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Was bisher schief lief und nun besser werden soll...

Was bisher schief lief und nun besser werden soll...

Die Nachricht schlug am Sonntag wie ein Bombe ein: Tom Pokel ist nicht mehr Trainer der Vienna Capitals.

"Wir haben uns sehr kurzfristig zu diesem Schritt entschlossen. Jim hat sich sofort bereiterklärt, nach Wien zu kommen. Hans Schmid tauscht normalerweise keinen Trainer unter der Saison aus. Wir sind aber von der Richtigkeit dieses Schritts überzeugt", so Manager Franz Kalla.

Eine Ablöse, fünf Runden vor den Playoffs, und das bei den bekannt vertragstreuen Wienern. LAOLA1 befasst sich mit den Aspekten der Rochade von Pokel zu Ex-Meistermacher Jim Boni: 

Ein Trainerwechsel fünf Runden vor Schluss, das ist doch Aktionismus, oder?

Capitals-Präsident Hans Schmid und Aktionismus in einem Satz – so wahrscheinlich wie Richard Lugner und mediale Zurückhaltung.

Grundsätzlich steht für Schmid Vertragstreue immer im Vordergrund, selbst wenn diese für Außenstehende eher keinen Sinn mehr ergibt (siehe das letzte Jahr unter Kevin Gaudet nach dem Halbfinal-Supergau gegen Linz).

Wenn man Schmid und seinem GM Franz Kalla einen Fehler nachsagen darf, ist es der, dass man Probleme eher zu lange fermentieren lässt und man bei (tatsächlichen oder angenommenen) Fehlverhalten nicht rechtzeitig gegensteuert.

Die Kluft zwischen Tom Pokel und seinem Team war schon seit Wochen augenscheinlich, allerdings besiegelten erst die beiden letzten Heim-Niederlagen das Schicksal des Bozner Meistermachers. 

Auch die dramatisch sinkenden Zuschauerzahlen der letzten Heimspiele, sowie das sich abzeichnende abermalige Scheitern in den Viertelfinals (mit dem dadurch bedingten Finanzloch) machten ein Handeln unerläßlich. Der Vertrag Pokels läuft ohnehin mit Saisonende aus, die Option lag alleine auf Klubseite.

Tom Pokel wirkte zuletzt ausgebrannt

Hätte Tom Pokel nicht auch noch den Turnaround schaffen können? In den Playoffs geht es ohnehin wieder bei Null los!

Alles möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Die Formkurve der Mannschaft als Ganzes ging zuletzt dramatisch nach unten, nicht nur Spieler wie Florian Iberer, Matt Watkins, Jon Ferland oder Patrick Peter zeigten im Verlauf der Saison eine dramatische Rückentwicklung. Zuletzt schwächelte mit Kris Foucault auch die einzige schnittige Waffe im einem Team ohne großen Offensiv-Espirit.

Die Defensiv-Stärke des Saisonbeginns ging ebenfalls völlig verloren, bezeichnend dass man zuletzt Führungen in der Schlussphase gegen Teams wie Znojmo oder Fehervar nicht mehr über die Bühne brachte. Die Mannschaft wirkte mental fragil und ohne Zusammengehörigkeitsgefühl.

Baustellen auf dem Eis wohin man schaut, zuletzt lief ein Einheitsbrei-Team auf, bei dem man die erste von der vierten Linie nicht mehr unterscheiden konnte.

Verletzungen konnten nicht mehr als Ausrede herhalten, wer mit Nationalspieler Mario Fischer und Legionär Danny Bois in der (nominell) vierten Linie auflaufen kann, hat selbst bei Ausfällen genug Tiefe im Kader.

Wurde das Team zu Beginn überschätzt? Haben die vielen 2:1-Siege über den wahren Leistungsstand hinweggetäuscht?

Meiner Meinung nach nicht. Sicher gehörte Glück dazu, doch auch andere Ligacoaches waren von der Truppe angetan und sahen sie als Salzburg-Herausforderer.

Das hätte sich im Laufe der Saison vielleicht etwas abgeschliffen, die Roten Bullen oder auch Linz verfügen einfach über größere (offensive) Klasse im Kader. Doch der komplette Einbruch war für niemanden zu erwarten und ist auch nicht einfach zu erklären.

Teil des Problems: Die Nachverpflichtungen (Andreas Nödl, Nicolas Deschamps, Danny Bois, Ken Magowan) blieben mehr oder minder wirkungslos und dürften der Kabinen-Hygiene auch nicht gerade gutgetan haben.

