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"Uns gehen die Spieler aus! Es kommt nichts nach!"

„Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern zehn nach zwölf!“

Mit diesen drastischen Worten gab Alexander Antonitsch am Dienstagabend in Amstetten seinen Unmut kund.

Dort wurde von den Veranstaltern der 36. Internationalen Spring Bowl, Österreichs größtem Nachwuchsturnier, eine Podiums-Diskussion veranstaltet. Das Thema: Die Zukunft des österreichischen Tennis-Sports.

Fehlender Nachwuchs

Gar so schlimm wie der ehemalige Weltklasse-Spieler sahen es zwar nicht alle Teilnehmer, Kritik am Verband musste sich der neue ÖTV-Präsident Robert Groß, der erst vor zwei Monaten das Amt von Ronnie Leitgeb übernahm, aber dennoch genug anhören.

Vor allem der fehlende Nachwuchs wurde beklagt. Immer weniger Kinder würden den Weg zum Tennis finden. Nur durch eine ordentliche Breite - so der Vorwurf - könne sich langfristig auch eine Spitze entwickeln.

So meinte Michael Oberleitner, der wie Antonitsch Spielervater und Leiter des Leistungszentrums Cumberland in Wien ist: „Wir müssen unseren Hintern hochkriegen und viel mehr Kinder zum Tennis bringen.“

Extreme Situation bei den Mädchen

Oftmals haben die in Österreich ausgetragenen Junioren-Turniere schon ein Problem damit, überhaupt einen Spielerraster voll zu bekommen. Besonders extrem ist die Lage bei den Mädchen, die immer seltener zum Racket greifen.

„Es gibt viel zu wenig Mädchen, die Tennis spielen“, bestätigt ÖTV-Head-Coach Michiel Schapers, der seit einem Jahr im Amt ist und sich diese Situation selbst nicht erklären kann. „In den Niederlanden haben wir dasselbe Problem. Dort liegt es daran, dass die Mädchen heutzutage lieber Fußball spielen.“ Eine Erklärung, die auf Österreich wohl nur bedingt zutrifft.

Kinder sollen zum Tennis gebracht werden

Zudem die Situation hierzulande nicht allzu neu ist. In der aktuellen Damen-Weltrangliste sind gerade einmal 14 Österreicherinnen zu finden. Davon liegen zehn in den Top 1000, sieben in den Top 500 und nur zwei in den Top 200.

Waber: „Uns gehen die Spieler aus“

„Uns gehen die Spieler aus. Es kommt nichts nach“, weiß Fed-Cup-Kapitän Jürgen Waber, der in Linz mit Barbara Haas eine der größten rot-weiß-roten Nachwuchshoffnungen betreut.

Mehrere Teilnehmer machen sich hierbei für ein Engagement von Michael Ebert stark, der vor ein paar Jahren in Österreich das von der ITF kreierte Konzept mit kleineren Schlägern und weichen Bällen für Kinder eingeführt hat.

Damit sollen die koordinativen Fähigkeiten spielerisch gefördert werden. Oberleitner praktiziere dies in seiner Tennisschule schon seit einigen Jahren. „Dadurch kann man die Kinder leichter zum Tennis bekommen und auch in diesem Sport halten.“

Laut Groß wird in fast allen Vereinen bereits mit ähnlichen Mitteln gearbeitet. Eine Standardisierung, wie es eben Ebert bieten würde, wäre aber sicher hilfreich.

Ob es wieder zu einer Zusammenarbeit mit Ebert (unter Leitgeb wurde dieser Ausgabe-Posten eingespart) kommt, könnte sich schon in den nächsten Wochen entscheiden. ÖTV-Sportkoordinator Florian Pernhaupt hat jedenfalls bereits ein Treffen mit dem international anerkannten Experten fixiert.

„Trainer sind zu faul und wollen nur Kohle verdienen“

Nicht viel besser sieht die aktuelle Situation bei den 10- bis 16-Jährigen aus. Die Spitzenspieler dieser Jahrgänge seien oft technisch schlecht ausgebildet und das Trainerpersonal in Österreich sei nicht ausreichend qualifiziert.

