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Gerald Melzer und sein bislang größter Fischzug

Gerald Melzer und sein bislang größter Fischzug

Was für ein Einstand!

Nach dem bedeutungslosen "Dead Rubber" im Vorjahr gegen die Slowakei kam Gerald Melzer am Sonntag in Örebro gegen Schweden erstmals im Ernstfall im Davis Cup zum Einsatz.

Beim Stand von 2:2 hielt der 24-jährige Niederösterreicher gegen Christian Lindell dem großen nervlichen Druck stand und siegte klar mit 6:1, 6:1, 6:3.

Von Bruder Jürgen vorbereitet

Damit darf Österreich weiter um die Rückkehr in die Weltgruppe kämpfen. Vom 17. bis 19. Juli bekommt es das ÖTV-Team nun zuhause mit den Niederlanden zu tun.

"Ich habe versucht, mich voll zu konzentrieren und mich bei jedem Punkt zu pushen", erklärte Melzer sein Erfolgsrezept. Zuvor wurde er von seinem Bruder Jürgen in der Kabine auf seine große Aufgabe eingestimmt (LAOLA1-Doppelinterview mit den Melzer-Brüdern).

Dies scheint dem ehemaligen Top-Ten-Spieler perfekt gelungen zu sein: Gerald Melzer dominierte seinen Kontrahenten von der Grundlinie nach Belieben und ließ zu keinem Zeitpunkt offene Fragen über den Ausgang dieser Partie zu.

"Das ganze Team hat an mich geglaubt"

"Es war für mich das erste Mal, dass es im Davis Cup um etwas gegangen ist. Ich war sehr nervös. Aber Stefan (Koubek) und das ganze Team haben an mich geglaubt und ich bin super gestartet", strahlte Melzer nach dem Sieg.

Dass Gerald Melzer seinen Mann stehen kann, hat er bereits in den vergangenen beiden Monaten bewiesen. Mit einer 12:6-Bilanz trat der Deutsch-Wagramer in der vergangenen Woche die Reise ins schwedische Örebro an.

Sieg über Haider-Maurer

„Vor allem das letzte Monat war wirklich gut, da habe ich über 100 Punkte gemacht“, freute sich Melzer im Gespräch mit LAOLA1 über seine aufsteigende Form.

Das Highlight war sein erster Sieg im Hauptbewerb eines ATP-Turniers: In Quito zwang er Landsmann Andi Haider-Maurer in drei Sätzen in die Knie. Mit der aktuellen Nummer eins im rot-weiß-roten-Davis-Cup-Team will sich Melzer aber noch nicht vergleichen.

Der Rekordfisch! Nähere Infos dazu gibt es auf dem Blog Boilie & More.

Die letzten Monate haben ihm auf jeden Fall gezeigt, dass „ich mehr als nur dabei bin“. Er selbst sieht auf jeden Fall Top-100-Potenzial in sich. Wie weit es nach oben gehen kann? „Das wird man sehen. Ich weiß natürlich, dass es die Top 10 nicht spielen wird. Aber in den Top 100 ist alles eng beieinander.“

Rekord-Angler

Aktuelle Nummer eins ist Gerald Melzer dafür schon bei seiner zweiten Leidenschaft neben dem Tennis. Der 24-Jährige ist begeisterter Angler und hält seit September 2014 sogar den österreichischen Spiegelkarpfen-Rekord. 39,1 Kilogramm wog das stolze Exemplar.

Für den Tennis-Profi ist es neben seinem Beruf der perfekte Ausgleich. „Es ist schwer zu erklären, aber wenn ich am Wasser bin, verbringe ich einfach eine super ruhige Zeit und kann mich perfekt entspannen“, so Melzer, dem das Altherren-Image des Angelns etwas sauer aufstößt.

„Die meisten Leute stellen sich beim Fischen einen alten Mann auf seinem Sessel vor, der die Angel in der Hand hält und auf ein kleines Ding im Wasser starrt. Mit modernem Karpfenangeln hat das nichts zu tun“, so Melzer, der nebenbei auch für eine Köderfirma als Testangler agiert.

