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Der Wandel der grauen Maus

Der Wandel der grauen Maus

Das Licht wird gedämmt, die Eismaschine beendet soeben ihre letzte Runde, die Spieler stehen bei der Eingangstür und warten darauf, dass der Hallensprecher sie mit ihrem Vornamen auf das Eis ruft.

Ein, zwei Schritte auf dem gefrorenen Wasser und plötzlich schreien tausende Kehlen den dazugehörigen Nachnamen. Der Lärmpegel hat eine Lautstärke erreicht, in der das eigene Wort nicht mehr verstanden wird. Und das Besondere, es wurde in den letzten Wochen immer lauter. 

Graz ist unverzichtbar

Als Anfang Oktober das Gastspiel von Buffalo-Sabres-Superstar Thomas Vanek verkündet wurde, begann ein regelrechter „Run“ auf die Graz99ers-Tickets. Bei jedem Spiel wurde das „Ausverkauft“-Schild aufgehängt.

Die Eishalle Liebenau, von den Fans liebevoll Bunker getauft, war somit nicht nur mehr wegen seinen berühmt-berüchtigten Schnitzelsemmeln bekannt, sondern plötzlich berichteten auch Übersee-Medien über den 1999 gegründeten Verein.

Eishockey ist in der Steiermark aber kein neuer Sport. Der erste Grazer Verein, der sich mit dem schnellsten Mannschaftssport der Welt auseinandersetzte, war 1947 der ATSE.  Nach einigen Konkursen, Neugründungen und vielen Fragezeichen musste sich Graz entscheiden, ob sie eine Eishockey-Zukunft haben wollen.

Letzten Endes wurde ein weiterer, und vielleicht letzter, Versuch gestartet, den Hockey-Sport in Österreichs zweitgrößter Stadt salonfähig zu machen.

Ein voller Bunker ist keine Seltenheit mehr

Den Glauben nie verloren

Bis sich der sportliche Erfolg eingestellt hat, mussten jedoch einige Jahre vergehen. Letztendlich gelang es mit einem Mix aus verantwortungsbewusstem Vorstand, gestandenen heimischen Spielern und überzeugenden Legionären den Grunddurchgang der Saison 2009/2010 zu gewinnen.

Die alpenländische Hockeywelt bewunderte den Überraschungs-Ersten mit offenem Mund, um diesen nach deren Erstrunden-Ausscheiden gegen Medvescak Zagreb weiterhin nicht schließen zu wollen.

Die Steirer als Playoff-Mannschaft zu bezeichnen, wäre, salopp gesagt, falsch. Die 99ers sind unangefochtener Führender des Erstrunden-Ausscheidens. Seit ihrer Neugründung haben es die Schwarz-Orangen noch nie in die zweite Playoff-Phase geschafft.

Nach so vielen Tiefschlägen, wie sie die Murstädter schon erleben mussten, kam aber ein Wort nie über die Lippen der Entscheidungsträger: Resignation.

Das „Nicht-Aufgeben-Wollen“ ist im Sport ein wesentlicher Punkt für den Erfolg. Die 99ers haben dies mehr als deutlich vorexerziert und ernten nun die Früchte ihrer Hartnäckigkeit. Aktuell befinden sie sich auf dem vierten Tabellenrang, zudem wurden seit dem International Break alle fünf Partien gewonnen, der Abstand auf einen Nicht-Playoff-Platz vergrößert und das Zuschauerinteresse ist auch ohne Vanek so, als wäre es nie anders gewesen.

Der Star ist die Mannschaft

Eigentlich sollte von einem Kollektiv niemand hervorgehoben werden, wenn aber doch, dann müssen dies Olivier Latendresse, Jean-Michel Daoust und Greg Day sein. Alle drei gemeinsam haben in den letzten fünf Spielen 20 Punkte bei 22 Treffern erzielt.

Aber nicht nur die Offensive weiß zu glänzen. Trainer Mario Richer hat mit Frederic Cloutier einen wahren Hexer im Gehäuse. 91,33 Prozent aller Schüsse konnte der Kanadier entschärfen. Und eine weitere Tabelle führen die Graz99ers ganz überlegen an: die Strafenstatistik.

Die 99ers teilen heuer sehr gerne aus

In 24 Spielen bekamen die 99ers 762 Minuten aufgebrummt, pro Spiel bekommen sie 31,75 Strafminuten.

Steirer-Blut ist kein Himbeersaft

Sind die Gegner Jahre zuvor in den Bunker gefahren und sprachen nur von der Höhe des Sieges, so kann diese Aussage getrost als antiquiert bezeichnet werden. Die Graz99ers haben den Wandel von der grauen Maus der Liga zu einem ernsthaften Mitstreiter gekonnt bewältigt.

Ein Wechsel nach Graz ist daher nicht mehr die letzte Station vor der Hockey-Pension, sondern vielmehr ist es ein Karriereschritt geworden. Für die Liga hat sich der steirische Sturkopf als positiv bewehrt.

Und mal schauen, wie es weiter geht. Der Sinn einer Serie ist das Brechen von jener. Bis dato haben sie die erste Playoff-Runde noch nie überstanden, somit wird es auch Zeit, hier auf stur zu schalten.

 

Alexander Planasch