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Melzer: "Es ist ein Teufelskreis"

Melzer:

Nach einer der bittersten Niederlagen seiner Karriere ist Jürgen Melzer eine ganze Weile nicht in der Garderobe erschienen.

"Ich bin hinten auf einem Baumstamm gesessen", sagte Melzer am späten Mittwochabend (Ortszeit) in Flushing Meadows.

Etwas mehr als eine Stunde zuvor hatte er sich dem unbekannten US-Qualifikanten Bradley Klahn nach 3:34 Stunden in der ersten US-Open-Runde mit 6:4,3:6,5:7,7:5,4:6 beugen müssen.

Als Nummer 36 der Welt gegen die Nummer 489.

Eine Frage des Selbstvertrauen

Wie man dies jemandem erklärt, der das Spiel nicht gesehen hat? "Er ist ohne Satzverlust durch die Qualifikation gegangen, der kann spielen. Dass ich normal gegen ihn gewinnen muss, steht ja außer Frage. Einfach zu erklären ist es nicht", meinte Österreichs Nummer eins.

Klahn habe nach seinem kleinen Lauf in der Qualifikation viel Selbstvertrauen getankt und Melzer selbst habe aktuell überhaupt kein Selbstvertrauen.

"Im Endeffekt erklärt man es so, dass ich derzeit nicht so spiele wie eine Nummer 36 der Welt."

Es läuft nicht

Diese Niederlage tut ihm besonders weh, auch wenn die Begründung dafür eher darin zu suchen ist, dass er "im Moment einfach nicht gut genug" spielt.

"Es ist einfach der Wurm drinnen. Man versucht die ganze Zeit, das ist das Zermürbende, rauszufinden, wie du wieder auf diese Siegerstraße kommst. Wenn du heute gegen einen Qualifikanten spielst, der auf der Tour noch nie ein Match gewonnen hat, dann hilft der Druck, den man sich selbst macht, natürlich auch nicht."

"Der Stachel sitzt tief"

Die Krise währt nun doch schon länger, hat auch mit diversen Verletzungen zu tun.

Seit Melzer im Februar überraschend das ATP-500-Turnier in Memphis gewonnen hat, hat er in 14 Turnieren (inklusive Olympia und US Open) keine zwei Matches en suite gewonnen.

"Das ist ein Teufelskreis, in dem man sich befindet." Gerade jetzt hätte ihm ein Sieg bei den US Open gutgetan - und dann so eine Schlappe. "Der Stachel sitzt jetzt schon ein bisserl tiefer."

Zweifel an sich selbst

Grundsätzlich sieht Melzer selbst auf "nicht unbedingt einfache Monate mit Bänderriss, Hüftverletzung, Rückenproblemen" zurück. "Da fängt man schon ein bisschen an zu zweifeln."

Die Medienschelte von LAOLA1 (die Schelte zum Nachlesen) hat ihm nach Olympia offenbar mehr zugesetzt, als es sein dürfte. "Ich bin nach den Spielen zerrissen worden für etwas, wo ich meiner Meinung nach nichts verbrochen habe. Ich bin der letzte, der da drinnen (auf dem Platz, Anm.) steht und nicht gewinnen will."

Eigentlich lese er eher selten in den Medien, aber solche Dinge, würden einem von extrem vielen Leuten zugetragen.

Es soll wieder aufwärts gehen

Sein Rezept wird es sein, konsequent weiterzuarbeiten. Schon in den vergangenen Wochen hat Melzer sein Trainingspensum sehr erhöht.

"Die Leistungen im Training sind auch schwankend, aber besser als im Match." Doch den Glauben an sich selbst hat die frühere Nummer 8 der Welt nicht völlig verloren.

"Ich hab's nicht verlernt. Es sind dann zwei, drei Partien, die man gewinnen muss." Von all jenen kritischen Geistern will er sich seine Laufbahn jedenfalls nicht schlechtreden lassen.

Eine Brise Selbstzufriedenheit

"Ich habe doch in meiner Karriere einiges erreicht, habe das Tennis in Österreich wieder salonfähig gemacht und ich sag immer, wenn man sich in dem, was man tut, zu den besten 30, 40, 50 der Welt zählen kann, dann ist das schon was", erklärte die 31-jährige Niederösterreicher.

"Das natürlich andere sagen, ich habe mein Potenzial nicht ausgeschöpft, damit kann ich gut leben. Ich weiß, was ich erreicht habe, wie gut ich gespielt habe oder spielen kann."

Eines weiß Melzer freilich auch selbst nur zu gut: "Die Vergangenheit gewinnt dir leider auch keine Matches."

Wenn er sich nicht doch zu einer Pause entschließt, möchte Melzer seine Saison mit den Turnieren in Kuala Lumpur, Peking, Shanghai, Wien, Valencia und Paris abschließen. Und endlich wieder auf die Erfolgsstraße zurückfinden.

Es bleibt das Doppel

Die ÖTV-Gesamtbilanz der US Open kann nun nur noch im Doppel verschönert werden.

Im Einzel waren mit Tamira Paszek und Melzer überhaupt nur zwei Spieler dabei - und auch für Paszek hatte es nach dem Wimbledon-Viertelfinale eine Erstrunden-Enttäuschung gegeben.

Für Melzer ist auch die Grand-Slam-Bilanz 2012 schlecht wie viele Jahre nicht: Nur in Wimbledon überstand er die erste Runde. 2013 kann für ihn eigentlich nur besser werden - wenn er gesundbleibt.