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"Niemand wurde bisher so schnell ausgeschlossen"

Es ist nicht das Jahr des Vincenzo Nibali.

Der Tour-de-France-Sieger des Vorjahres war bei der Vuelta a Espana angetreten, um sich für sein Abschneiden bei der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt - der Italiener belegte mit 8:36 Minuten Rückstand auf Sieger Chris Froome Rang acht - zu revanchieren.

Doch bereits am zweiten Tag platzten sämtliche Träume des Astana-Profis.

Vom Begleitwagen mitziehen lassen

Ein Massensturz 30 km vor dem Ziel der zweiten Etappe am Caminito del Rey betraf auch den Sieger der Spanien-Rundfahrt 2010, der sich anschließend wieder ans Hauptfeld herankämpfen wollte - allerdings ließ sich Nibali dabei von seinem Begleitfahrzeug helfen.

Der 30-Jährige hielt sich am Auto seines Sportlichen Leiters fest - Fernsehbilder lassen keine andere Auslegung zu.

"Keine andere Wahl"

Dies sahen auch die Kommissäre der Vuelta so und disqualifzierten den "Hai von Messina" nach der Etappe ebenso wie Astana-Teamdirektor Alexander Schefer, der am Steuer des Wagens saß.

"Die Aufnahmen belegen eindeutig, dass Nibali sich von diesem Auto 200 Meter ziehen lässt", erklärt Bruno Valcic, Präsident der Rennkommission.

"Es war eine schwierige Entscheidung", ergänzte Valcic - immerhin handelt es sich bei dem Italiener um einen Mitfavoriten auf den Gesamtsieg und einen großen Namen des Radsports. Umso mutiger scheint die Entscheidung, "aber wir hatten keine andere Wahl, als den Fahrer zu bestrafen."

Bitte um Verständnis und Verzeihung

Noch in der Nacht seiner Disqualifikation entschuldigt sich Vincenzo Nibali auf "facebook" bei seinen Fans.

"Ich entschuldige mich öffentlich bei allen, die wütend auf mich sind und sich für mich schämen, dafür, was passiert ist", schreibt er in einem längeren Statement.

"Alle, die schon einmal mit dem Radsport in Verbindung gekommen sind, wissen, dass dieser von Liebe, Leidenschaft, aber auch vielen Entbehrungen und Opfern geprägt ist. Man ist wochenlang von seiner Familie getrennt, muss Tag für Tag das zermürbende Training auf sich nehmen und das, seitdem man 16 Jahre alt ist", wirbt er für Verständnis für sein Verhalten.

Verzweiflung

Weiters beschreibt er seine Verzweiflung darüber, dass er unbedingt ein gutes Ergebnis einfahren wollte, sich jedoch bereits auf der zweiten Etappe "mit dem Hintern am Boden" befand.

Der Giro-Sieger von 2013 erzählt, wie lange es dauerte, bis er wieder auf dem Rad saß und aufgrund des Chaos und der Panik, die nach dem Massensturz herrschten, nicht wieder nach vorne fahren konnte.

Schnell wies er einen Rückstand von 1:20 Minuten auf und versuchte, sich ohne Wasser wieder nach vorne zu kämpfen.

"Keine Gentlemen"

Es war ein aussichtsloser Kampf, da die Gruppe vorne nicht wartete und Tempo machte.

"Es gibt keine Gentlemen im Radsport", so der Italiener, der für seine Frau, seine Familie und "die Menschen, die ihn lieben", weiterkämpfen wollte.

"Was am Sonntag bei der Vuelta passiert ist, passiert in jedem Rennen. Nichtsdestotrotz darf es nicht unbestraft bleiben", sieht er seinen Fehler zwar ein, kann aber das Ausmaß der Strafe nicht nachvollziehen.

"Bin nicht der erste"

"Im Radsport gibt es nach Stürzen viele Episoden wie diese. Ich hätte mit einer hohen Geld- und Zeitstrafe gerechnet, wie es ansonsten in diesen Fällen üblich ist. Niemand wurde bisher so schnell ausgeschlossen", ist er von der Härte der Entscheidung überrascht.

"Ich bin nicht der erste und werde auch nicht der letzte Fahrer in der Geschichte sein, der dies tut".

 

Henriette Werner