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"Möchte dem Land endlich was zurückgeben!"

Einzigartig wäre das treffende Adjektiv um Manny Viveiros' Jahr 2011 zu schildern. Denn: Wie häufig bietet sich schon die Gelegenheit, verantwortlich für die Rettung einer Eishockey-Nation zu sein?

Dem 45-Jährigen ist die Tragweite jedenfalls bewusst. Als ÖEHV-Teamchef steht er sinnbildlich für den rot-weiß-roten Turn-Around. Und die Rolle des Heilsbringers scheint der hauptamtliche KAC-Coach zu genießen.

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„Ich bin seit 20 Jahren in Österreich, meine Kinder durchliefen das Nachwuchs-Programm. Nun möchte ich dem Land endlich was zurückgeben“, sinniert der Austro-Kanadier im Rückblick.

Was ihn zu Weihnachten traurig stimmte, welche Tatsache ihm Angst bereitet, wie die Zukunft des heimischen Kufensports auszusehen hat und warum ihn die Gattin für verrückt hält, verrät Viveiros im LAOLA1-Interview.

LAOLA1: Die besinnliche Zeit ist vorbei, der Kampf um die Playoff-Tickets wird härter. Konnten Sie die Feiertage genießen?

Manny Viveiros: Es war heuer eine neue Situation. Meine Frau und ich haben Weihnachten erstmals alleine verbracht, da unsere Söhne Landan und Layne in Kanada spielen. Natürlich tut das weh, wenn man dieses Fest nicht zusammen feiern kann. Wichtig ist aber nur, dass meine Familie gesund ist.

LAOLA1: Wie feiert denn die Familie Viveiros?

Viveiros: Eine Mischung aus österreichischem sowie kanadischem Brauch. Wir sind derart lange hier, da haben wir auch Sachen übernommen. Zu essen gibt es Truthahn, das ist traditionell für Kanada.

LAOLA1: Inwiefern konnten sie trotz bevorstehend dichtem Spielplan abschalten?

Viveiros: Das gehört zum Leben eines Eishockey-Profis oder Trainer. Wir wissen, wir haben ein gutes Leben. Andere Leute müssen auch an Feiertagen arbeiten. Es ist ein Teil unseres Jobs und wir sollten dankbar sein, diesen Sport ausüben zu dürfen. Wir akzeptieren es, dafür haben wir andere Vorteile.

LAOLA1: Wie blicken Sie auf ihr aufregendes Jahr 2011 zurück? Welches Ereignis war ganz besonders ernüchternd?

Viveiros: Die Niederlage in Finale sieben mit dem KAC gegen Salzburg tat sehr weh – es schmerzt noch immer. Wir haben es noch nicht vergessen, dennoch war es eine tolle Saison für unsere Mannschaft. Meine Jungs können auf die Leistung stolz sein. Für Österreichs Eishockey war die Serie Werbung in eigener Sache.

LAOLA1: Und ihr persönliches Highlight?

Viveiros: Während der Saison gab es viele Highlights, zum Beispiel die Siegesserie von 17 Spielen. Für mich war erfreulich, dass wir trotz Verletzungssorgen in den Playoffs reüssierten. Im Grunddurchgang war das Team relativ gesund, doch danach hatten wir leider etwas Pech. Und trotzdem kamen wir bis in Spiel sieben, das war ein richtiger Höhepunkt. Ebenso wie das Vertrauen als Teamchef zu bekommen. Es ist mehr als ein Job. Ich bin seit 20 Jahren in Österreich, meine Kinder durchliefen das Nachwuchs-Programm. Nun möchte ich dem Land endlich was zurückgeben.

Viveiros: "Für die richtige Ausbildung benötigt es richtige Trainer"

LAOLA1: Zwei Turniere auf der ÖEHV-Bank sind Geschichte, ihre Bilanz nach den ersten Monaten?

Viveiros: Wir wollten herausfinden, wo Österreich im internationalen Vergleich steht. Wir spielten in Ungarn mit einer sehr jungen Mannschaft, auch in Klagenfurt. Gleich 15 Talente sammelten erstmals Erfahrung auf A-Gruppen-Niveau, das ist positiv. Trotzdem ist der Kandidaten-Kreis einfach nicht tief genug. Maximal haben wir 35 Spieler, die in Frage kommen, nominiert zu werden.

LAOLA1: Die Arrivierten wie Thomas Koch, Marco Pewal oder Matthias Trattnig bilden weiterhin die Stützen im Aufgebot. Welcher der getesteten Nachwuchs-Hoffnung trauen Sie zu, bald in eine solche Rolle zu wachsen?

Viveiros: Einige Talente haben bei diesen Partien aufgezeigt. Mario Fischer von den Vienna Capitals war eine positive Erscheinung, auch Salzburgs Dominique Heinrich überraschte. Die Geier-Zwillinge, Stefan und Manuel, die bei mir in Klagenfurt spielen, zeigten auf. Diese Spieler sind künftig ein Teil des österreichischen Eishockeys.

