie Foucault-Watkins-Ferland würde sich überhaupt fatal auswirken. Bei allen Beiträgen zum Abwehrkonzept müssen Forwards wie Naglich (4), Sylvester (3) MacArthur (2 Tore) oder Rotter (1) einfach mehr treffen, das gleiche gilt natürlich auch für Nachkauf Andi Nödl (1).

Ob und wann noch ein zusätzlicher Stürmer kommt, hängt von finanziellen Umschichtarbeiten bei den Capitals ab.

Wien wie die L.A. Kings

Servus-TV-Pundit Sascha Tomanek fand einen hochgehängten, aber doch schönen NHL-Vergleich zu den Capitals: “Sie erinnern mich an die Los Angeles Kings – defensiv und körperlich solide, lassen kaum Chancen für den Gegner zu.“

Um den Vergleich jedoch weiterzuspinnen: Ohne den Zuzug von Marian Gaborik zur Trading Deadline wären die Kings aber sicher nicht Stanley-Cup-Sieger geworden – der Unterschied an Toren pro Spiel vor und in den Playoffs: 2.42 gegen 3.38.

Einen Gaborik werden die Caps sicher nicht finden, aber von der letzten Personalie (Verletzungen natürlich ausgeschlossen) könnte auch ihr Wohl und Wehe in den Playoffs abhängen.

Salzburg dagegen kann keinen zusätzlichen Spieler mehr holen, muss sich sogar von einem der drei Goalies Brückler, Hovinen und Gracnar trennen.

Wer kann spielen, wer nicht?

Zu den Personalien: Bei Salzburg könnte Alexander Pallestrang nach seiner Muskelverletzung wieder fit sein, Zdenek Kutlak ist dagegen weiter out, Alexander Rauchenwald gehört neuerdings zum MHL-Team.

Bei den Caps kommt für den verletzten Markus Schlacher (mit Handbruch sechs bis acht Wochen out) Patrick Peter nach seiner Meniskusverletzung wieder zurück.

Die Entscheidung über Raffi Rotter, der nach dem Check des Linzers David Franz wieder mittrainierte, wird wohl am Spieltag fallen. Im Tor sollten Niko Hovinen bzw. Matt Zaba stehen.

Das letzte Wort gehört Rob Daum: Auf die Frage, wen er sich für die Playoffs von diesen beiden Teams als Gegner ausuchen würde: „Danke, aber das ist wie die Entscheidung zwischen Syphylis und Gonorrhoe.“