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"Die Wertigkeit des Sports muss gehoben werden"

Der 1:4-Niederlage im Davis Cup gegen Spanien zum Trotz: Österreichs Tennis befindet sich im Aufschwung.

Mit Präsident Ronnie Leitgeb und Sportdirektor Clemens Trimmel haben in diesem Jahr frische Kräfte wichtige Ämter im Tennis-Verband neu besetzt.

Hauptaufgabe des Duos wird es sein, Nachfolger für Jürgen Melzer & Co. zu finden.  Leicht wird diese Aufgabe gewiss nicht werden.

Wir baten Alex Antonitsch zu einer Stellungnahme des „Status Quos“ im heimischen Tennis-Sport.

Im großen LAOLA1-Interview ärgert sich der Ex-Profi, TV-Experte, Turnierdirektor, Herausgeber und Tennis-Vater (seine 13-jährige Tochter Mira gilt als großes Talent) über überzogene Erwartungen und  die fehlende Wertigkeit des Sports in Österreich.

LAOLA1: War die klare Niederlage im Davis Cup gegen Spanien zu erwarten oder angesichts der Höhe doch eher enttäuschend?

Alex Antonitsch: Erwarten tut man sich so etwas natürlich nicht. Ich bin als Optimist bekannt. Wenn alles perfekt läuft, ist vielleicht ein 3:2-Sieg drin. Im schlimmsten Fall ist natürlich auch leicht ein 0:5 drin. Spanien ist seit 13 Jahren zu Hause unbesiegt, Jürgen nicht in Form und Andi verletzt. Der erste Tag war enttäuschend, weil es da so glatt ablief, dass da keine Davis-Cup-Stimmung aufgekommen ist. Mit dem Sieg in Doppel hat sich das dann geändert.

LAOLA1: In der Öffentlichkeit wurden die Spieler teilweise hart kritisiert. Zu Recht?

Antonitsch: Man muss natürlich die Kirche im Dorf lassen. Schließlich haben wir gegen Spanien gespielt. Man kann sich natürlich mehr wehren und etwas anderes signalisieren. Das ist jetzt aber alles Larifari – wir hatten am Freitag einfach keine Chance. Die Fans, die vor Ort waren, waren sensationell.  Trotz der klaren Niederlagen am Freitag haben sie am Samstag und Sonntag Vollgas gegeben. Die Erwartungen waren vielleicht zu hoch, weil Jürgen sowohl Ferrer als auch Almagro schon einmal auf Sand geschlagen hat.

LAOLA1: Trotz der Niederlage gegen Spanien herrscht im österreichischen Tennis Aufbruchsstimmung. Ronnie Leitgeb hat vor wenigen Wochen sein Amt als ÖTV-Präsident angetreten. Kann er etwas bewegen?

Antonitsch: Definitiv. Es ist auch unbedingt notwendig, dass es nach oben geht. Von hinten muss jetzt einfach wieder mal etwas nachkommen. Und ich kann da nicht alles auf einen Dominic Thiem aufhängen. Abgesehen davon gibt es in diesem Alter auch noch ein paar andere, die schon ganz gut gespielt haben. Wir haben viele Leute zwischen 20 und 22 Jahren, die derzeit zwischen 300 und 600 stehen. Ein Bogomolov, Dodig oder Cipolla waren in diesem Alter genauso außerhalb der Top 400. Das Durchschnittsalter in den Top 100 ist heute einfach höher. Aktuell gibt es in den Top 100 mit Ryan Harrison und Bernard Tomic nur zwei Teenager. Thiem wäre halt ein Ausnahme-Talent.

Ausnahme-Talent Dominic Thiem

LAOLA1: Dadurch wird allerdings auch ein schnellerer Durchbruch von ihm erwartet.

