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Ein Traditionsverein im sportlichen Sinkflug

Ein Traditionsverein im sportlichen Sinkflug

Die sportliche Talfahrt des Villacher SV scheint an ihrem Tiefpunkt. Symbolisch dafür standen die Reaktionen nach der jüngsten von sechs Niederlagen en suite.

Chef-Betreuer Mike Stewart wirkte ob der Darbietung seiner gescholtenen Schützlinge bei den Graz99ers (2:5) ratlos. Auf dem Eis herrschte blankes Entsetzen. Nach zehn Spieltagen sowie ernüchternden zwei Erfolgen haben die "Adler" die Rote Laterne.

Für die Ansprüche des Traditionsvereins ein absolutes Desaster. Was sind die Ursachen für die Krise in „Blau-Weiß“?

Einkaufspolitik:

Gleich drei Hauptdarsteller suchten im Sommer das Weite. Michael Raffl (Leksands), Jonathan Ferland (Vienna Capitals) und Josh Langfeld (Karriereende) verbuchten gemeinsam sage und schreibe 151 Scorerpunkte. Wer dachte, jene Abgänge seien zu kompensieren, der irrte gewaltig. „Sie haben eine immense Anzahl an Toren (Anm: 73) geliefert“, erklärt Servus-TV-Experte Sascha Tomanek gegenüber LAOLA1, besonders die unsichtbaren Imports schmerzen: „Die Zugänge Kyle Wanvig und Lynn Loyns waren bisher Komplett-Ausfälle.“

Ein Tore, drei Assists – diese ernüchternde Bilanz des Ahornblatt-Duos lässt Kritik bezüglich der Transferpolitik laut werden. In die Verantwortung zieht der Wiener dabei Coach Stewart: „Er ist mitverantwortlich. Er muss mit dem vorhandenem Budget arbeiten, sucht sich die Leute aber auch selbst aus.“ Die erste Konsequenz wurde mittlerweile gezogen: Der Vertrag mit Lynn Lyons wurde am Mittwoch einvernehmlich aufgelöst. Nur verständlich, dass die Führungsriege den Markt neu sondiert. Ein neuer Stürmer wird nun gesucht.

Aller Voraussicht nach bleiben darf Pierre-Luc Sleigher. Zwei Treffer sind keine Offenbarung, dennoch glaubt man in Villach noch an dessen Explosion. „Er spielte in Deutschland bei Kassel gut und wird es in Zukunft bei uns ebenso machen“, ist der nun für die Pressearbeit zuständige Ex-Keeper Gert Prohaska überzeugt. Die Offensiv-Last wird der Kanadier – in der DEL mit beachtlichen 43 Zählern in 49 Spielen – aber auch künftig nicht alleine tragen können.

Formschwäche:

Im Sommer kehrte Marco Pewal von Meister Salzburg zurück in die Heimat. Prompt kam der 33-Jährige zu Kapitäns-Ehren. Der "verlorene Sohn" wurde als großer Heilsbringer gefeiert, eigentlich. Denn bislang war es keineswegs die Saison des Frohgemüts. Mit drei Punkten hinkt er der Erwartungshaltung meilenweit hinterher, zu allem Überdruss stoppte ihn nach sechs Begegnungen ein Fingerbruch. „Pewal kann Raffls Tore nicht ersetzen. Er liefert in entscheidenden Momenten wichtige Aktionen. Sein Name ist anerkannt, er ist ein Leader. Nichtsdestotrotz ist er kein Punktesammler“, sieht Tomanek wegen des unterschiedlichen Spielstils keinen gleichwertigen Ersatz.

Die fehlende Durchschlagskraft – 18 Treffer bedeuten die geringste EBEL-Ausbeute – alleine am Rückkehrer festzumachen, wäre gleichwohl zu einfach. Zuletzt strauchelte nämlich ebenso Roland Kaspitz. Nicht gerade bekannt für seine Goalgetter-Vorzüge, traf er erst einmal ins Schwarze (Vorjahr: 13 Tore). Selbst für einen Vorlagengeber (8) seiner Güteklasse eine äußert magere Bilanz. „Wenn es ihm rennt, dann wirklich. Geht es schlecht, hadert er gerne mit sich selbst und Schiedsrichter-Entscheidungen. Dafür ist er an guten Tagen um die Spur besser als andere Spieler.“

Zudem läuft Nummer-eins-Import Derek Damon der Bestform hinterher. Vergangene Spielzeit noch mit 62 Scorerpunkten hält er heuer bei lediglich zwei Volltreffern sowie drei erfolgreichen Zuspielen. Für Tomanek liegt der Grund allen Übels im Kollektiv begraben: „Jeder Einzelne hat die Hex am Schläger, sie sind als Mannschaft in der Krise. Einzig Goalie Bernhard Starkbaum nehme ich aus.“ Bezeichnend: Benjamin Petrik führt mit vier Toren die Schützenliste an.