Nödl wirkt neben guten Auftritten zeitweise arg enigmatisch, Deschamps war ein Mega-Flop, der spielerisch limitierte Bois wurde sogar in England vor die Tür gesetzt. Lediglich Magowan gab etwas Anlass zur Hoffnung.

Einige Neuverpflichtungen - wie etwa wie Nödl - schlugen nicht ein

Was muss sich Pokel vorwerfen lassen?

Es ist nicht zu beschönigen: Er hat das Team verloren. Freunde hat er sich mit seinem (zu) selbstbewussten Auftreten von Haus aus nicht gemacht. Der Titel mit Bozen dürfte ihm nicht gutgetan haben.

Aussage eines Spielers: „He sucks the life out of the room.”  Pokels Wutrede nach der Heim-Niederlage gegen Innsbruck mit dem Kernsatz "Alle Legionäre sind überbezahlt" kam natürlich auch entsprechend gut an...

Auch der von Spielerseite öfters gebrauchte Terminus "Pokel-Typ" für Cracks war nicht als Kompliment gedacht, es sind damit vor allem limitierte Arbeiter wie Peter MacArthur gemeint. Zuletzt rotierte Pokel auf der Center-Pposition mit MacArthur, Watkins, Bois und Michael Schiechl vier Spieler, die bei allem Eifer nach gehobenen EBEL-Maßstäben alle (höchstens) Drittlinien-Niveau aufweisen.

Neuverpflichtungen schlugen nicht ein

Das - sowie die zahlreichen Nachverpflichtungen - deuten darauf hin, dass die Spieler-Rekrutierung nicht hingehauen hat. Wie alle seine Vorgänger war Pokel auch de facto Sportdirektor, auch wenn das nie so kommuniziert worden ist.

Er hatte das letzte Wort bei Zu- und Abgängen, auch wenn er immer wieder auf ein Trio mit Co-Trainer Phil Horsky und Kalla hinwies. Wohgemerkt, bei einem jährlichen Spieler-Turnover wie in Wien ist es nur schwer vermeidbar, dass ein oder zwei Spieler nicht entsprechen, nur irgendwo gingen in dieser Troika die Hausaufgaben verloren.

In Straubing wundert man sich immer noch, dass niemand wegen Auskünften zu Deschamps – schon dort jeden Zweikampf scheuend – den Telefonhörer zur Hand genommen hat.

Allerdings: MacArthur kommt aus dem Discounter-Regal, Watkins wäre als eingeplanter Erstlinien-Center auch ein Schnäppchen gewesen, Naglich hat sich gegenüber seinen Fehervar-Zeiten auch nicht finanziell verbessert.  Einzig bei Verteidiger Brett Carson und dem längst wieder verabschiedeten Hugh Jessiman (wurde seinem schlechten Ruf gerecht)  konnte Pokel auf bessere Mittel zurückgreifen.

Wie kam Pokel zum Wien-Job? War Meistertitel in Bozen nur "Flash in the pan"?

Die Caps-Trainersuche im letzten Sommer erstreckte sich über Monate, die Gründe dafür waren vielfältig:

Die Parameter – Nordamerikaner mit langjähriger Headcoach-Erfahrung auf gutem Niveau (wenn möglich Europa-Erfahrung), gute Übersicht des Spielermarktes – spülten schon viele der knapp 80 Anwärter über Bord.

Von denen, die übrigblieben, akzeptierten einige einen Einjahresvertrag nicht, anderen kostete das Salär bei den caps nur ein müdes Lächeln. Wohlgemerkt: Coaches in Wien sind im internationalen Vergleich gut, aber keineswegs überragend bezahlt. Ein unbestrittener Spitzenmann - wie etwa Geoff Ward - löste seinen NHL-Vertrag in Boston nur für eine zahlungskräftige Organisation wie Mannheim auf, auch ein Larry Huras wartete lieber Angebote wie aus Ingolstadt ab.

Pokels Finalsieg, mit dem im TV oft trompeteten nicht vorhandenen Staff (kein Co- oder Tormann-Trainer), ließen seine Aktien bei Schmid steigen, er kam aber erst aufgrund einiger Absagen zum Zug, die Verhandlungen verliefen ziemlich unkompliziert.

Der Titel in Bozen – für mich ein kleines "Miracle on Ice" – wird immer mit Pokels Namen verbunden bleiben und das zu Recht.

