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"Du kannst deinen Tank nicht komplett leer fahren"

Ausgerechnet eine Woche vor dem "bet-at-home-Cup" in Kitzbühel sind bei Österreichs Aufsteiger Dominic Thiem leichte Müdigkeitserscheinungen nach der langen Saison zu erkennen.

Nach der Auftaktniederlage in Gstaad gegen den Serben Victor Troicki am Montag ging der 20-Jährige mit sich selbst hart ins Gericht.

„Es war schrecklich“, schrieb er auf Facebook. „Keine Schläge, keine Beine, keine Kraft zum Aufbäumen. Das war kein Tennismatch.“

„Ich spüre erst jetzt so richtig, wie mega viel Kraft ich in den ersten Monaten in diesem Jahr investiert habe. Die ganzen Qualis. Alles. Und alles neu“, machen sich die Entbehrungen des ersten Halbjahres bemerkbar.

45 Matches im Kalenderjahr 2014

45 Matches hat Thiem auf der ATP-Tour in dieser Saison bislang bestritten. Pausen gab es in dieser Zeit so gut wie keine für den Youngster. Nach Wimbledon schob er sogar noch zwei Aufritte in der deutschen Liga ein.

Trotzdem gab Thiem vor zwei Wochen bekannt, dass er vor seinem Heim-Event in Kitzbühel anstelle einer Trainingspause lieber noch die Turniere in Hamburg und Gstaad bestreiten wolle, um sich im Ranking weiter hochzuarbeiten.

Zumindest dies ist ihm gelungen: Durch den Achtelfinal-Einzug in Hamburg schob er sich in dieser Woche in der Weltrangliste auf Position 47 und damit erstmals in die Top 50.

Kaum Zeit zur Regeneration

Ein Meilenstein in seiner persönlichen Karriere, die allerdings auch viel Kraft kostete. Zu viel sogar? „Das Wichtigste ist jetzt, dass ich es irgendwie schaffe, bis Kitzbühel wieder fit zu werden“, so Thiem, der in der Gamsstadt im Vorjahr das Viertelfinale erreichte.

Viel Zeit zur Regeneration hat der Lichtenwörther freilich nicht. Im Doppel ist er in Gstaad noch vertreten und zumindest noch am Mittwoch im Einsatz. Somit kann er frühestens am Donnerstag nach Kitzbühel reisen.

Bresnik: „Entscheidung war nicht richtig“

Für Coach Günter Bresnik ist dieses selbst produzierte zeitliche Dilemma eine Lernphase, die jeder Profi machen muss. „Ich bin ja nicht umsonst in Spanien“, erklärt der Niederösterreicher, der derzeit mit seinem zweiten Schützling Ernests Gulbis Trainingseinheiten in Spanien absolviert, in einem Telefonat mit LAOLA1.

“Nach einer gewissen Zeit benötigt man einfach einmal eine Trainingsphase. Ich habe Dominic freigestellt, ob er mitfährt oder Turniere spielt. Er wollte lieber Turniere spielen. Es macht keinen Sinn, einen Spieler zum Training zu zwingen, wenn er sich wohl fühlt und glaubt, dass er Punkte machen kann.“

„Ich persönlich denke, dass die Entscheidung nicht richtig war. Hätte man es anders entschieden, wäre es auch nicht richtig gewesen, da sich der Spieler sonst gedacht hätte: ‚Hätte ich gespielt, hätte ich auch das schaffen können, was der Zverev gerade in Hamburg geschafft hat. Denn besser spielt der auch nicht.‘ Dann wäre er auch nicht zufrieden gewesen“, spielt Bresnik auf den sensationellen Halbfinal-Einzug des erst 17 jahre alten Deutschen Alexander Zverev in der Hansestadt an.

Thiem muss seine Lehren ziehen

Wichtig sei es für Thiem nun, die Lehren aus den vergangenen Wochen zu ziehen. „Solche Erfahrungen muss ein Spieler eben einmal machen. Er muss selbst wissen, ob sein Tank noch reicht oder er seine Akkus lieber aufladen sollte. Du kannst nicht deinen Tank komplett leer fahren und dann bleibst du wo stehen. Dadurch verlierst du mehr Zeit, als wenn du dir einmal eine Auszeit über zwei Wochen nimmst und wieder neue Kräfte sammelst.“

Bresnik glaubt, dass Thiem nach Kitzbühel wieder Zeit zur Regeneration haben sollte. „Wichtig ist jetzt einmal Kitzbühel – das ist ein Saisonhöhepunkt für ihn, für den er sich besonders gut vorbereiten möchte. Ich glaube nicht, dass er danach in Toronto im Hauptbewerb steht“, sieht der ehemalige Betreuer von Boris Becker eine kleine Lücke im vollgepressten Turnierkalender.

Danach stehen das ATP-1000-Turnier in Cincinnati und vielleicht noch ein Vorbereitungs-Turnier für die US Open auf dem Programm. Nach dem letzten Grand-Slam-Event des Jahres hat Thiem zudem noch eine ausgiebige Asien-Tournee eingeplant, ehe er in der Halle seine erste volle Saison auf der Tour ausklingen lassen wird.

Christian Frühwald