news

Sie leiden im Stillen: Die heimlichen Helden der Tour

Sie leiden im Stillen: Die heimlichen Helden der Tour

Auf den Flachetappen sind es die Sprinter, die um Ruhm und Ehre kämpfen und am Ende die volle Aufmerksamkeit der Medien bekommen.

Im Zeitfahren versuchen Spezialisten wie Tony Martin (seine unglaubliche Geschichte), die Gunst der Stunde nutzen und sich ins Rampenlicht fahren.

Und in den Bergen kommen schließlich die Klassementfahrer und Kletter-Künstler zum Zug, um ihren Teil vom Medienkuchen abzubekommen.

Im Schatten der großen Stars und Abräumer hat die Tour de France jedoch noch deutlich mehr zu bieten, nicht umsonst erarbeitete sie sich im Laufe ihrer 110-jährigen Geschichte den Ruf als "Tour der Leiden".

Diesem wird sie während ihrer 100. Ausgabe wieder einmal gerecht. Man erinnere sich beispielsweise an Ted King, der trotz eines Sturzes auf der ersten Etappe von einer Aufgabe nichts wissen wollte.

Der US-Amerikaner erlitt Prellungen, eine Schultereckgelenksprengung sowie zahlreiche Hautabschürfungen und Schnittwunden. Doch erst die Jury, die kein Pardon kannte und ihn wegen sieben Sekunden aus dem Rennen warf, beendete seinen Traum, mit der "Grande Boucle" nach Paris zu rollen.

Früh im Rennen war allerdings klar, dass er dem Druck nicht würde standhalten können. Sein Körper meldete Warnsignale, nach genauen Untersuchungen diagnostizierten Ärzte eine Angina.

Trotz Fiebers nahm er die Ventoux-Etappe in Angriff. Ein Fehler, wie sich im Nachhinein herausstellen sollte. Anstatt sich auszukurieren und das Bett zu hüten, quälte er sich die letzten 21 Kilometer den Berg hoch, um mit 20 Minuten Verspätung ins Ziel zu gelangen. Danach war allerdings Schluss.

Pinot war körperlich völlig entkräftet und sein Rachen derart entzündet (siehe Bild), dass er gar keine andere Wahl hatte, als seine zweite Frankreich-Rundfahrt vorzeitig zu beenden.

Péraud und das Schlüsselbein

Aktuellstes Beispiel für die besondere Leidensfähigkeit von Radprofis ist Jean-Christophe Péraud. Als Gesamt-Neunter war er die letzte verbliebene Hoffnung der Gastgeber-Nation auf einen Spitzenplatz in der Endabrechnung.

Der Verletzungsteufel machte ihm jedoch einen kräftigen Strich durch die Rechnung. Beim Training für das zweite Einzelzeitfahren ging der 36-Jährige zu Boden und griff sich sofort an das Schlüsselbein.

Untersuchungen im Krankenhaus ergaben, dass sich der Routinier eben jenes gebrochen hatte. Der Traum von der Verbesserung seiner besten Tour-Platzierung - Rang neun aus dem Jahr 2011 - schien geplatzt.

Péraud wollte sich nicht damit zufrieden geben, bis dahin eine exzellente Rundfahrt bestritten zu haben. "Ich fahre weiter", merkte der AG2R-Kapitän an, ehe sich der stille Tour-Held zurückzog, um sich wieder ganz auf die bevorstehende Etappe zu konzentrieren.

Das Schicksal sollte ihm jedoch übel mitspielen. Während der Etappe - Péraud schlug sich beachtlich und war drauf und dran, seinen Top-10-Platz zu verteidigen -, rutschte er in der letzten Abfahrt weg und stürzte erneut schwer.

Diesmal war nichts mehr zu machen. der ehemalige Weltklasse-Mountainbiker musste das Rennen aufgeben. "Das wird mir eine Lehre sein", meinte er anschließend, ehe er sich von der Tour verabschiedete.

 

Christoph Nister

 

Hivert und der Besenwagen

Etwas mehr Glück hatte Jonathan Hivert. Der Franzose mühte sich auf der 15. Etappe mit Bergankunft am Mont Ventoux.

Bereits 60 Kilometer vor dem Ziel wurde ihm das Tempo im Feld zu hoch. Während Otto-Normal-Verbraucher die Flinte ins Korn geworfen hätten, begann für Hivert das vielleicht härteste Rennen seiner Karriere.

Das Zeitlimit erweist sich für endschnelle Fahrer für gewöhnlich als härtester Gegner auf Bergetappen, weshalb sich die Sprinter häufig frühzeitig zusammentun und im sogenannten Gruppetto gemeinsam darum kämpfen, rechtzeitig ins Ziel zu kommen.

In diesem Fall konnte Hivert selbst mit Mark Cavendish, André Greipel und Co. nicht Schritt halten. So war er fortan als Solist unterwegs und hatte den Besenwagen, der ausgestiegene Fahrer aufnimmt, im Nacken.

Glücksgöttin Fortuna hatte jedoch ein Einsehen mit dem Sojasun-Profi, der mehr als 50 Minuten nach Etappensieger Chris Froome, aber auch wenige Sekunden vor dem Besenwagen die Ziellinie passierte - er blieb um wenige Sekunden im Rennen.

Thomas und der Hüftbruch

Auch Geraint Thomas ist einer dieser "stillen Helden". Der Brite, ein wichtiger Helfer von Chris Froome, fährt seit der ersten Etappe mit einem gebrochenen Becken und quält sich durch die Land- und Bergstraßen Frankreichs.

Der 27-Jährige weiß, wie wichtig er für das Team Sky ist und will dieses keinesfalls im Stich lassen. Schier unerträgliche Schmerzen nimmt er in Kauf, um im Rennen zu bleiben und täglich harte Arbeit für seinen Kapitän zu verrichten.

"Ich danke euch für die ganzen Glückwünsche, ich weiß sie sehr zu schätzen! Sogar die Jungs von der Dopingkontrolle haben mir alles Gute gewünscht und, naja, meinen Urin genommen", ist Thomas sogar noch zu Scherzen aufgelegt.

In den ersten Tagen nach seinem schweren Sturz sei es besonders schlimm gewesen, meinte der Waliser. Derzeit hab er zwar "noch immer Schmerzen", es sei aber deutlich erträglicher.

Schär und die Schulter

Qualen musste auch Michael Schär ertragen, der auf der siebenten Etappe den Asphalt küsste. Dabei kugelte sich der Schweizer Meister die Schulter aus.

"Ich habe sie dann wieder reingemacht", erklärte er später im Interview. Das Problem an der Sache: Schär hatte kaum noch Kontrolle über sich und sein Rad.

Einen Tag hielt er schließlich noch durch, ehe die Vernunft siegte und er in Absprache mit den Teamärzten das Rennen vorzeitig verließ. "Es macht keinen Sinn, ich bin eine Gefahr für alle anderen", so der Eidgenosse gegenüber "Eurosport".

Pinot und das Fieber

Ein ähnliches Schicksal ereilte auch die französische Tour-Hoffnung Thibaut Pinot. Der 23-Jährige, im Vorjahr Gesamt-Zehnter und Gewinner einer Etappe, sollte für die Gastgeber die Kohlen aus dem Feuer holen.