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Videobeweis - Fluch oder Segen?

Videobeweis - Fluch oder Segen?

Dienstag, Boca Raton, Florida: Die NHL-General Manager stellen einige Ideen zu Regeländerungen vor, darunter die Möglichkeit zum Videobeweis bei Torhüterbehinderung.

Mittwoch, Albert-Schultz-Halle, Wien: Die Vienna Capitals steigen durch das 2:1 nach Verlängerung gegen Fehervar ins EBEL-Semifinale auf. Der Ausgleich durch Brett Carson knapp drei Minuten vor dem Ende wird erst nach langem Videostudium anerkannt.

Wurde Goalie Miklas Rajna hier behindert? Schiri Piragic drehte jedenfalls seine ursprüngliche Entscheidung (kein Tor wegen Torraumabseits) um.

Was sind die Parallelen und Unterschiede zwischen dem NHL- und dem EBEL-Regelwerk? Und waren die Entscheidungen der letzten Spiele in Wien ok oder nicht? LAOLA1 klärt auf.

Vier geplante Änderungen

Gleich zur Erklärung: Die Ergebnisse der NHL-GM-Meetings haben lediglich Vorschlagscharakter, müssen sie doch noch im nächsten Sommer von der Spielergewerkschaft und dem NHL Competition Committee abgesegnet und dann vom Board of Governors ratifiziert werden - alles andere als eine Formsache.

Doch folgende Änderungen könnte es in der nächsten NHL-Saison geben:

Verschiedene Regelvarianten bei Faceoffs
  • Bei allen Faceoffs muss der Verteidiger den Stock zuerst aufs Eis geben (bis jetzt der Center des Gastteams und damit unterschiedlich zum europäischen Eishockey).
  • Die 3-3-Overtime soll eingeführt werden – entweder gleich fünf Minuten oder nach AHL-Muster erst (mindestens) drei Minuten 4-4, dann (nach der ersten Spielunterbrechung) 3-3.
  • Strafen wegen Rausschießens des Pucks über die Bande sollen zukünftig vom War Room in Toronto bei Bedarf überprüft werden können.
  • Wohl am wichtigsten: Torhüterbehinderung kann von den Schiris per Video überprüft werden, allerdings erst durch Verlangen des Trainers („Coach’s Challenge“).

Wie gesagt, alles noch Zukunftsmusik, doch vor allem die Überprüfung von umstrittenen Toren könnte wieder ein Stückchen erweitert werden.

Schon in dieser Saison wurden dem War Room erweiterte Kompetenzen zugeteilt: Mittels einer äußerst schwammigen Formulierung können die Beobacher in Toronto entscheiden, ob ein Tor kein „Good Hockey Goal“ war.

Anlass dafür war unter anderem ein Spiel der Saison 13/14, als die LA Kings einen Treffer einstecken mussten, nachdem der Puck zuvor klar das Hintertornetz berührt hatte. Jeder hatte es gesehen, nur die Refs nicht und ein Videobeweis war hier nicht zulässig.

Möglichkeit zum Videobeweis nicht immer hilfreich

Doch diese neue Entscheidungsgewalt ist nicht immer hilfreich: Die Kings waren heuer wieder in ein solches Spiel involviert, als die Dallas Stars ein ähnliches Tor erzielten.

Die Kings reklamierten lautstark, dass der Puck zuvor aus dem Spiel war, die verunsicherten Refs riefen in Toronto an. Die Antwort von dort: „Sorry, wir können euch nicht helfen, der Zeitraum zwischen dieser Szene und dem Tor war zu lange. Ihr müsst selbst die Entscheidung treffen.“

Das taten sie auch – „Kein Tor“, aber diese (Nicht)-Hilfe war symptomatisch für Video Reviews: Alles was nicht dezidiert festgehalten ist, kann nur zu noch größerer Verwirrung führen.

Muss das Tor gleich nach dem Netztreffer fallen? Was ist mit zwei Sekunden später? Zwei Pässen später? Ein Rebound liegt dazwischen? Alles sehr nebulös ...

Brett Carsons Treffer sorgte für Diskussionen

Ähnliche Probleme in der EBEL

Eine ähnliche Problematik gibt es, wenn es um die Torhüterbehinderung geht. Die EBEL nahm erst im letzten Sommer die folgenden zwei Punkte in ihren Videobeweis-Katalog auf:

  • „Prüfung, ob ein angreifender Spieler entweder durch seine Position oder durch direkten Kontakt die Möglichkeit des Torhüters beeinträchtigt, sich innerhalb des Torraums frei zu bewegen oder sein Tor zu verteidigen.“
  • „Prüfung, ob ein angreifender Spieler entweder absichtlich oder unabsichtlich einen Kontakt mit dem Torhüter – innerhalb oder außerhalb des Torraumes – herstellt.“

Da geht es vor allem um die Regeln 94, 95, 151, 184, 185 und 186 des Regelbuchs, die sich alle mit dem Torhüter und seinen Rechten innerhalb und außerhalb des Torraums beschäftigen. Die Regeln wurden hier im Gegensatz zu früher etwas besser definiert, aber natürlich sind Torraumgewusel in Realgeschwindigkeit für die Refs kaum zu überblicken.

Verständlich also, dass die EBEL (so wie die DEL oder die NLA) hier auf Videobeweise zurückgreift, doch umgekehrt ist auch nachzuvollziehen, warum die NHL hier seit Jahren zögert: Video Reviews sollen ja für klare Entscheidungen herzogen werden, wenn es um Gedränge um den Torkreis geht, sind sich oft selbst die Fachleute nicht einig und viele Entscheidungen sind reine Interpretationssache.

