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Strasser: "Ich wollte immer den Blinker benutzen"

Strasser:

Christoph Strasser hat das Race Across America nicht einfach „nur“ gewonnen. Er hat dabei Geschichte geschrieben.

Erstmals überhaupt blieb ein Teilnehmer unter acht Tagen (7 Tage, 22 Stunden, 52 Minuten), zudem pulverisierte der Steirer die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit (15,66 Meilen pro Stunde).

Wirklich verarbeiten konnte der Extremsportler das Geschehene noch nicht, wie er im Interview mit LAOLA1.at verrät. „Das wird wohl erst passieren, wenn ich wieder zurück in Österreich bin.“

Des Weiteren spricht der 30-Jährige über die Erfolgsbausteine im Kampf um den RAAM-Triumph, einen taktischen Fehler der Konkurrenz und eine Schwächephase, die ihn beinahe frühzeitig aus der Bahn geworfen hätte.

LAOLA1: Christoph, herzlichen Glückwunsch zum zweiten RAAM-Sieg. Hast du schon verarbeitet, was du in den letzten Tagen geleistet hast?

Christoph Strasser: Ich habe seit meiner Zielankunft die halbe Zeit geschlafen und hatte deshalb kaum Zeit, das alles zu realisieren. Das wird wohl erst passieren, wenn ich wieder zurück in Österreich bin.

LAOLA1: Während deine Schweizer Rivalen Reto Schoch und Dani Wyss immer vom Rekord als Ziel gesprochen haben, wolltest du einfach nur gewinnen. Hast du dich mit deiner Zeit selbst überrascht?

Strasser: Es war so, dass ich wusste, das Rennen unter acht Tagen fahren zu müssen, wenn ich es gewinnen will. Mir war klar, dass Reto Schoch der größte Konkurrent sein würde. Ihm habe ich auch absolut zugetraut, das zu schaffen. Das heißt, in mein Ziel, das Rennen zu gewinnen, waren diese acht Tage inkludiert. Dass er und Dani Wyss solche Probleme hatten, war wohl auch deshalb, weil sie sich einen so großen Druck auferlegt haben. Mit diesem Druck kann niemand umgehen. Das haben sie unterschätzt.

LAOLA1: Gab es zwischenzeitlich Phasen, in denen du am Boden warst?

Strasser: Das war eigentlich lustig. Nach 26 Stunden hatte ich eine wirklich schwierige Phase, einen Müdigkeitseinbruch. Es gab nach ca. 800 km einen Anstieg. Dort hatte ich einen Sekundenschlaf, dass ich dachte, das Rennen ist vorbei. Auf meinem Lenker habe ich gedacht, den Blinkerhebel suchen zu müssen. Immer, wenn ich zu einer Linkskurve kam, wollte ich den Blinker benutzen. Meine Betreuer haben solange auf mich eingeredet, bis ich wieder einigermaßen fit war. Man sieht, dass die schlimmsten Phasen oft in der ersten Phase des Rennens kommen.

LAOLA1: Dem Betreuerteam kommt eine besondere Aufgabe zu. Wie groß war dieses und welche Bedeutung hat es für dich?

Strasser: Ich hatte elf Betreuer und drei Autos. Wenn ich die Konkurrenz so verfolge, dann bin ich mir sicher, dass mein Team für mich einen anderen Stellenwert hat als für andere. Ich sehe das als Mannschaftssport. Ein Drittel der Leistung ist körperlich, ein Drittel mental und ein Drittel ist das Team. Teamgeist ist wichtig. Ich würde nie ein bunt zusammengewürfeltes Team mitnehmen. Wenn du mental am Boden bist, brauchst du Leute, die dich in- und auswendig kennen und dich wie ein kleines Kind auf Händen tragen können. Da braucht es einen großen und engen emotionalen Bezug.

LAOLA1: Wie muss man sich die Arbeit der Betreuer vorstellen, wenn es bei dir nicht nach Wunsch verläuft?

Strasser: Das ist unterschiedlich. Es gibt Phasen, in denen man emotional erschöpft ist und in denen man körperlich erschöpft ist. Generell brauche ich den Zuspruch von außen. Kleine Anekdote: Es war einen Tag vor der Zieleinfahrt. Es war verdammt schwer, es hat geregnet und das Rennen war eigentlich so gut wie gewonnen. Da ging es nur noch darum, ob sich der Rekord ausgeht oder nicht. Dann hieß es, ich muss stehen bleiben. Dann haben mich alle umarmt und mir einen Zettel überreicht, auf dem Stand, dass alle hinter mir stehen und ich den Rekord holen soll. Das war ein echt bewegender Moment. Wenn du Leute hast, die dich so aufbauen, ist es auch möglich, bis zum Schluss voll dabei zu bleiben. Für mich sind das riesengroße Dinge. Das kriege ich alles mit. Es gibt nur ganz wenige Phasen, in denen mir die Erinnerungen fehlen.

LAOLA1: Du hast vor dem Rennen gemeint, einige Kleinigkeiten verbessert zu haben. Welche waren das und was haben sie gebracht?

Strasser: Ich habe einen neuen Sponsor bei der Ernährung. Das betrifft u.a. die Flüssignahrung, da gab es eine Verbesserung. Das hat sich bewährt, weil ich das in der Hitze auch gut vertragen habe. Dazu mein Bekleidungsausrüster und die Hitzeschutzbekleidung, die ich aber nicht so oft gebraucht habe. Und dann ist da noch die Technik. Beim Zeitfahrrad war noch einiges drin, das hat einige Stunden an Verbesserung gebracht.