Antonitsch: Thiem muss man auch einmal in Schutz nehmen, weil er seine Wachstumsphase noch nicht abgeschlossen hat. Er ist gerade erst wieder um vier Zentimeter gewachsen – er braucht biologisch einfach noch ein bisschen.  Früher war es für junge Spieler, die körperlich noch nicht bei 100 Prozent waren, einfacher. Zu unserer Zeit gab es nur ein paar Spieler, die extrem fit waren. Das ist einer von vielen Umständen, die das Tennis in den letzten Jahren einheitlicher gemacht haben. Die Vielfalt geht verloren, weil jeder auf jedem Boden gut spielen kann. Spezialisten gibt es gar nicht mehr.  Auf Sand bewegt man sich zwar noch anders, von der Schnelligkeit macht es aber keinen Unterschied mehr. Roland Garros ist bei schönem Wetter schneller als so manch anderer Belag.

LAOLA1: Ist das für das Tennis gut oder schlecht?

Antonitsch: Fischer hat es erst kritisiert und gemeint, dass es mehr Unterschiede geben sollte. Die Angriffsspieler haben mit der aktuellen Situation natürlich ein Problem. Muster wäre ewig Nummer eins gewesen, wenn es damals so ähnliche Bedingungen gegeben hätte. Früher hast du in der Halle mit flachem Absprung gespielt. Da war ein Serve-and-Volley-Spieler bevorzugt.

LAOLA1: Damals wurden allerdings auch die kurzen Ballwechsel kritisiert.

Antonitsch: Es ist halt immer die Frage, wer gegeneinander spielt.  Man muss auch die Kirche im Dorf lassen. Was derzeit da vorne für Matches gespielt werden ist ja ein Wahnsinn. Was da für Rallyes gespielt werden, da fragst du dich, wie lange das der Körper noch aushalten kann. Die einzigen Pausen, die es gibt, sind Verletzungspausen.

LAOLA1: Auch erst seit Jänner ist Clemens Trimmel als ÖTV-Sportdirektor im Amt. Welche Baustelle muss er als erstes angehen?

Antonitsch: Zunächst muss man mal sagen, dass er einen tollen Job als Davis-Cup-Kapitän gemacht hat. Er hat das Team hervorragend zusammengeschweißt. Es war nicht immer möglich, dass gleich sechs Leute zu einer Auswärtspartie gefahren sind. Als Sportdirektor hat er jetzt einmal eine Bestandsaufnahme gemacht. Neue Strukturen gehören her. Die Südstadt soll wieder belebt werden. Es gibt viele private Initiativen, die wirklich gute Arbeit leisten. Wir müssen schauen: Wo haben wir die Talente und wie können wir ihnen eine Tennis-Karriere ermöglichen?

Mira Antonitsch (13) gilt als hoffnungsvolles Talent

LAOLA1: Welche Fehler, die klassische Tennis-Väter so machen, wirst du vermeiden?

Antonitsch: Den ersten habe ich schon gemacht. Da habe ich mich in ein Training eingemischt. Ich weiß aber selbst, dass es in der Pubertät nicht leicht ist. Das Wichtigste ist, dass es ihr Spaß macht. Das geht natürlich nicht jeden Tag. Wenn es über einen langen Zeitraum lang aber keinen Spaß macht, muss man sich etwas überlegen. Da gibt es nämlich viele, die dann trotzdem dabei bleiben und wo es dann meistens auch kracht in der Familie. Ich werde mich aber nicht in Richtung Tomic oder Dokic (Anm.: berüchtigte Tennis-Väter) hinbewegen (lacht). Ich lebe mich beim Eishockey aus.

LAOLA1: Ist es heutzutage schwierig, den Tennis-Sport den Kindern nahezubringen?

