news

"Gulbis ist ein klassischer Top-Ten-Spieler"

„Rauchen, trinken, lange aufbleiben“ – diese Dinge gehören für Ernests Gulbis der Vergangenheit an.

Zumindest beschrieb der 24-jährige Lette vor wenigen Wochen mit dem Aufgeben dieser alten Laster seinen neuen Plan, endlich sein volles Potenzial auszuschöpfen.

Der eingeschlagene Weg scheint richtig zu sein. Am Sonntag gewann er in Delray Beach nach zwei Jahren Pause wieder ein ATP-Turnier. 2011 kratzte er als Weltranglisten-21. bereits an den Top 20 und schien den Vorhersagen zahlreicher Experten recht zu geben.

„Ein klassischer Top-Ten-Spieler“

„Er ist ein klassischer Top-Ten-Spieler. Das hab ich schon gesagt, als ich ihn als 17-Jährigen gesehen habe“, meint Günther Bresnik im Gespräch mit LAOLA1. Seit April des letzten Jahres ist der 51-jährige Niederösterreicher für die sportlichen Belange des als sehr schwierig geltenden Gulbis zuständig.

Bereits kurz zuvor verordnete sich der geläuterte Party-Boy einen neuen Lebenswandel. „Ich habe in meinem Leben schon genug gefeiert und ich habe absolut alles falsch gemacht, was man in einer Profikarriere falsch machen kann.“

Den kurzfristigen Umschwung konnte allerdings auch der ehemalige Coach von Boris Becker, Horst Skoff oder Stefan Koubek nicht verhindern. 2012 beendete Gulbis erstmals seit dem Jahr 2006 nicht mehr in den Top 100.

„Zwischen neun und zwölf Monate muss man einkalkulieren, damit man eine deutliche Verbesserung sieht“, erklärt Bresnik. „Im Training konnte ich es schon ein bisschen sehen, im Match noch nicht so. Es war jetzt nur mehr eine Frage der Zeit. Seit drei, vier Wochen spielt er richtig gut.“

Vor seinem Turniersieg in Delray Beach brachte er bereits Juan Martin Del Potro und Tomas Berdych in Rotterdam bzw. Marseille an den Rand einer Niederlage. „Das war ein Zeichen dafür, dass er bei einem 250er Turnier gewinnen kann. Er ist ein Ausnahmespieler und hat Qualitäten, die ich selten gesehen habe. Deshalb kam das für mich auch nicht überraschend “, erklärt Bresnik, der seinen Schützling auf der US-Tournee begleitet.

Großer Trainer-Verschleiß

„Ich habe ihm versprochen, dass ich nach Amerika mitkomme. Bei einem Belagswechsel ist es den Spielern immer wichtig, dass die Trainer mit dabei sind. Wir haben aber nichts Genaues ausgemacht, wie viele Wochen im Jahr ich ihn begleite. Da haben wir nichts fixiert.“

Sieht man sich den bisherigen Trainer-Verschleiß von Gulbis an, verwundert einen diese Vorgangsweise nicht. Nachdem er im Alter zwischen 12 und 18 Jahren in der Tennis-Akademie von Niki Pilic die Grundlagen des Tennis-Sports eingeimpft bekam, wechselte er in Folge seine Coaches wie andere Spieler ihr Griffband. Unter anderem durfte auch einmal der ehemalige Melzer-Coach Karlheinz Wetter sein Glück versuchen.

„Das Training an sich macht mir keinen Spaß“, gestand Gulbis im letzten Jahr. „Wenn mich aber die richtige Person pusht und ich erklärt bekomme, warum ich etwas machen muss, dann mache ich, was nötig ist, um meine Ziele zu erreichen.“

Vater Ainars redet mit

Ein wichtiges Wort bei der Trainer-Verpflichtung hat Vater Ainars mitzureden, wie Bresnik erklärt: „Die beiden haben ein sehr enges Verhältnis. Bei den grundsätzlichen Entscheidungen über die Karriere seines Sohnes ist er der erste Ansprechpartner. Die Art und Weise wie die Zusammenarbeit zustande gekommen ist, hat die Sache für mich sehr reizvoll gemacht.“

Ernests Gulbis wurde nach Hemingway benannt

„Es ist auch ein großer Vertrauens-Vorschuss vom Vater, der mit einigen Trainern schon sehr schlechte Erfahrungen gemacht hat. In den Trainingsverlauf ist er aber nicht involviert“, erzählt Bresnik über den Vater, den er als „starke und große Persönlichkeit“ beschreibt.

Einer der reichsten Männer Lettlands

Das muss Ainars Gulbis auch sein. Schließlich hat er sich durch Tätigkeiten im Gasgeschäft zu einem der reichsten Männer Lettlands gemausert und ist mit der in seiner Heimat sehr bekannten Schauspielerin Milena verheiratet. Das Ehepaar benannte ihren Sohn übrigens nach dem Autor Ernest Hemingway.

So schwer vom Schicksal gebeutelt wie die literarischen Helden des US-Amerikaners war das Leben von Gulbis junior freilich nicht. Während sich viele Tennis-Talente ihre Ausbildung finanziell nur schwer leisten können, flog der kleine Ernests schon in jungen Jahren per Privatjet von Turnier zu Turnier.