Verunsicherung:

Es ist ein Sport-Phänomen. Vereine eilen von Sieg zu Sieg und haben keine Erklärung dafür. Gleiches gilt für Pleiten-Serien. „Das ist nicht wissenschaftlich zu belegen. Die Scheibe hupft einfach oft nicht auf deinen Schläger sondern eben zum Gegner.“ Eine Negativ-Spirale zieht klarerweise Verunsicherung nach sich. Wenig verwunderlich, dass diese beim Villacher SV nach einem halben Dutzend sieglosen Auftritten zu erkennen ist.

„Du stellst dich in solchen Situationen im eigenen Drittel eng und kompakt auf. Dadurch haben die Spieler viel Abstand zum Gegner. Wenn ich zur Bande oder zum gegnerischen Verteidiger an der blauen Linie fahre, bin ich spät dran“, für Tomanek der Anfang vom Ende. „Bist du in der Krise, verlierst du viele Zweikämpfe. Ab diesem Moment muss der nächste aushelfen und man läuft ständig hinterher.“ Für den 36-Jährigen ist damit das oftmals behäbig wirkende Verhalten zu erklären. Dem Zuschauer wird so nämlich das Gefühl vermittelt, es fehle an grundlegenden Komponenten – Ausdauer und Schnelligkeit.

„Der VSV versucht den Gegner im eigenen Drittel außen zu halten. Dadurch wirkt man deutlich langsamer und körperlich schwächer.“ Doch wie lässt sich das verheerende Torverhältnis von 2:14 im Schluss-Drittel erklären? Ebenfalls mit dem taktischen Verhalten. In Rückstand gilt es mehr Risiko zu nehmen. „Liegt man zurück, erhält man Empty-Net-Gegentreffer. Heuer haben sie einige bekommen. Ich würde es nicht an körperlichen Defiziten festmachen“, so Tomanek, der überzeugt ist: „Die Qualität dieser Mannschaft ist nicht schlecht.“

Um das Vertrauen in die eigene Stärke wiederzuerlangen, sind Erfolgserlebnisse nötig. Das weiß Prohaska, welcher im Sommer seine Goalie-Karriere beendete, ganz genau: „Es braucht vielleicht nur einen guten Save oder ein Tor. Eine Kleinigkeit kann entscheidend werden“ Alles reine Kopfsache? Nein, auch eine Frage der…

Disziplin:

Bisher kassierten die Villacher unfassbare 231 Strafminuten – damit ist man Schlusslicht dieser Wertung. Zum Vergleich: Erzrivale KAC hält als fairstes Team bei 125 Minuten. „Solche Disziplinlosigkeiten kann man beheben, da ist der Trainer gefordert. Stewart war zur aktiven Zeit kein unbeschriebenes Blatt. Natürlich ist die Frage, ob er will, dass seine Spieler so hinschnalzen“, versteht Tomanek dessen Vorgabe noch nicht. Trotz funktionierendem Penalty-Killing – mit 82,3 Prozent auf Rang drei der Liga – ist klar: Solche Scharmützel schaden der Mannschaft.

Für den Experten zeigt dieser Faktor, „inwieweit er das ganze unter Kontrolle hat. Egal wie du es drehst und wendest, diese Sache bleibt an ihm hängen.“ Erst im Sommer 2010 hing Stewart die Schlittschuhe an den Nagel. Nach einigen Monaten als Assistent Johan Strömwalls wurde der einstige VSV-Spielführer zum "Chef" befördert. „Meines Erachtens ist es letztes Jahr etwas schnell gegangen. Jetzt wird sich zeigen, ob er Head Coach ist“, betrachtet Tomanek die derzeitige Phase als eine Art Reifeprüfung. Im gleichen Wortlaut rät er dem 39-Jährigen, Zeichen zu setzen.

„Wenn ein Akteur zum dritten Mal eine unnötige Strafe bekommt, würde ich ihn eine Partie gar nicht aufstellen. Dazu braucht man die Rückendeckung des Vorstands. In Villach arbeitet man professionell, deshalb wird das Umfeld cool bleiben.“ Prohaska bestätigt diese Vermutung: „Wir halten an Mike fest, er macht gute Arbeit. Schuldzuweisungen wären der falsche Weg.“

Eine Besserung puncto Disziplin war im Auswärtsspiel gegen die 99ers schon erkennbar, dort verhängten die Unparteiischen bloß acht Minuten gegen die "Adler". Prohaska erwartet in den Ergebnissen einen baldigen Turnaround: „Es wird besser werden.“

Christoph Köckeis