Antonitsch: Nein, gar nicht. Der Sport ist geil! Es können Burschen und Mädels spielen. Die Voraussetzungen, die diese Sportart hat, sind genial. Laut aktuellen Studien werden die Einzelsportarten in Zukunft einen regen Zulauf haben. Viele Mannschaftssportarten  in den ländlichen Regionen brauchen jetzt schon Spielgemeinschaften. In zehn Jahren musst du, um genauso viele Kinder im Sport zu haben wie heute, ein Drittel mehr Kinder zum Sport bringen. Das zeigt ja schon, was ein Einzelsport für Chancen hat. Dazu müssen aber die richtigen Entscheidungen getroffen werden.

LAOLA1: Im Verband?

Antonitsch: Ich glaube schon, dass das Verbandsarbeit ist. Mit dem Kid’s Tennis (Anm.: verkleinertes Feld, kleinere Schläger, eigene Bälle) ist man da einen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Es macht früher Spaß und ich kann die Kinder schneller weiter entwickeln. Im Eishockey spielen sie auch aufs kleine Feld, im Basketball stellen sie auch den Korb niedriger. Die derzeitigen Zuwachszahlen lassen die Kritiker verstummen.

LAOLA1: Tennis hat aus deiner Sicht also kein Image-Problem?

Antonitsch: Nein. Dafür sorgen schon die internationalen Top-Stars.  Nadal und Federer stehen ja immer noch über allen anderen – das sieht man bei ihren Facebook-Fans und auch auf den Tennis-Plätzen. Die Kinder spielen entweder im Nadal- oder im Federer-Outfit. Ab und zu sieht man vielleicht einen „Melzer“  und dann ist lang nichts.

LAOLA1: Die groß angekündigte Trainer-Ausbildung von Leitgeb siehst  du also als nicht so elementar an?

Antonitsch: Natürlich ist das wichtig. Auf das kann ich jetzt aber nicht warten. Denn was mache ich mit den Talenten, die jetzt da sind? Die brauchen ja auch eine Unterstützung. Das muss Hand in Hand gehen. Ich kann ja teilweise auch als Tennis-Vater sprechen und ich weiß daher am besten, wie teuer so etwas ist. Viele hören einfach auf, weil es sich irgendwann finanziell nicht mehr ausgeht – und das ist schade.

LAOLA1: Wie seid ihr das bei Mira angegangen?

Antonitsch: Mira trainiert jetzt bei Günter Bresnik und Thomas Strengberger. Das Wichtigste ist natürlich, dass man ins Training investiert. Man muss natürlich auch auf den körperlichen Aspekt schauen und Turniere spielen. In erster Linie ist es aber unsere Tochter. Deshalb wollen wir nicht zu schnelle Schritte setzen und sie verheizen.  

LAOLA1: Wie ist es zur Entscheidung für Bresnik gekommen?

Antonitsch: Mira kennt ihn schon sehr lange. Außerdem ist Strengberger, der sie tagtäglich trainiert, sensationell für sie. Das Ranking ist derzeit zweitrangig, es geht um die Entwicklung. Ich bin da aber selten mit, das machen der „Strengi“ und meine Frau.

LAOLA1: Wie hast du reagiert, als Mira sich für eine Tennis-Karriere entschieden hat? Warst du stolz, dass sie dem Papa nacheifern will?

Antonitsch: Eher besorgt, weil ich mich gefragt habe, ob sie weiß, was da auf sie zukommt. Wir haben sie alles ausprobieren lassen. Reiten, Eishockey, irgendwann war es dann Tennis. Da hat sie dann schnell was gewonnen und irgendwann blieb es bei dem. Solange sie will, werden wir sie auf jeden Fall unterstützen. Was da rauskommt, weiß kein Mensch.


LAOLA1:
 Wenn es dem Tennis in Österreich eh so gut geht, warum gibt es dann die vielen Raunzer-Stimmen?