Joachim Kretz, Leiter des Vorarlberger Tennis-Zentrums weiß aus eigener Erfahrung, dass das nicht immer so leicht ist. „Es ist sehr schwierig, qualifizierte Trainer zu bekommen. Viele sind zu faul und wollen nur Kohle verdienen. An Fortbildungskursen haben diese wenig Interesse.“

2014 Vereine Plätze Erwachsene Jugendliche Gesamt
Gesamt
1.612 6.109 132.284 46.728 179.012
Vorjahr
-2 -264 1.188 -821 367
%-Vorjahr
-0,1% -4,1% 0,9% -1,7% 0,2%

Alexander Erler trainiert in München

Der ÖTV-Präsident erteilt diesen Überlegungen jedoch eine Absage: „Wir sind für alles offen und verschließen uns vor keiner Idee, aber wir haben eine Verpflichtung unseren Jugendlichen und der BSO gegenüber, das Zentrum bestmöglich weiterzuführen.“

Individuelle Förderungen

Dafür soll es laut Groß, der sich selbst als „Brückenbauer“ bezeichnet, in Zukunft aber mehr und höhere individuelle Förderungen für private Initiativen geben. Eine Aussage, die viele Anwesende erfreut zur Kenntnis nahmen.

Thiem, Waber und Antonitsch sprachen sich klar dafür aus, nur nach Leistung zu fördern. Ganz egal, wo oder bei wem ein Spieler trainiert. Als Beispiel wurde Österreichs derzeit bester U18-Spieler Alexander Erler angeführt, der seine Zelte in München aufgeschlagen hat.

Oberleitner: „Spitzenspieler sind immer eine individuelle Sache und das Arbeiten in der Gruppe ist ab einem gewissen Level nicht mehr möglich.“

Ins Auge stach bei der Podiums-Diskussion, dass Neo-Präsident Groß recht wohlwollend von den heimischen Experten aufgenommen worden ist. Jedes Lager kündigte eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit an.

Ob diese in der Praxis umgesetzt wird, werden die nächsten Monate zeigen. Groß selbst hat sich jedenfalls die Latte hoch gelegt: In den nächsten fünf Jahren will er fünf Top-100-Spieler herausbringen.

Christian Frühwald

Groß will diese Probleme gar nicht leugnen: „Unsere Jugendlichen sind technisch nicht gut ausgebildet und körperlich oft nicht in der Lage, die geplanten Trainings-Einheiten durchzustehen.“

Thiem, Vater von Dominic und in führender Position in der Tennis-Akademie von Günter Bresnik tätig: „Die Landesverbände müssen Strukturen schaffen, um die Kinder auf ein konkurrenzfähiges Niveau zu bringen. Der Verband muss den Eltern von talentierten Kindern einen Leitfaden anbieten können.“

Zusammenlegen der Verbände

Als möglicher Verbesserungsvorschlag wurde auch ein Zusammenlegen  der Verbände Niederösterreich, Wien und Burgenland in der Südstadt zu einem Tenniszentrum Ost besprochen, um die Kräfte besser bündeln zu können. Laut Groß sei dies vom ÖTV sogar bereits angedacht.

In Frage gestellt wurde von vielen auch das klassische Bundesleistungszentrum in der Südstadt.

Sollen die talentierten Nachwuchsspieler ab dem 16. Lebensjahr besser privat betreut oder sollen - so wie zu Zeiten von Thomas Muster und Horst Skoff - die besten Jugendlichen an einem Ort aufeinander losgelassen werden?

Südstadt soll bestehen bleiben

Laut Antonitsch, der früher selbst in der Südstadt zum Profi heranwuchs, hätten sich die Zeiten geändert. „Heute ist es wurscht, wo ich trainiere“, meint der Kärntner, dessen 16-jährige Tochter Mira Österreichs derzeit beste Jugendliche ist und in der Bresnik-Schule ausgebildet wird.

Bei den Mädchen habe das Konzept mit Ausnahme von Babsi Schett sowieso nie funktioniert.