news

Brandner: "Der Abschied war sehr berührend!"

Brandner:

12. Oktober 2003:  Erstmals prangte der Name eines Österreichers auf dem Scoreboard der National Hockey League. Damals verewigte sich Christoph Brandner in der „rot-weiß-roten“ Sport-Historie.

Mit seinem Premieren-Treffer gegen die San Jose Sharks stieg der damalige Minnesota-Wild-Stürmer zum Eishockey-Pionier empor.

An der Glamour-Welt fand der 36-jährige Steirer dagegen niemals Gefallen. Das Promi-Gehabe seiner Konkurrenten im "überprofessionellen" NHL-Business war ihm fremd. Er scheute das Rampenlicht, das blieb bis zum Karriereende so.

„Zwar bin ich stolz, was ich als Spieler erreichte. Der Rummel um meine Person war mir aber zumeist unangenehm. Über die Jahrzehnte erfuhr ich, wie schnell man ganz oben oder eben unten steht. Die Nüchternheit bekam ich vom Elternhaus mit“, beteuert einer der Größten seiner Zunft bei LAOLA1.

Warum Selbstzweifel ständiger Wegbegleiter waren, wie ihm das „kühle“ Nordamerika zusetzte, was ihn besonders berührte und welche Mentalität bei der „Jugend von heute“ irritiert, verrät Brandner – DEL-Spieler des Jahres 2003 – im Abschieds-Interview.

LAOLA1: Christoph, die NHL-Playoffs sorgen für kollektives Zungenschnalzen, die A-WM in Schweden und Finnland steht vor der Tür. Wie sehr quält dich die Sehnsucht nach dem Eishockey schon?

Christoph Brandner: Zurzeit läuft alles gleich ab. Die schwierige Phase wird dann eintreten, wenn es wieder richtig beginnt. Ich vermute im Herbst. Nach der Sasion macht man zwei bis drei Wochen Urlaub, danach fängt das Sommer-Training an. Derweil ist es nicht so schlimm, aber abwarten, wie es in einigen Monaten ist.

LAOLA1: Über ein Monat liegt das letzte Spiel deiner Laufbahn nun zurück: Trotz Final-Pleite mit dem KAC wurde dir ein würdiger Abschluss bereitet, sogar die Anhänger der Black Wings Linz zelebrierten dies gebührend. Welche Gefühle kamen in dir hoch?

Brandner: Es war ein sehr emotionaler Abschied! Nicht jeder Spieler kommt in den Genuss, von den gegnerischen Fans gefeiert zu werden. Es war eine schöne Geste, hat mich unendlich gefreut. Damit konnte ich, ehrlich gesagt, nicht rechnen.

LAOLA1: Glückwünsche kamen selbst vom Erzrivalen aus Villach, ein spezielle Wertschätzung. Darauf kann man durchaus stolz sein, nicht wahr?

Brandner: Stolz ist vielleicht das falsche Wort, ich bin einfach dankbar. Dass in Linz und Villach meine Verdienste wertgeschätzt wurden, war eine besondere Sache. Von Freunden hörte ich, dass aus ganz Österreich Danksagungen im Internet zu lesen waren. Was ich schön finde, ist, dass es nicht nur einer Person, sondern dem Sport galt. Ich bekam gesagt, ich hätte viel für das Eishockey geleistet. All das war sehr berührend.

LAOLA1: Der KAC erlebte eine turbulente Saison: Langzeit-Trainer Manny Viveiros musste in das zweite Glied rücken, sein Nachfolger Christian Weber verbannte dich kurzzeitig auf die Tribüne. Wie siehst du das rückblickend?

Brandner: Ich möchte darauf gar nicht eingehen. Die Mannschaft hatte viele Situationen zu meistern. Unsere Hauptaufgabe war, das aus der Kabine fernzuhalten und dadurch nicht das Spiel beeinflussen zu lassen. Vor allem ich als Kapitän bemühte mich, Ruhe rein zu bekommen. Es gab Vorfälle, die nicht leicht zu verdauen waren. Wir waren jedoch eine zusammengeschweißte Truppe, sodass die äußeren Einflüsse fern gehalten wurden. Was ich in den vergangenen vier Jahren hier erlebte, hatte ich zuvor bei keiner Station. Jeder Spieler kam mit dem anderen aus. Es war ein wirklich guter Haufen.

LAOLA1: Inwiefern reifte aufgrund dieser Geschehnisse der Entschluss, die Karriere zu beenden?

Brandner: Es war ein langer Prozess, bis ich diesen Beschluss fasste. Die Saison verlief für mich persönlich nicht zufriedenstellend. Ich spielte zu keinem Zeitpunkt, wie ich mir das vorstellte. Bereits Jahre zuvor sagte ich mir: Wenn ich ein gewisses Level nicht halten kann, ist Schluss. Mit dem ganzen Rundherum traf ich um Weihnachten die Entscheidung. Obwohl man hofft, dass es bald besser läuft. Ich spielte mein Leben lang Hockey, dementsprechend schwer war es, mir einzugestehen, dass ich diesen Punkt erreicht habe.