Antonitsch: Weil wir keine Sportkultur haben. Die Wertigkeit des Sports muss einmal gehoben werden. Bei uns gibt es zum Beispiel keinen Universitätssport wie in den USA, wo der Sport einen echten Stellenwert hat. Bei uns schafft man es nicht einmal, dass die Kinder täglich Bewegung machen. Trotzdem wollen wir alles gewinnen. Und dort, wo wir etwas gewinnen, das schauen wir uns dann an. Wobei uns da die Deutschen nicht unähnlich sind. Das beste Beispiel ist für mich Biathlon. Ich kenne selbst sehr wenige Leute, die durch den Wald laufen und schießen. Der Sport ist aber im TV super aufbereitet und auch sehr interessant zum Zuschauen. Das Skispringen hatte in Deutschland mit Hannawald & Co. einen ähnlichen Boom. Die einzige Konstante ist Fußball – da jammern wir aber auch genug. Das ist die Sportart Nummer eins. Das ist billig, ich kann sie überall betreiben und es läuft einfach. Alle anderen Sportarten müssen mehr tun. Ich sage immer so: In der Volksschule musst du die Kinder vor den Eltern beschützen. Da haben wir verdammt noch mal die Aufgabe, dass jedes Kind so weit ausgebildet wird, dass es überhaupt eine Sportart betreiben kann. Ich war in Wien an den Schulen. Da ist ein Purzelbaum eine potenzielle Gefahrenquelle für eine Gehirnerschütterung. Das ist teilweise echt heavy. Und diese Kinder gehen jeder Sportart verloren. Was man unten falsch macht, kann man oben nicht mehr wettmachen.

LAOLA1: Die Trendsportarten siehst du also nicht als große Konkurrenz?

Antonitsch: Nein, gar nicht. Da hängt uns eher jene Generation nach, die früher ab 16 Uhr nicht mehr auf dem Tennisplatz sein durfte. Diese Leute kriegst du nicht mehr zurück zum Tennis-Sport. Ich war selbst verwundert, als ich gehört habe, dass es 50.000 U18-Tennis-Spieler in Österreich gibt.

LAOLA1: Was für einen Einfluss kannst du als Turnierdirektor von Kitzbühel nehmen?

Antonitsch: Wir haben zum Beispiel den Bambini-Cup in Kitzbühel in derselben Woche. Das ist mit 800 Meldungen das größte Jugendturnier in Österreich. Die kommen alle mit den Eltern und sollen Teil des Turniers sein. Babsi Schett und Stefan Koubek haben im vergangenen Jahr gesagt, dass sie ohne Kitzbühel vielleicht gar nicht mit dem Tennis spielen angefangen hätten. Ein Teil der Tennis-Familie soll sich dort treffen. Für einen echten Tennis-Fan ist ein Match zwischen einem Kohlschreiber und einem Granollers ein super Match. Die großen Namen wie Nadal werden wir nicht anbieten können. Deshalb müssen wir den Platz um Kitzbühel nutzen, wo die Leute gerne hinkommen und ihnen ein Angebot machen.

LAOLA1: Stellst du dir so die Weiterentwicklung von Kitzbühel vor? Oder träumst du insgeheim vor einem ATP-500-Turnier?

Antonitsch: Heuer wird sicher ein zähes Jahr, weil die Olympischen Spiele gleich in der nächsten Woche stattfinden. 2013 ist dann der Markt frei. Wir sind das letzte Sandplatz-Turnier und viele Spieler wollen eh nicht so viel auf Hartplatz spielen. Da sehe ich die Chance, dass wir das noch mehr ausbauen.

LAOLA1: Hältst du also ein 500er Turnier langfristig für machbar?

Antonitsch: Derzeit nicht. Wir hätten aber die Voraussetzungen wie zum Bespiel ein passendes Stadion.  Wenn ich mir ein 250er wie Doha anschaue, kriege ich aber auch so sehr viele gute Spieler. Natürlich habe ich bei einem 500er mehr Punkte zu verteilen, andererseits kann ich Spieler aber auch anderweitig umwerben. Wir haben Spieler in Kitzbühel, die einfach gerne zu uns kommen und das ist ein großer Vorteil gegenüber anderen Turnieren.

Das Gespräch führte Christian Frühwald