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Roger Federer im Tief: Jetzt kommt es knüppeldick

Roger Federer im Tief: Jetzt kommt es knüppeldick

Unerschütterlich, unbezwingbar, unerreichbar. Roger Federer war über viele Jahre das Maß aller Dinge auf der ATP-Tour.

Abgekämpft, erschöpft, ausgelaugt. So sah man den Schweizer in den letzten Wochen.

"King Roger", der dem Tennis-Zirkus rund zehn Jahre lang seinen Stempel aufdrückte, wirkte zuletzt wie ein Schatten seiner selbst.

Erst kassierte er die Niederlage gegen Sergiy Stakhovsky (Nummer 116 der Welt) in der zweiten Runde von Wimbledon, seinem zweiten Zuhause. Damit ging seine einzigartige Serie von 36 Grand Slams in Folge, in denen er zumindest die Runde der letzten Acht erreichte, zu Ende (siehe Tabelle).

Danach folgten die Pleiten gegen Federico Delbonis (114) in Hamburg sowie gegen Daniel Brands (55) in Gstaad.

Federers Nimbus als stärkster Spieler der Welt ist längst Geschichte, mit Rafael Nadal, Andy Murray und Novak Djokovic laufen ihm gleich mehrere Stars den Rang ab.

Bezeichnend: Der 17-fache Grand-Slam-Sieger hat in der laufenden Saison erst einen Turnier-Sieg (in Halle) zu Buche stehen und konnte lediglich einmal einen Spieler aus den Top 10 der Weltrangliste bezwingen – Jo-Wilfried Tsonga im Jänner bei den Australian Open.

Nicht mehr der Jüngste

Der Zahn der Zeit nagt an Federer, der mit 31 Jahren deutlich älter ist als die genannten Nadal (27), Murray (26) und Djokovic (26). Wurde er in den vergangenen Jahren von Verletzungen meist verschont, zeigt der Körper des Baslers inzwischen zunehmend Verschleißerscheinungen.

Rückenschmerzen setzen ihm seit einiger Zeit zu, diese führt er als Hauptursache für seine durchwachsenen Leistungen an. "Es macht keinen Spaß, so zu spielen", erklärte "FedEx" nach der überraschenden Niederlage gegen Brands.

"Ich bin froh, dass ich überhaupt spielen konnte. Einige Leute haben mir sogar davon abgeraten." Federers Einsatz in allen Ehren, ob die Entscheidung, dennoch zu spielen, clever war, muss dennoch bezweifelt werden.

Mit den US Open (ab 26. August) rückt das letzte Major-Event der Saison immer näher, dem Eidgenossen läuft allmählich die Zeit davon. Hinter seinem Antreten beim Turnier in Montreal kommende Woche steht ein großes Fragezeichen. Lässt er dieses aus, verliert er erneut wichtige Punkte in der Weltrangliste.

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Bei Roger Federer läuft es derzeit alles andere als nach Wunsch

Griff zu neuem Racket

Schon jetzt liegt er als Fünfter mehr als 6.000 Zähler hinter Djokovic, selbst der viertplatzierte Nadal ist ihm um rund 1.000 Punkte enteilt. Um einen neuen Reiz zu setzen, entschloss sich der Schweizer kürzlich zu einem Racket-Wechsel.

Der nun größere Schlägerkopf fühle sich gut an, erklärte er im Gespräch mit "spox.com". "Ich habe mir ein Herz gefasst und es probiert. Ich bin sehr zufrieden, wie ich mich mit dem neuen Schläger fühle." Kritiker werfen ihm Aktionismus vor, der Wechsel sei ein Zeichen seiner Unsicherheit.

Federer hält dagegen: "Ich hinterfrage mich ständig, auch im Erfolgsfall. Und natürlich besonders, wenn es nicht so läuft." Für gewöhnlich finde er auch einen Weg, um wieder in die Spur zu kommen. Ob ihm das in diesem Jahr noch gelingt, darf angesichts seines Zustandes bezweifelt werden. Abschreiben darf man die ehemalige Nummer eins sicherlich nicht.

Dabei kommt es derzeit auch abseits des Tennisplatzes knüppeldick für den Weltsportler der Jahre 2005, 2006, 2007 und 2008. Ein Nobody aus Italien brachte den Routinier und seine Kollegen an der Spitze der Tennis-Szene in Verruf.

Doping-Anschuldigungen

Gianluigi Quinzi, Sieger des Junioren-Bewerbs von Wimbledon, nutzte nach den Dopingfällen von Viktor Troicki (verweigerte eine Blutprobe) und Marin Cilic (wurde positiv getestet) die Gunst der Stunde, um seinen Bekanntheitsgrad mit gewagten Mutmaßungen zu erhöhen.

"Ich sage nicht, dass sie etwas nehmen, aber ich weiß es nicht. Man kann einfach zur Erkenntnis kommen, dass es so ist", spielte er in der "Gazzetta dello Sport" auf mögliche Dopingvergehen der Herren Federer, Nadal und Djokovic an.

„Wenn du siehst, wie schnell sich Spieler wie Djokovic erholen, fängst du an, dir Fragen zu stellen. Wie soll das funktionieren? Alle sollten gleich behandelt werden. Wenn einer auffliegt, dann ist es eben so. Das Tennis kommt auch ohne Federer und Nadal aus.“

Quinzi spielte damit auf die Marathon-Matches mancher Spieler an, die diese scheinbar mühelos wegstecken, um einen oder zwei Tage später erneut über fünf Sätze zu gehen. Es sei bei einer derartigen Intensität "schwierig, nicht schlecht zu denken".

Kritik aus dem Djokovic-Lager

Als wären diese Vorwürfe nicht schon heftig genug, bekam Federer auch noch eine Breitseite aus dem Djokovic-Lager. Srdjan, Vater des Weltranglisten-Ersten Novak, packte in der Zeitung "Kurir" die Verbalkeule aus und stellte Federer dessen menschliche Qualitäten in Abrede.

"Federer ist vielleicht der größte Tennis-Spieler aller Zeiten, aber als Mensch ist er genau das Gegenteil", wurde Djokovic senior zitiert. Federer ließ sich auf dieses wenig niveauvolle Geplänkel erst gar nicht ein.

Der Eidgenosse blieb bislang ein Statement zu den Vorwürfen schuldig und konzentriert sich stattdessen auf seine Genesung. Die Nummer fünf der Welt hält es so wie in den letzten zehn Jahren – sie will ihre Antwort auf dem Platz geben.

 

Christoph Nister