news

"Auf der ganzen Strecke wurde mein Name gerufen"

Es ist seine erste dreiwöchige Landesrundfahrt und diese hat es mit acht Bergankünften gleich ganz schön in sich.

Matthias Krizek schlägt sich bei der 69. Spanien-Rundfahrt bislang tapfer. Gleich zum Auftakt verpasste sein Cannondale-Team den Sieg im Mannschaftszeitfahren nur ganz knapp, auf Etappe 7 gab es mit dem Sieg von Alessandro De Marchi Grund zum Feiern und auf dem 12. Teilstück setzte sich der Österreicher selbst mit einem 150-Kilometer-Soloritt eindrucksvoll in Szene.

Sechs Tage vor dem Ende der Vuelta hat LAOLA1 mit dem 25-Jährigen über seine Eindrücke, die Auszeichnung als kämpferischster Fahrer, Vorbildfunktion und Schlägereien auf dem Rad gesprochen.

LAOLA1: Du fährst gerade deine erste Grand Tour, wie fühlst du dich nach gut zwei Wochen Vuelta? Welche Eindrücke hast du bisher gesammelt?

Matthias Krizek: Am Montag war die Königsetappe mit fast 5.000 Höhenmetern, da hatte ich ein wenig Bammel davor. Ich hatte aber echt gute Beine und war bis zum vorletzten Berg ganz vorne mit dabei. Am Schluss musste ich etwas reißen lassen, aber ich habe die Etappe gut überlebt, Gott sei Dank. Bislang habe ich fast nur positive Eindrücke gesammelt. In Spanien sind extrem viele Leute an der Strecke, dazu herrscht tolles Wetter. Das Niveau der Fahrer ist sehr hoch, man merkt, dass sich viele speziell auf die Vuelta vorbereitet haben. Die Dichte ist extrem, selbst wenn am Berg ein hohes Tempo gefahren wird, sind noch immer 80 Fahrer im Feld, wo bei anderen Rundfahrten höchstens noch 15, 20 Fahrer dabei sind. In den letzten Tagen habe ich mich schon ganz gut zurechtgefunden, obwohl es immer sehr schwere Etappen samt Bergankünften waren. Jetzt hoffe ich auf eine gute, letzte Woche.

LAOLA1: Auf der 12. Etappe kam dein großer Auftritt: Du hast einen Solo-Ritt über 150 Kilometer hingelegt und wurdest erst kurz vor dem Ziel vom Feld geschluckt. Was war es für ein Gefühl, so lange alleine vorne zu fahren?

Krizek: Ich wollte nicht alleine vorne weg fahren! Ich habe attackiert und gehofft, dass mir zwei, drei Fahrer Gesellschaft leisten, denn es war ein verdammt heißer Tag, war es auch, zudem ging es über acht recht hügelige Runden. Als ich zwei Minuten Vorsprung hatte, kam immer noch keiner zu mir heran, zudem hat mein Funk nicht funktioniert. Dann ist mein Betreuer gekommen und hat mich gefragt, was ich mache und ob ich mich umbringen will. Er hat mich vor die Wahl gestellt: Entweder du lässt dich einholen oder du ziehst das durch und schaust, wie weit du kommst. Ich habe es durchgezogen, aber wenn die Sprintermannschaften hinten Gas geben, ist es für einen alleine echt schwierig. Trotzdem war es ein tolles Gefühl, vorne zu fahren und dadurch, dass Runden gefahren wurden, hat mich das Publikum öfter gesehen und auf der ganzen Strecke wurde mein Name gerufen.

LAOLA1: Wann hast du gemerkt, dass du eingeholt wirst?

Krizek: Wenn man so eine Aktion macht, muss man daran glauben, sonst kann man gleich im Feld bleiben. Am Anfang habe ich ein wenig mit dem Abstand gepokert und versucht, so wenig Kraft wie möglich aufzuwenden, um im Finale noch aufdrehen zu können und die Gruppe auf Distanz zu halten. Das hat gut funktioniert, aber an der 10-Kilometer-Marke war mein Soloritt beendet.

LAOLA1: Hat dich die Auszeichnung als kämpferischster Fahrer ein wenig darüber hinweggetröstet, dass es mit dem Etappensieg nicht geklappt hat?

Krizek: Ja, auf jeden Fall, ich stand am Podium und durfte am nächsten Tag die rote Startnummer tragen, das war schon eine Ehre bei solch einer großen Rundfahrt. Das hat die Schmerzen und die Anstrengung ein bisschen gemildert. An den Tagen darauf habe ich die Alleinfahrt schon gespürt, aber im Großen und Ganzen habe ich es gut verkraftet.

LAOLA1: Ihr hattet ja auch schon Grund zum Feiern: Auf der 7. Etappe hat dein Teamkollege De Marchi gewonnen, wie hast du das erlebt? Du hast ein Video von der Siegesfeier gepostet, entspricht dieses auch allgemein der Stimmung bei euch im Team?

