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"Ein besseres Ende hätte es nicht geben können"

Zehn Jahre liegt der Rücktritt von Pete Sampras bereits zurück.

Ein Rücktritt, der perfekter nicht hätte ausfallen können.

Mit dem Triumph bei den US Open, seinem insgesamt 14. Grand-Slam-Titel, zog sich der damals 31-jährige Superstar von der ATP-Tour zurück.

Die damalige Rekordmarke hat Roger Federer, der aktuell bei 17 Major-Siegen hält, zwar pulverisiert, trotzdem wird Sampras‘ Finalsieg über Dauer-Rivalen Andre Agassi auf ewig seinen Fixpunkt in den Tennis-Annalen haben.

Denn wer verabschiedet sich schon mit einem Grand-Slam-Sieg in die Tennis-Pension?

Sampras wurde Rücktritt nahegelegt

Dabei wurde Sampras der Rücktritt schon vor den US Open 2002 mehrmals nahegelegt. Nach seinem siebenten Wimbledon-Sieg im Jahr 2000 wollte es einfach nicht mehr mit seinem 64. ATP-Titel klappen – bis Flushing Meadows 2002!

„Ich habe kaum mehr auf die Straße gehen können, ohne dass mich jemand gefragt hätte, wann ich denn nun meine Karriere beenden würde“, erinnert sich Sampras in einem ESPN-Interview an diese schwierigen Zeiten zurück.

„Nach einem Jahr habe ich mir schon gedacht: ‚Bin ich der Einzige, der es noch nicht begriffen hat, dass ich lieber zurücktreten sollte?‘“

„Tiefpunkt meiner Karriere“

Besonders nach seinem Zweitrunden-Aus in Wimbledon gegen den Schweizer George Bastl war Sampras am Boden zerstört. „Da war ich am Tiefpunkt meiner Karriere.“

Doch so wollte der Mann, der 286 Wochen lang die Herren-Weltrangliste anführte, nicht seine Karriere beenden.  Sampras kontaktierte seinen langjährigen Trainer Paul Annacone, der ihn bereits von 1995 bis 2001 betreut hatte und damals  für den US-Tennis-Verband arbeitete.

„Habe ein bisschen Liebe gebraucht“

„Ich habe ein bisschen Liebe gebraucht“, scherzte Sampras. „Es ging nicht darum, wie ich die Vor- oder Rückhand schlagen muss – mir fehlte einfach das Vertrauen. Und ich wollte doch noch unbedingt ein Major gewinnen.“

Annacone wusste, woran es haperte: „Nach dem Bastl-Match hatten wir ein langes Gespräch miteinander. Wenn man als Pete Sampras eine so lange Zeit kein Turnier mehr gewinnt, kommt man in eine Negativ-Spirale. Selbst wenn du nur zwei Prozent deines Selbstvertrauens einbüßt – das ist auf diesem Level schon zu viel!“

Sampras gesteht: „Ich habe mich dauernd selbst hinterfragt. Paul hat mir dann geraten, mich auf das zu konzentrieren, was ich schon alles geschafft habe und den Rest beiseite zu lassen.“

Vorläufig war allerdings keine Steigerung in seinem Spiel zu merken. In Cincinnati und Long Island setzte es jeweils frühe Niederlagen gegen Spieler wie Wayne Arthurs oder Paul Henri-Mathieu.

„Ich war trotzdem zu 100 Prozent überzeugt, dass er noch ein Major gewinnen kann“, so Annacone, der allerdings zugibt: „Ich hätte nicht gedacht, dass dies schon sechs Wochen später passiert.“

Wendepunkt gegen Rusedski

Der Wendepunkt kam in der dritten Runde der US Open, als Sampras gegen Aufschlag-Kanonier Greg Rusedski kurz vor dem Aus stand, den Briten aber schließlich doch noch in fünf Sätzen niederringen konnte.