„Aus dem Hobby wurde eine Leidenschaft“

Wie er zu diesem eher ungewöhnlichen Hobby gekommen ist? „Mich hat es schon als kleines Kind immer zum Wasser gezogen. Mein Opa und mein Onkel haben mich öfters mitgenommen. Im Lauf der Jahre hat sich das dann immer weiter entwickelt. Da ist aus dem Hobby eine Leidenschaft geworden. Wenn ich nicht am Tennisplatz stehe, ist es das, was ich am liebsten mache.“

Einziger Nachteil: Im Leben eines Tennis-Profis bleibt für andere Hobbys oft nicht viel Zeit. „So wie ich das Fischen betreibe, ist es ein sehr zeitintensives Hobby. Dadurch passt es natürlich nicht so ganz zu meinem Beruf, weil ich sehr viel unterwegs bin.“

Aufgeben wolle er das Angeln dem Tennis zuliebe aber keinesfalls. „Ich glaube, dass da jeder verschieden ist. Für manche gibt es nur Tennis im Leben. Ich würde total unrund werden, wenn es in meinem Leben plötzlich nix anderes mehr als Tennis gibt. Für mich ist das Angeln eine gute Abwechslung und eben mehr als ein Hobby. Wenn ich das nicht machen würde, würde ich die Belastungen beim Tennissport wohl nicht aushalten.“

Zumindest in Örebro hat es sich schon einmal auf jeden Fall bezahlt gemacht.

Christian Frühwald

„Der Sieg in Quito war in 2.800 Metern Höhenlage. Außerdem kennen wir uns beide sehr gut. Das ist dann immer ein ganz eigenes Match. Andi spielt allerdings schon noch auf einem ganz anderen Level als ich“, übt er sich in Bescheidenheit.

Verpatztes zweites Halbjahr 2014

Seine Aussage spiegelt sich allerdings auch im ATP-Ranking wider. Als Weltranglisten-167.  ist er mehr als hundert Plätze hinter seinem Landsmann zu finden. „Das ist eigentlich extrem schade, weil ich sicher schon weiter vorne stehen könnte“, ärgert sich Melzer über das verpatzte zweite Halbjahr 2014.

„Damals habe ich bis zu den French Open sehr gut gespielt und mich auf einen Platz um 140 nach vorne gearbeitet. Leider habe ich mich dann nicht weiter Richtung Top 100 orientiert, sondern bin dort steckengeblieben.“

Grund für den Rückschlag waren immer wieder auftretende Rückenprobleme, die ihn sowohl im Training, als auch in den Matches behinderten.

Wechsel zu Coach Hipfl

Nach Paris 2014 vollzog der Linkshänder auch einen Trainer-Wechsel. Nachdem sich die Zusammenarbeit mit seinem langjährigen Coach Ingo Neumüller zerschlug, übernahm er quasi den Trainer seines großen Bruders Jürgen, Markus Hipfl.

Womit sich in Örebro quasi ein Kreis geschlossen hat: Hipfl sorgte 1999 nämlich für den bis dato letzten Davis-Cup-Sieg über Schweden.

Auch der Oberösterreicher entschied damals in Pörtschach die fünfte Partie (gegen Magnus Gustafsson) zum knappen 3:2-Erfolg für sich bzw. das ÖTV-Team. Zweiter Einzelspieler war übrigens der jetzige Kapitän Stefan Koubek.

Aufgrund der Rückenblessur dauerte es allerdings bis in die nächste Saison, bis das neu geformte Duo erste gemeinsame Erfolge einfahren konnte.

„Im Winter konnten wir sehr gut arbeiten und die ersten Früchte dieser Arbeit sieht man jetzt. Ich fühle mich auf alle Fälle als besserer und konstanterer Spieler als im vergangenen Jahr“, ist Melzer mit seinem Betreuer zufrieden.

Melzer hält Top 100 für schaffbar

„Markus ist fast immer mit dabei. Heuer hat er nur bei zwei Turnieren gefehlt und das wird auch so bleiben. Wenn man den eigenen Trainer dabei hat, kann man auch während der Turniere mehr trainieren, um sich weiter zu entwickeln“, erklärt er seine Pläne.

Die kommenden zwei Jahre seien schließlich sehr wichtig für ihn. „Da wird man sehen, in welche Richtung es gehen wird – und in dieser Phase ist der Markus natürlich sehr wichtig für mich“, so Melzer, der schon Ende dieser Saison einen Platz um die 100 einnehmen will.

„Das halte ich durchaus für schaffbar. Dann würde ich im Hauptfeld der Australian Open stehen“, fiebert er seinem Grand-Slam-Debüt entgegen.