Bozen ist nicht mit Wien zu vergleichen

Sein größter Coup: Er schaffte es, den nicht leicht zu handelnden Bozen-Macher Dieter Knoll bei Late-Night-Dinnern auf seine Seite zu ziehen und ihm so einige personelle Manöver zu vermitteln. Sein Nachfolger Mario Simioni hingegen hat um 22 Uhr schon immer den Pyjama an und daher bei Knoll von Haus aus keine guten Karten.

Doch in Bozen verfügte Pokel auch über einen Stamm an Einheimischen und Italo-Kanadiern, die einerseits für Hingabe zum Verein, andrerseits für die nötige Tiefe im Kader sorgten. Und auch die Geschichten von der Billig-Truppe aus Bozen erwiesen sich aufgrund der großzügigen Prämien (verdoppelten oft die Gehälter) bald als Mär.

Überhaupt sind die Verhältnisse zwischen Bozen und Wien – auf und abseits des Eisrinks – viel zu verschieden, um hier Parallelen ziehen zu können. Den Erfolg 1:1 zu übertragen, konnte daher auch nicht erwartet werden, solche Hinweise gab es genug.

Bei seiner nächsten Station muss Pokel beweisen, dass er der Meistercoach von Bozen ist und nicht – wie die Jahre zuvor – nach dem alten Western-Motto "Have gun, will travel" fast jeden Job annahm, der ihm unterkam. Doch zwischen Bozen und den Caps gibt es genug Schattierungen, in denen Pokel sein Glück finden sollte, es gibt sicher weit leichtere Märkte als Wien. Allerdings wäre ein Comeback in Bozen im Sommer die logischte Variante.

Der Meistercoach soll es richten

Die Erwartungen an Jim Boni?

Die Caps sind nicht der erste Verein, der seinen ehemaligen Meistercoach (der einzige der Vereinsgeschichte) recycelt. War das Aufhängen des Meisterbanners in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vor Wochen schon eine Quasi-Friedensflagge für Jim Boni?

Im Sommer war er bei den capitals nämlich – nach gewissen Unstimmigkeiten bei seinem Abgang vor Jahren – noch ein No-Go-Trainer. Allerdings wollte er auch – nicht zuletzt aus familiären Gründen – eine Pause einlegen. Doch für ein reizvolles EBEL-Angebot stand er immer Gewehr bei Fuß.

In Ingolstadt war Boni zuletzt Sportdirektor, er wollte aber unbedingt wieder coachen, denn "Hands off" war er gegenüber seinen Trainern nicht gerade. Er hat jedenfalls die Erste bank Eishockey Liga nie aus den Augen verloren und kennt den nordamerikanischen Spielermarkt sehr gut. Beides sollte auch sein Sabbatical (=Sonderurlaub) nicht geändert haben.

Allerdings: Beim ERC (mit "Audi" und "Saturn" im Rücken) kaufte Boni in Preisklassen ein, die für die Caps unerschwinglich sind. Den Spagat, das Team durch die Champions League zu schleifen, in der EBEL stets an der Spitze mitzuspielen und dabei noch den Nachwuchs einzubauen, muss auch er erst schaffen. Doch das ist noch Zukunftsmusik.

Motivationskünste sind gefragt

Kurzfristig sind Bonis Motivatorkünste gefragt. In welche Richtung es bei ihm taktisch geht, ist schwer zu sagen, schließlich coachte er zuletzt in der Saison 2008/09 (Black Wings Linz) über eine ganze Saison hinweg. Da war der jetzige Linz-Manager Christian Perthaler noch Spieler, seitdem hat sich die EBEL natürlich enorm weiterentwickelt.

Die Videoarbeit wird er sicher weiter Assistent Horsky überlassen, der sich bei all seinen Aufgaben im Klub und einer immensen Arbeitsmoral fast ein Not-Biwag in der Halle errichten muss. Der Verein tat sich und Horsky sicher keinen Gefallen damit, dass er auch in die Legionärssuche eingebunden war. Diese Aufgabe wird Boni - sollte er über die Saison hinaus bleiben - sicher selbst übernehmen.

Boni, seit dem Meistertitel natürlich ein Fanliebling, sollte der Truppe und dem Anhang wenigstens wieder mehr Hoffnung für das Viertelfinale einhauchen können, ein vorzeitiges Saison-Aus hätte sicher schwerwiegende Folgen für das Spieljahr 2015/16.

Im Gegensatz zu seinen letzten Jahr in Wien (endete 2006/07 mit einer Halbfinal-Niederlage) hätten Bonis Worte bei einem guten Saisonende - und einem dadurch logischen Verbleib - sicher mehr Gewicht als damals.