„Da hatte ich viel Glück“, weiß Sampras. „Ich habe noch nie gerne gegen aufschlagstarke Leftys gespielt. Ich bin aber durchgekommen und habe gemerkt, dass ich nicht so leicht zu schlagen bin.“

In Folge bissen sich auch Tommy Haas und der damals erst 20 Jahre junge Andy Roddick, der in dieser Woche selbst seine Karriere in Flushing Meadows beendete, am wieder erstarkten „Pistol Pete“ die Zähne aus.

„Ab diesem Zeitpunkt hatte ich wieder das Gefühl, dass ich jedes Match als Favorit beginne. Und so sollte man sich als 13-facher Grand-Slam-Sieger ja auch fühlen.“

Gipfeltreffen mit Dauer-Rivale Agassi

Nach einem glatten Drei-Satz-Sieg über Überraschungsmann Sjeng Schalken kam es schließlich im Endspiel zum großen Gipfeltreffen zwischen Sampras und Agassi. Es war das bereits 34. Duell zwischen den beiden Tennis-Legenden, die eine ganze Generation geprägt hatten.

Und zum 20. Mal hieß der Sieger Pete Sampras. Mit 6:3, 6:4, 5:7, 6:4 trug sich der Sohn griechischer Einwanderer als ältester Spieler seit Ken Rosewall 1970 in die Siegerliste der US Open ein.

Karriereende war noch offen

Dass dies sein letztes Match auf der ATP-Tour werden würde, wusste Sampras zu diesem Zeitpunkt noch nicht. „Er traf die Entscheidung erst nach einigen Monaten. Zuerst wollte er nach dem Finale gleich wieder mit dem Training anfangen, doch nach vier Tagen hatte er keine Lust mehr“, erinnerte sich Annacone.

Nach zahlreichen Diskussionen mit seiner Frau Bridgette, die kurz nach dem US-Open-Finale Sohn Christian auf die Welt brachte, entschied er sich, auf den Saisonstart in Australien zu verzichten.

„Nach den US Open wusste ich nicht, was als nächstes kommen sollte“, so Sampras. „Ich habe trainiert und mir dabei gedacht: ‚Was mache ich hier jetzt eigentlich noch? Wofür trainiere ich?‘“

Im März 2003 konfrontierte Sampras seinen Coach erstmals mit seinen Rücktritts-Gedanken. „Ich habe gespielt, um es mir selbst noch einmal zu beweisen. Die anderen und irgendwelche Rekordbücher waren nicht wichtig für mich. Ich habe eine großartige Frau, ein großartiges Leben und bin glücklich“, fehlte Sampras das nötige Feuer.

Sampras hält sich beim Golf in Form

Hundertprozentig sicher war er sich aber erst nach Wimbledon. „Ich habe zugeschaut und es keinen Deut vermisst. Da wusste ich, dass ich mit dem Tennis-Sport fertig bin.“

Mittlerweile verbringt Sampras mehr Zeit auf dem Golf- als auf dem Tennisplatz. Dank seines immer noch vorhandenen Ehrgeizes hat er sein Handicap auf 3 gesenkt.

„Ich versuche immer noch, mich in Form zu zu halten. Dafür sorgen aber auch meine Burschen“, lächelt Sampras, der viel Zeit mit seinen Söhnen Christian (9 Jahre) und Ryan (7 Jahre) verbringt.

„Twitter hätte mich wahnsinnig gemacht“

Mit seiner Familie wird er aber natürlich auch das Herren-Finale am Sonntag anschauen. Und Vergleiche zu seiner aktiven Zeit ziehen. „Zehn Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Es hat sich viel verändert“, beobachtet Sampras die aktuellen Trends.

„Twitter hätte mich wahrscheinlich wahnsinnig gemacht. Ich hätte mein Iphone wohl einfach im Meer versenkt“, bewundert er die Fan-Nähe der meisten Tennis-Stars.

Auf seine damaligen Leistungen ist Sampras aber trotzdem weiterhin sehr stolz. „Die Leute haben mich abgeschrieben, ich habe aber weiter an mich geglaubt und mir mein Selbstvertrauen wieder erarbeitet. Ich habe mein erstes und  letztes Major an jenem Platz gewonnen, der mein Leben verändert hat. Ein besseres Ende hätte es nicht geben können.“

Christian Frühwald