LAOLA1: Sie sind KAC-Betreuer und Teamchef in Personalunion. Wie lässt sich dies vereinbaren und welche Lehren zogen Sie aus den ersten beiden Lehrgängen?

Viveiros: Die Tätigkeit beim KAC muss immer von der in der Nationalmannschaft getrennt werden. Es sind zwei verschiedene Aufgaben - auch bei der Einberufung. Ich habe Verständnis für die Salzburger und deren Aufregung, da das Red Bulls Salute eine Art Champions League ist. Nichtsdestoweniger war es eine Länderspiel-Pause, daher habe ich die Fünf nominiert. Es gibt hier keinen Zusammenhang, ich habe als KAC-Trainer oder Teamchef einen anderen Kopf. Ich denke nur, was in dem Moment besser wäre.

LAOLA1: Ihre Botschaft bei Amtsantritt war, dass die Spieler wieder Ehre und Stolz verkörpern sollen. Flammte ob der Diskussion um die „Bullen“-Cracks bereits etwas Enttäuschung auf?

Viveiros: Mich konnten die Salzburg-Akteure, welche zum Nationalteam kamen, begeistern, denn sie arbeiteten in Training sowie Spielen richtig hart. Sie waren total professionell, ich hatte wirklich einen sehr positiven Eindruck. Unsere neue Identität und Stolz wurden schon installiert. Ich erhalte von den Cracks einzig positives Feedback. Wir müssen mit Jungen arbeiten, sie entwickeln und scouten. Es gibt zu wenig, die auf internationalem Niveau bestehen. Um realistische Chancen zu haben, in der A-Gruppe zu bleiben, müssen wir mehr produzieren.

LAOLA1: Haben Sie wegen des Stresses irgendwann den Beschluss bereut, die Offerte angenommen zu haben?

Viveiros: (lacht) Nein, aber es stimmt: Die wenigen freien Minuten verbringen ich mit Interviews. An Weihnachten habe ich nichts gemacht. Allerdings war mir fast etwas langweilig. Meine Frau sagt, ich wäre verrückt. Ich beschäftige mich fast rund um die Uhr mit Eishockey.

LAOLA1: Die U20-Auswahl verhinderte mit Hängen und Würgen gerade noch den Abstieg in die WM-Division Ib. Ihre Meinung zum Abschneiden?

Viveiros: Es war für mich ein Signal, wie weit Österreich momentan von der Elite-Gruppe entfernt ist. Andere Länder in Europa haben uns zuletzt überholt. Das Hauptproblem ist, dass in der EBEL zu wenig im Nachwuchs gemacht wurde und zu viele Ausländer aktiv sind. Für die Zukunft wäre wichtig, dass Verband und Klubs zusammen Talente fördern. Für die richtige Ausbildung benötigt es auch richtige Trainer.

LAOLA1: Die eklatanten Mängel auf körperlicher Ebene konnten das unterstreichen…

Viveiros: Das ist kein Geheimnis, leider ist es die Wahrheit. Sowohl kleinere als auch größere Vereine müssen in Zukunft reagieren - nicht nur reden. Unsere Hoffnungsträger müssen gut betreut werden, sie brauchen eine top Ausbildung. Nur so erreicht man den nächsten Level.

LAOLA1: Ob sich daran viel ändert, darf bezweifelt werden. Ein EBEL-Arbeitskreis kam unlängst zum Schluss, die Punkteregel beizubehalten. Was hält der Teamchef davon?

Viveiros: Es gibt keine andere Liga in Europa, wo derart viele Ausländer auflaufen. Das Nationalteam ist ein Endprodukt davon. Die meisten Österreicher spielen nicht in wichtigen Eishockey-Minuten, sie stehen nicht im Powerplay oder Penaltykilling auf dem Eis. Ich verstehe die EBEL, dank Punktesystem haben wir ausgeglichene Kräfteverhältnisse. Aber: Ist es eine österreichische oder internationale Liga? Ich habe wirklich Angst um den heimischen Nachwuchs, wir verlieren jedes Jahr mehr und mehr Talente. Nächste Saison wird die Regel noch beibehalten, doch die EBEL feilt mit dem Verband an einer Lösung. Das weiß ich, daher bin ich optimistisch.

LAOLA1: Welche Vorsätze beziehungsweise Wünsche haben Sie für das neue Jahr?

Viveiros: Ein Wunsch ist, dass meiner Familie ein gesundes Jahr 2012 bevorsteht. Gleiches gilt für die Spieler, das ist das Wichtigste. Natürlich habe ich Ziele, nur bleiben die mein Geheimnis (lacht). Nein, der Meistertitel wäre nach dem letztjährigen Scheitern auf jeden Fall eine tolle Sache.

LAOLA1: Verstärken sich die „Rotjacken“ noch dafür? Über einen Abwehr-Neuzugang wird spekuliert.

Viveiros: Es ist klar: Wir suchen einen Verteidiger. Das Problem besteht darin, dass kein interessanter Mann auf dem Markt ist. Wir suchen einen Spieler, der in das System und Konzept passt. Wir werden niemanden verpflichten, der unserer Mannschaft nicht helfen kann.

Das Gespräch führte Christoph Köckeis