„Hochintelligent und sehr gebildet“

Fehlenden Biss habe Gulbis laut Bresnik deshalb aber nicht: „Er ist ein hochintelligenter und sehr gebildeter Ausnahme-Sportler – in so einer Kombination habe ich das noch nie gesehen bzw. noch keinen Kontakt gehabt. Wenn einer gut erzogen ist und die Bedeutung des Geldes kennt, dann ist es sicherlich ein größeres Problem, kein Geld zu haben, als zu wissen, dass man gut versorgt ist.“

Der Spieler sieht es ähnlich: „Das Feuer in mir ist, dass ich mir selbst beweisen will, dass ich es machen kann, dass ich an der Spitze sein kann. Ich mag Geld und Ruhm, aber ich kümmere mich nicht darum.“

Sechsstündige Gefängnisstrafe

Dementsprechend locker sah Gulbis im Jahr 2009 auch seinen sechsstündigen Gefängnis-Aufenthalt in Stockholm, als er wegen einer Kontaktanbahnung zu Prostituierten - das ist in Schweden verboten - festgenommen wurde. „Das war ein Riesenspaß und sehr lustig. Es ist wirklich interessant, da sie sehr strikt sind.“ Die 300 Euro Strafe bereiteten ihm sowieso kein großes Kopfzerbrechen.

Da findet es Gulbis schon störender, dass sich Marihuana auf der Dopingliste befindet. „Ich mag es, dass Marihuana hier legal ist“, meinte er vor zwei Wochen in Rotterdam. „Leider können das Tennisspieler nicht machen, wir werden ja fast jede Woche kontrolliert. Aber ich mag die Art, zu denken.“

Vater sorgte in Wien für Skandal

Das Skandal-Potenzial liegt allerdings in der Familie. Vor drei Jahren in der Wr. Stadthalle schüttete ein erzürnter Vater Gulbis einem Kellner eine heiße Tasse Kaffee ins Gesicht. Der Mitarbeiter musste ärztlich behandelt werden, die Familie reiste ab. Mittlerweile sind die Wogen aber wieder geglättet. Im Vorjahr bekam Gulbis sogar eine Wild Card für den Hauptbewerb.

Für Aufsehen sorgte der extrovertierte Lette auch in der vergangenen Woche in Delray Beach, als er während des Turniers meinte, dass es in den Top 100 einige Spieler gäbe, die kein Tennis spielen könnten.

Bresnik relativiert: „Ich weiß, was er gesagt hat und er hat gesagt, dass er es nicht versteht, dass er auf 120 steht und einige Leute, die einfach nicht so gut sind wie er, vor ihm stehen. Für ihn war das eine Frage der Ehre, dass er sein Potenzial besser ausschöpft. „

Bresnik: „Delray Beach war sein Bravourstück“

Grundsätzlich habe der Erfolgscoach sowieso „ein Faible“ für schwierige Spieler. „Mir taugt das. So ein Spieler hat besondere Anforderungen. Mir macht es mit solchen Spielern einen Riesenspaß.“

„Was mir auch gefällt ist, dass er nicht nur deppert daherredet, sondern seinen Worten auch Taten folgen lässt. Und genau in dieser Woche hat er ja das Turnier gewonnen – das ist schon mal ein Bravourstück.“

Vorbild für Dominic Thiem?

In so einer Verfassung ist der Weltranglisten-67. auch ein ideales Vorbild für Dominic Thiem. Österreichs aktuell wohl größtes Talent trainiert bereits seit Jahren unter den Fittichen von Bresnik.

„So wie Ernests Tennis spielt und sich im Wettkampf verhält, kann man sicher viel von ihm lernen. Andere Dinge dienen natürlich eher als abschreckendes Beispiel. Der Bursche ist aber erst 24 Jahre alt. In einem Alter wo andere erstmals in die Top 100 kommen, macht er schon sein erstes Comeback. Bei Dominic besteht bei diesen Dingen aber eh keine Gefahr“, hat der Coach keine Befürchtungen.

„Dominic hat mit Gulbis sehr viel trainiert. Er war auch letztes Jahr in Amerika mit, wo ich nicht mit war. Wenn Ernests in Wien ist, spielt er immer mit Dominic. Die beiden verstehen sich sehr gut. Für Dominic ist es sicher ein Riesenvorteil, dass er tagein, tagaus sein Tennis an so einem Spieler ausprobieren kann.“

Thiem außer Gefecht

Bis sich Thiem auf der ATP-Tour mit seinem Trainingspartner wird messen können, wird allerdings noch ein bisschen Zeit vergehen. Nachdem sich der 19-jährige Niederösterreicher Ende des vergangenen Jahres an die Top 300 spielte, setzen ihn derzeit die Weisheitszähne außer Gefecht.

„Einen Zahn haben sie im Dezember entfernt, zwei weitere Anfang Februar“, erzählt Bresnik. „Die Zähne mussten rausgestemmt werden – das war eine aufwändige Geschichte. Sobald er gesundheitlich wieder auf dem Damm ist, wird er bald nachziehen.“

Bis dahin wird schon Ernests Gulbis dafür sorgen, das Günter Bresnik nicht langweilig wird.

Christian Frühwald