Krizek: Wenn es einen Sieg zu feiern gibt und dieser sportliche Leiter, der bekannt für seinen Trinkspruch beim Anstoßen ist, dabei ist, schon. Der Etappensieg war super und hat dem Team Moral gegeben. Dadurch war viel Anspannung und Druck weg. Auf der 16. Etappe ist er schon wieder Dritter geworden und hat den Sieg nur knapp verpasst. Wenn er da gewonnen hätte, hätten wir wieder so gefeiert (lacht).

LAOLA1: Hast du hinterher mitbekommen, dass sich Brambilla und Rovny während der Königsetappe auf dem Rad geschlagen haben?

Krizek: Während des Rennens nicht, aber mein Teamkollege De Marchi war in der Gruppe und hat uns das dann im Teambus erzählt. Ich habe es kaum glauben können, was sie gemacht haben. Solche Szenen dürften nicht sein, vor allem bei einer Live-Übertragung im Fernsehen. Das ist einfach unsportlich. Das kann man sich nach dem Rennen verbal ausmachen, aber nicht mit Faustschlägen. Ich finde, dass die Jury die richtige Entscheidung getroffen hat, indem sie beide disqualifiziert hat. Wir als Profis haben eine Vorbildwirkung, der sich jeder bewusst sein sollte.

LAOLA1: Wie kamst du mit der extremen Hitze, die teilweise auf den Etappen herrschte, klar?

Krizek: Die erste Woche war wirklich extrem, wir haben Temperaturen bis zu 50 Grad gehabt. Da war ich nur Flaschen holen, habe sie vor zu meinen Teamkollegen gebracht und bin fast direkt wieder zurück zum Auto. Das war wirklich extrem, ich glaube, bei einer solchen Hitze bin ich noch nie Rad gefahren.

LAOLA1: Zum Auftakt habt ihr den Sieg im Teamzeitfahren nur ganz knapp verpasst, überwog Freude oder doch Enttäuschung?

Krizek: Wir haben im Teambus gesessen und gesehen, dass eine große Mannschaft nach der anderen hinter uns ins Ziel kommt. Wir sind schon aufgestanden und haben mitgezittert, dann kam Movistar als letzte Mannschaft, an der Zwischenzeit waren sie noch hinter uns, im Ziel aber sechs Sekunden vor uns. Es ist immer schade, einen Sieg knapp zu verpassen, aber der zweite Platz war trotzdem toll. Freude und Enttäuschung waren sehr eng beisammen, im Endeffekt hat die Freude überwogen.

LAOLA1: Euer bester Fahrer im Gesamtklassement, Damiano Caruso, liegt auf Rang zehn (+9:10), was ist da noch möglich?

Krizek: Die Top Ten sind auf jeden Fall das Ziel. Der Elfte liegt nur 14 Sekunden hinter ihm, andersherum kann jederzeit einer von vorne zurückfallen. Wenn es noch weiter nach vorne geht, umso besser, aber man muss sich nur mal anschauen, wer vor ihm liegt. Er liefert hier wirklich eine Wahnsinns-Leistung ab.

LAOLA1: Welche Ziele hast du noch für die letzte Woche?

Krizek: Es sind noch einige schwere Etappen zu absolvieren, ich will auf jedem Fall meinem Team helfen und es wäre toll, wenn es sich noch einmal ausgeht, den Sprung in eine Spitzengruppe zu schaffen. Aber das Hauptaugenmerk liegt darauf, dass wir Caruso in den Top Ten halten.

LAOLA1: Wer hat dich bisher am meisten beeindruckt?

Krizek: Mein Teamkollege De Marchi, der ist wirklich ausgefuchst. Das hat man auch bei der Tour de France gesehen. Er weiß, wie er seine Energien im richtigen Moment einsetzt. Er war zweimal in einer Spitzengruppe und zweimal war es die richtige. Für mich ist es die erste Rundfahrt, ich muss da erst reinkommen und herausfinden, wie das ist und wie man besser taktieren kann.

LAOLA1: Wer gewinnt die Vuelta 2014?

Krizek: Contador hat auf der Königsetappe eine sehr gute Vorstellung abgegeben und seinen Vorsprung auf 1:36 Minuten ausgebaut. Ich glaube nicht, dass er sich das noch nehmen lässt, er ist in einer sehr guten Verfassung und hat auch eine starke Mannschaft.

LAOLA1: Zum Abschluss noch eine Frage zu deiner Zukunft: Gibt es schon Neuigkeiten darüber, wie es bei dir weitergeht?

Krizek: Nein, leider nicht. Ich habe bisher eine Absage bekommen und bin noch mit ein paar kleineren Teams im Gespräch, aber es gibt noch nichts Neues. Ich befinde mich leider weiter im Ungewissen.

LAOLA1: Dankeschön für das Gespräch. 

 

Das Interview führte Henriette Werner