Zulässig oder nicht

Man stelle sich etwa in der EBEL folgende Szene vor: Villachs J-P Lamoureux wird über den Haufen gefahren, rappelt sich aber wieder auf, zetert lautstark Richtung Schiri, zwei Spielzüge später fällt ein Tor gegen ihn.

Das Foul wäre im Video zwar unstrittig, doch wie weit steht das im Zusammenhang mit dem Treffer Sekunden später? Dürften die Refs da überhaupt zum Video gehen?

Umstrittene Entscheidung bei Caps-Tor

Nochmals zum Wiener Ausgleichstreffer am Mittwoch: Raffi Rotter brachte den Puck irgendwie in den Torraum, wo Matt Watkins, Kris Foucault und Brett Carson so lange nachstocherten, bis die Scheibe im Tor war. Schiri Trpimir Piragic, der schon den ganzen Abend dem neben sich stehenden Peter Gebei aushelfen musste, zeigte sofort und energisch: „Kein Tor, Torraumabseits“.

Nach langem Videobeweis drehte er seine Entscheidung aber um, die wahrscheinlichste Erklärung: Die Wiener Spieler waren erst nach dem Puck im Torraum (kein Torraumabseits), Goalie Miklos Rajna hatte die Scheibe nie unter Kontrolle und wurde auch nicht behindert.

Überraschend, aber keineswegs kategorisch falsch. Doch schon hier zeigt sich die Problematik eines Videobeweises: Piragic konnte zwar nach dem Reglement überprüfen, ob Rajna behindert wurde, doch fällt das reine Torraumabseits (Spieler vor dem Puck im Torraum), das er zuerst anzeigte, auch in diese Kategorie?

Fehler bei "Euro Ice Hockey Challenge"

Kein Wunder also, dass die IIHF bei ihren Turnieren diese Szenen vorläufig auch nicht per Videobeweis untersuchen läßt.

Bei der „Euro Ice Hockey Challenge“ im Februar in Wien griffen allerdings die EBEL-Schiris Manuel Nikolic und Thomas Berneker bei einer solchen Szene aufs Video zurück – würden sie das bei einer WM auch tun, hätten sie sicher schon ihr letztes Turnierspiel gepfiffen.

Folgende Szenen sind lauf IIHF-Regelbuch per Video zu überprüfen:

Shane Warshaw verlor den Durchblick
  • Hat der Puck die Linie überschritten?
  • Wurde das Torgehäuse vor dem erzielten Tor verschoben?
  • Ist die Zeit vor dem erzielten Tor bereits abgelaufen?
  • Wurde das Tor mit der Hand oder einer Kickbewegung erzielt?
  • Wurde der Puck von einem Referee ins Tor abgelenkt?
  • Wurde das Tor mit einem hohen Stock (über der Höhe der Querlatte) erzielt?

Wohl am wichtigsten: Torhüterbehinderung kann von den Schiris per Video überprüft werden, allerdings erst durch Verlangen des Trainers („Coach’s Challenge“).Wohl am wichtigsten: Torhüterbehinderung kann von den Schiris per Video überprüft werden, allerdings erst durch Verlangen des Trainers („Coach’s Challenge“).

Das schließt also alle anderen Szenen für Videobeweise dezidiert aus.

Beispiel dafür: Vor zwei Jahren erzielte John Hughes in der Viertelfinalserie gegen Linz einen umstrittenen Treffer. Er lenkte einen Schuss von der blauen Linie mit dem (halb)hohen Stock ab, Goalie David LeNeveu mit dem Save, Hughes verwandelte dann seinen eigenen Rebound.

Schiri Ladislav Smetana bediente sich des Videos, was nicht zulässig war: Direkte Tore mit dem Hohen Stock sind natürlich zu überprüfen, aber keineswegs Szenen wie diese.

Noch dazu gilt ja bei einem „normalen“ Hohen Stock nicht die Querlatte, sondern die Schulterhöhe als Maßstab. Zur Erleichterung aller blieb Smetana damals bei seiner richtigen Entscheidung und erkannte den Treffer an.

Puck aus den Augen verloren

Profitierten die Caps gestern von einer umstrittenen Entscheidung, sah es im letzten Heimspiel noch anders aus. Schiri Shane Warshaw verlor den Puck aus den Augen und fand ihn erst wieder, als er abgepfiffen hatte und dieser im Tor lag.

Nie lustig für einen Referee, kommt aber in den besten Familien vor. Die NHL gibt ihren Schiedsrichtern da ein Hilfsmittel mit: „Intention to blow the whistle“ – wenn der Schri abpfeifen wollte, spielt es keine Rolle, ob der Pfiff vor oder nach dem Tor erfolgte.

Das gilt in Europa nicht, Warshaw warf dann kurz die Nerven weg und zeigte „Videobeweis“. Er verzichtete dann doch darauf, keiner der oben angeführten Parameter hätte auf diese Szene zugetroffen.

Sein Pfiff erfolgte eher nach dem erzielten Tor, einzige Erklärung für das Nichtanerkennen des Tores war wohl, dass er die Scheibe von Goalie Engstrand vor Foucaults Nachstochern schon arritiert sah. Insgesamt aber eine haarige und nicht optimal gelöste Enscheidung…

Bleibt nur zu hoffen, dass die nächsten Playoffspiele weniger umstrittene Situationen mit sich bringen und die Schiris die Videoregeln intus haben. Doch verlassen würde ich mich nicht darauf ...