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Geschlagen und bespuckt: Die Angst vor Hooligans

Geschlagen und bespuckt: Die Angst vor Hooligans

Es sind Szenen, die keiner sehen will.

Die Rede ist von den Ausschreitungen, die die Tour de France in diesem Jahr heimsuchen.

Rund 14 Millionen Menschen stehen am Streckenrand, um einen kurzen Blick auf die Stars der "Grande Boucle" zu erhaschen.

Leidensfähig und ausdauernd

Durchschnittlich warten sie sechseinhalb Stunden auf Flachetappen, noch etwas mehr, wenn es in die Berge geht. Fans der Pedalritter sind geduldig und leidensfähig.

Sie haben die traurige Dopingära der 90er und 2000er Jahre mitgemacht, erlebt, wie sich ihre Helden in Buhmänner transformierten und ihr geliebter Sport vielerorts verachtet wurde.

Dennoch blieben sie ihm treu und harren weiterhin stundenlang aus. Sie campen, sie feiern, sie haben Spaß an der Sache. Derzeit laufen diese rund 14 Millionen Menschen jedoch Gefahr, in Verruf zu geraten.

Unschöne Szenen am Streckenrand

Schuld daran ist eine absolute Minderheit, die ganz bestimmt nicht in die Kategorie der Fans gehört. Einige wenige Idioten bedrohen das gute Image der Fans, in dem sie sich wiederholt daneben benehmen.

Den Hass dieser Minderheit bekommt aktuell das Team Sky in einem Ausmaß zu spüren, das dem Radsport bislang fremd war.

Richie Porte wurde schon vor einigen Tagen auf dem Weg nach La Pierre-Saint-Martin von einem Fan in die Rippen geschlagen. Der Australier war geschockt, setzte die Fahrt jedoch fort und wurde trotz dieses Vorfalls Zweiter.

Angst vor Hooligans

Inzwischen geht die Angst um, dass dies nur der Anfang sein könnte und schon bald Zustände herrschen wie in anderen Sportarten, in denen Fanausschreitungen längst nichts Ungewöhnliches mehr sind.

"Wo soll das eines Tages hinführen? Ist es bald so wie im Fußball, wo Leute über den Zaun springen und Waffen in der Hand haben?", fragt Ex-Profi Nicolas Portal, der inzwischen als sportlicher Leiter eines der Begleitfahrzeuge des Sky-Rennstalls pilotiert.

Teammanager Sir Dave Brailsford sieht es ähnlich drastisch und sprach davon, dass "die französische Menschenmenge außer Kontrolle ist". Er bezeichnete die Meute als "Fußball-Mob".

Wer ihm keinen Glauben schenken wolle, könne sich bei ihm gerne selbst von den Vorfällen überzeugen. "Wir haben Videos gemacht, vielleicht sollten wir auch Bilder machen, wie diese Mobkultur (die Kontrolle) übernimmt und wir jeden Tag durchfahren müssen. Ich denke, die Leute wären geschockt."

Keine Liebe, aber Respekt

Inzwischen hat sich auch Tour-Direktor Christian Prudhomme zu Wort gemeldet und die Vorfälle aufs Heftigste kritisiert. "Das Verhalten mancher Zuschauer, einer offensichtlichen Minderheit, ist augenscheinlich intolerabel", erklärte der Franzose. "Das Insultieren der Integrität des Gelben Trikots ist inakzeptabel."

Die Tour-Dominatoren seien vom Publikum zwar nie sonderlich geliebt worden, Prudhomme nennt die fünffachen Gewinner Jacques Anquetil und Eddy Merckx als Beispiele, der Name Lance Armstrong kommt ihm allerdings nicht über die Lippen, es müsse aber "ein Minimum an Respekt geben".

Um Schlimmeres zu verhindern, wurden Chris Froome und seine Teamkollegen vorerst unter Polizeischutz genommen. Sechs Beamte bewachten etwa den Teambus vor der 15. Etappe, damit es zu keinen Eskalationen kommt.

Die zahlreichen Aussagen der Beteiligten, es handle sich nur um eine Splittergruppe, bestätigte sich dabei einmal mehr, denn beim Aussteigen aus dem Teambus wurde Froome von den Fans mit Applaus bedacht.

Eine Szene, die man gerne sieht.


Christoph Nister

Urin-Attacke auf Froome

Das schien den Zorn der Sky-Gegner nur weiter zu schüren, denn wenige Tage später wurde der Tasmanier von einem Zuschauer am Streckenrand bespuckt.

Für den Gipfel der Dreistheit und Geschmacklosigkeit sorgte ein bislang Unbekannter, der den Gesamtführenden Chris Froome mit einem Becher Urin bewarf.

Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich bereits vor zwei Jahren, als Froomes britischer Landsmann und Ex-Teamkollege Mark Cavendish eine unliebsame Dusche verpasst bekam.

Eine Minderheit macht Ärger

"Das ist auf vielen verschiedenen Ebenen inakzeptabel", hatte der betroffene Froome auf einer Pressekonferenz erklärt. Der 30-Jährige, dem schon bei seinem Sieg vor zwei Jahren ein rauer Wind entgegen blies, betonte allerdings, dass er nicht alle Fans über einen Kamm scheren will.

"Es ist nur eine Minderheit. Einige handeln unverantwortlich. Es sind wirklich Einzelfälle, denn all die anderen sind fantastisch und unterstützen uns."

Sein Teamkollege Geraint Thomas, aktuell Gesamt-Sechster, hat kein Verständnis für das Verhalten dieser Individuen. "Es ist okay, wenn wir ausgebuht werden. Aber das ist nicht mehr in Ordnung."

Dieses Verhalten ist ein negatives Phänomen, denn nur bei der Tour wird die Equipe angefeindet. "Letztes Jahr, als wir verloren haben, haben sie uns geliebt", erklärt er, um anzufügen, dass er lieber gewinnt und dafür nicht gemocht wird.