LAOLA1: Die Angst, nicht mehr mithalten zu können, war somit der entscheidende Faktor?

Brandner: Gar nicht so die Angst. Meine Spielweise war nie die technische. Für mich stand immer das Körperliche im Vordergrund. Vor dem Tor, in den Ecken und im Zweikampf muss man fit sein. Bei mir kam der Bandscheibenvorfall 2005 hinzu, zum Glück lernte ich damit umzugehen. Aber das kann man nicht wegzaubern. Irgendwann benötigt der Körper länger, um Verletzungen auszukurieren, ist für all das anfälliger. Man kann sich nicht wie früher in Position bringen, das merkt man irgendwann. Letztlich gilt es dann zu entscheiden: Warte ich, bis mich der Verein rausschmeißt, oder beschließe ich selbst, wann Schluss ist. Mein Mental-Coach, mit dem ich seit zwei Jahren arbeite, unterstützte mich dabei.

LAOLA1: Du sagst selbst, nie der Filigran-Techniker gewesen zu sein, dafür ein unglaublich akribischer Arbeiter. Dein Ehrgeiz führte dich bis in die NHL, manch Junger lässt diesen vermissen. Warum?

Brandner: Nicht zu selten siehst du Talente, die eigentlich fähiger wären, als man selbst. Spieler, die alle Voraussetzungen haben, allerdings nicht den nötigen Biss aufbringen. Dann gibt es das Gegenteil: Spätzünder, die erst mit 20 Jahren ins Rollen kommen. Solche haben vom Arbeitseifer manchmal eine andere Einstellung. Zwischendurch hatte ich oft das Gefühl, dass sich der ein oder andere selbst limitiert. Manche sagen, ich bin in Österreich einer der Topstars, das reicht mir. Man erhält selten den Eindruck, dass sie unbedingt woanders hinwollen. Dass es nicht einfach ist, bestreite ich nicht. Man fängt bei null an, bekommt vielleicht einen schlechteren Vertrag und muss sich neu beweisen. Trotzdem fehlt mir der Weitblick. Ob man es schafft oder nicht, ist eine andere Geschichte. Allerdings sammelt ein Spieler und Mensch so Erfahrungen. Du bist weg von der Heimat, lernst unterschiedliche Kulturen und Denkweisen kennen, das ist viel wert.

Brandner absolvierte in der NHL 35 Einsätze

LAOLA1: Die NHL ist nicht nur Eishockey, sondern „Big-Business“. War dieses „überprofessionelle“ zu kühl für dich?

Brandner: Die Professionalität war nicht das Problem. Man kann konzentriert, aber auch menschlich sein, nur dieses Business war einfach ungewohnt. Als 28-Jähriger kam ich nach Übersee, kannte das nicht. Wenn du in diesem System - das beginnt im College - aufwächst, tust du dich eventuell leichter. Ich bin ein Typ, dem so etwas nicht taugt. Aufgrund der Situation konnte ich mich nicht durchsetzen, gerade vom Kopf her. Was die Jungs wie Grabse (Anm.: Michael Grabner), die anfangs von Team zu Team geschickt werden, leisten, ist unglaublich.

LAOLA1: Du bist ein Mensch, der nie in das Rampenlicht drängte – obwohl du es dir leisten könntest. Warum so zurückhaltend?

Brandner: Zwar bin ich stolz, was ich als Spieler erreichte. Der Rummel um die eigene Person war mir aber zumeist unangenehm. Vielleicht bekam ich die Einstellung von meinem Elternhaus mitgegeben. Über die Jahrzehnte erfuhr ich, wie schnell man ganz oben oder eben unten steht. Jene Nüchternheit hatte ich immer, das half mir weiter.

LAOLA1: Mit deinem Tor gegen die San Jose Sharks wurdest du zum Vorreiter der heutigen NHL-Generation. Wie blickst du auf diesen Höhenpunkt zurück?

Brandner: (lacht) Ohne Frage war es ein Highlight. Ich kann mich noch erinnern, wie das damals war. Im Nachhinein eine total schöne Zeit. Leider konnte ich sie, da ich ein Grübler war, nicht in vollen Zügen genießen. Auf der großen Bühne aufzulaufen und dabei zu sein, wäre es eigentlich wert gewesen. Ich dachte sofort an das nächste Spiel, daran was ich besser und nicht machen sollte. Man ist in einem Trott drinnen, sodass man erst später merkt, dass es schon eine gute Zeit war.

LAOLA1: Welchen Anteil hatten die Zweifel daran, dass es bei 35 NHL-Einsätzen blieb?