LAOLA1: Seid ihr nun am Limit oder gibt es weitere Verbesserungsmöglichkeiten?

Strasser: Die technischen Entwicklungen sind ziemlich am Limit. Mit Schlaf und Ernährung ist sicher noch einiges möglich, das Ganze ist aber schon sehr ausgereizt.

LAOLA1: Wann war für dich klar, dass du das Rennen gewinnst?

Strasser: Ich habe die Berichte der Konkurrenz mitverfolgt. In etwa am sechsten Tag hat Reto Schoch quasi offiziell aufgegeben. Das heißt, er hat sich eine mehrstündige Pause genommen und überlegt, ob er überhaupt weiter fährt. Da war mir klar, dass er mich nicht mehr gefährden kann. Von da an ging es um die Frage, in welcher Zeit ich es schaffe.

LAOLA1: Welche Bedeutung hat dieser Sieg samt Rekordzeit für dich?

Strasser: Das bedeutet mir natürlich wirklich viel. Davon habe ich nicht einmal zu träumen gewagt. Im Vergleich zu den Schweizern habe ich das auch nie als Ziel ausgegeben. Ich habe immer gesagt: Diese Dinge passieren, wenn alles perfekt läuft. Dass es jetzt passiert ist, war eine große Bestätigung, dass wir fast alles richtig gemacht haben. Es macht mich wirklich stolz. Hätte ich den Rekord nicht gebrochen, wäre ich aber ebenso stolz. So ein Rennen zu gewinnen, ist immer eine Wahnsinnsleistung.

LAOLA1: Kann man vom besten Rennen deiner Karriere sprechen?

Strasser: Für mich persönlich war es sicher das beste Rennen. Wolfgang Fasching war einer der Ersten, die gratuliert haben. Auch er hat gemeint, es wird eines Tages passieren, dass jemand unter acht Tagen bleibt. Es ging immer nur darum, wie sehr man im Kopf die Spannung aufrechterhalten kann. Es gab sicher kleine Fehler, zwei, drei Mal haben wir falsch navigiert. Bei einem Rennen von 5.000 Kilometern ist es aber nicht realistisch, komplett fehlerfrei zu bleiben. Wenn Kleinigkeiten passieren, ist die Frage, wie man damit umgeht. Entweder man fängt an, sich gegenseitig zu beschuldigen oder man macht das Beste daraus und fährt weiter. Es gab nur minimale Fehler, dazu wird es immer Durchhänger in so einem Rennen geben. Alles andere wäre unrealistisch.

LAOLA1: Wie hoch war der Energieverbrauch während des Rennens und wie viel Gewicht hast du verloren?

Strasser: Der Bedarf sind an die 15.000 Kalorien täglich. Zu mir genommen habe ich 11.000 bis 12.000 pro Tag. Während des Rennens habe ich rund vier Kilo verloren. Früher habe ich 15.000 Kalorien zu mir genommen, bis ich gemerkt habe, dass es für den Körper irgendwann zur Belastung wird. Ein paar Kalorien weniger können ein Vorteil sein, weil man weniger Energie verbraucht für die Verdauung. Ich habe kein Zuckerl, kein Stück Ananas, kein Taferl Schoko oder sonst irgendwas zu mir genommen – außer Flüssignahrung. Das war ideal.

LAOLA1: Welche Flüssignahrung hast du dabei zu dir genommen?

Strasser: Die Flüssignahrung kommt aus dem Krankenhaus und wird dort für gewöhnlich für operative Zwecke verwendet, beispielsweise wenn du Zähne verlierst oder mit dem Kiefer Probleme hast. Dann bekommt man diese Nahrung.

LAOLA1: Gab es denn nach dem Rennen einen Wunsch, den du dir erfüllen wolltest? Hattest du Heißhunger auf etwas?

Strasser: Ich habe mich die ganze Zeit auf ein richtig fettes Steak gefreut. Noch hat es das nicht gegeben, aber wir haben schon mal Tische reserviert.

LAOLA1: Wie geht es nun für dich weiter?

Strasser: Ich bin jetzt noch drei Tage hier in den Vereinigten Staaten. Danach gibt es in Österreich einige Termine und dann will ich Zeit mit meiner Freundin, meinen Freunden und meiner Familie verbringen. Generell ist es so, dass ich weitermachen will. Es war nie mein Ziel, mich zweimal in die Siegerliste einzutragen und dann ist Schluss. Ich mache das, weil ich es gerne mache. Ob ich auch in Zukunft hier fahre, das kann ich jetzt noch nicht sagen.

LAOLA1: Wann willst du mit dem Training wieder beginnen?

Strasser: Die Vorbereitung auf das RAAM 2014 würde im Oktober beginnen. Ich werde dann auch auf jeden Fall mit dem Training beginnen, so wie eben immer, auch wenn ich ein anderes Rennen fahren sollte. Bis dahin wird aber auch trainiert, ich will ja im September beim Race Around Ireland fahren. In den nächsten Wochen mache ich es aber so, dass es Spaß macht. Wenn das Wetter gut ist, werde ich ein bisschen fahren, wenn es schlecht ist, lege ich mich auf die Couch. Wichtig ist, dass man die Motivation langfristig aufrechterhält. Dafür ist es nötig, sich auch mal komplette Pausen zu gönnen.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Christoph Nister