Brandner: Sie waren zumindest ein Mit-Grund. Damals war ich im Jänner mental und körperlich leer. Ich musste daraufhin zurück in das Farmteam. Auf dem Niveau, wo Thomas Vanek und Grabner sind, hätte ich allerdings nicht agieren können.

LAOLA1: Diese Erfahrung möchtest du in Zukunft hoffnungsvollen Talenten deiner Hockey Academy weitergeben. Zudem strebst du ein Physiotherapie-Studium an – eine Tätigkeit im Profi-Eishockey ist derzeit nicht angedacht?

Brandner: Abwarten, was die Zeit bringt. Vorerst werde ich weiter mit den Kids arbeiten, das bereitet mir Riesen-Spaß. Mir gefällt es, mit welcher Begeisterung sie den Sport ausüben. Einfach erfrischend. Derzeit stecke ich in einem Aufnahme-Verfahren der FH Klagenfurt, ob es mit Physiotherapie wirklich klappt, entscheidet sich Mitte Juni. Endet das positiv, muss ich drei Jahre das Hirnkastl anstrengen (lacht).  Durch Verletzungen bekam ich einen Eindruck der vielen Facetten, welche dieser Bereich bietet. Nicht zwingend im Sport. Menschen kann dadurch nach Rückschlägen zu mehr Lebensqualität verholfen werden. Das imponierte mir. Eines ist klar: Dem Eishockey bleibe ich treu. Ich will im Nachwuchs etwas zurückgeben.

Das Gespräch führte Christoph Köckeis

LAOLA1: Irgendwie typisch österreichisch…

Brandner: Natürlich ist eine gewisse Mentalität vorhanden, dass man sich leicht zufrieden gibt. Doch das unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Es gibt Akteure, die den Durchbruch im Ausland nicht schaffen, weil das Talent nicht ausreicht oder der Zeitpunkt falsch gewählt wurde – da spielen einige Faktoren eine Rolle. Es muss wirklich alles zusammenpassen. Meine Entscheidungen gingen auf. Das ist Bauchgefühl, aber auch Glück. Hätte ich bei der WM in Sankt Petersburg 2000 nicht zwei Treffer gegen Finnland gemacht, hätte mich Krefeld wohl nicht gefragt, ob ich nach Deutschland wechseln möchte.

LAOLA1: Was sagte dein Bauchgefühl, als Minnesota dich im Alter von 28 Jahren kontaktierte?

Brandner: Das war lustig (lacht). Sie drafteten mich mit 27 Jahren, das war für mich damals weit weg. Ich hätte nie gedacht, dass ich irgendwann in die NHL kommen könnte. Im Sommer erhielt ich plötzlich den Anruf: "Wir hätten dich gern!" Aus welchem Grund auch immer, war ich nicht überzeugt. Einige sagten zu mir: "Du Depp, so eine Chance kriegst du nicht nochmal." Auch Minnesota meinte, es sei womöglich die letzte Möglichkeit. Ich dachte, nicht gut genug zu sein. Daraufhin wurde ich DEL-Meister und zum Spieler des Jahres gekürt, dann haben sie sich erneut gemeldet. Es war die Zeit gekommen, um in die NHL zu wechseln. Ich erreichte in Deutschland das Maximum, somit folgte der nächste und letzte Schritt.

LAOLA1: Du sprichst Selbstzweifel an. Inwiefern begleiteten dich diese über die Laufbahn? Warst du von deinen Qualitäten nicht überzeugt?

Brandner: Nein! Das war ein großes Manko, weshalb es in Nordamerika nicht klappte. Ich war immer ein Zweifler und Grübler. Nach Spielen saß ich zu Hause, überlegte, was ich falsch machte. Es standen stets die negativen Aktionen im Mittelpunkt, nicht die vielen positiven. Einerseits gut, weil du dich so vorantreibst. Ab einem gewissen Niveau allerdings hinderlich. Insbesondere bei einem System wie in der NHL, in welchem du ausgemustert wirst und Camps hast, wo keiner mit dir redet. Spieler werden weder auf gute noch schlechte Aktionen hingewiesen, sondern in das kalte Wasser geworfen. Es war für mich sehr hart. Wenn du nach Einheiten heim kommst und nicht weißt, ob das Abenteuer vorbei ist oder nicht, ist das zach. Du denkst ständig nach, machst dir Sorgen, das zehrt an den körperlichen Reserven.

LAOLA1: Welche Bedeutung nahm deine Familie ein?

Brandner: Sie gaben mir Rückhalt. Ich hatte kaum Freunde, dann wartet die kleine Tochter zu Hause, das entschädigt für vieles. Meine Frau unterstützte mich, da habe ich es wirklich gut getroffen (lacht).  Meine Familie wollte ich immer bei mir haben.