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Untersuchungsbericht wirft UCI Schutz von Fahrern vor

Untersuchungsbericht wirft UCI Schutz von Fahrern vor

Die frühere Führung des Radsport-Weltverbandes (UCI) gerät im Zusammenhang mit der von Dopingvergehen geprägten Karriere von Lance Armstrong in ein schiefes Licht

Der Superstar sei ein Protégé der Verbandsverantwortlichen gewesen, so der am Montag veröffentlichte Bericht einer Untersuchungskommission, die etliche weitere Verfehlungen zutage förderte.

Es gebe "zahlreiche Beispiele", dass Armstrong von der UCI "verteidigt" oder "beschützt" worden sei, heißt es im 227-seitigen Papier der Unabhängigen Kommission (CIRC). Sie stellte in den Amtszeiten der umstrittenen Ex-UCI-Präsidenten Hein Verbruggen und Pat McQuaid nicht nur eine bevorzugte Behandlung seiner Stars Armstrong und Alberto Contador fest, sondern auch viele Fehler im Anti-Doping-Kampf und weitere fragwürdige Vorgänge.

Armstrong entschuldigt sich

Eine Zahlung von Armstrong an die UCI in Höhe von 125.000 Dollar wurde belegt. Dass sie im Zusammenhang mit einer Vertuschung von positiven Dopingproben des US-Amerikaners steht, konnte aber nicht nachgewiesen werden.

"Die UCI befreite Lance Armstrong von Regeln, verpasste es, ihn trotz Verdächtigungen gezielt zu testen und unterstützte ihn öffentlich gegen Dopinganschuldigungen", analysierte die Kommission, die von der neuen UCI-Führung unter Präsident Brian Cookson im Jänner 2014 eingesetzt worden war.

Armstrong war erst 2012 nach dem Ende seiner Karriere wegen langjährigen Dopings lebenslang gesperrt worden. Außerdem wurden ihm nahezu alle Erfolge, darunter die sieben Gesamtsiege bei der Tour de France, aberkannt. Der Texaner hatte anschließend ein Dopinggeständnis abgelegt und begrüßte nun die Veröffentlichung des Berichts. "Ich hoffe, dass die Enthüllung der Wahrheit in eine strahlende und Doping-freie Zeit des Sports führt, den ich liebe", teilte er in einem Statement auf seiner Website mit. "Ich entschuldige mich zutiefst für viele Dinge, die ich gemacht habe."

Nicht "Außergewöhnliches" gefunden

Wie der Bericht weiter festhält, sei der Aufstieg Armstrongs zum Superstar seiner Sportart erst durch die UCI möglich geworden. "Für die UCI war Armstrong die perfekte Wahl, um der Sportart zu einer Renaissance zu verhelfen. Die Tatsache, dass er Amerikaner war, öffnete dem Sport die Tür zu einem neuen Kontinent."

McQuaid und Verbruggen, die im Bericht als "schwach" und "autokratisch" bezeichnet werden, hatten sich zuvor gegen die Vorwürfe verteidigt. McQuaid las aus dem Bericht sogar Entlastendes heraus. Er sei erleichtert, dass der Bericht festhalte, dass es "keine Korruption oder Komplizenschaft im Zusammenhang mit Doping" gegeben habe, sagte der Ire am Montag.

Er habe der Kommission lückenlosen Einblick in seinen E-Mail-Verkehr der letzten zehn Jahre gegeben. Dass dabei nichts "Außergewöhnliches" gefunden worden sei, sage viel, so der UCI-Chef der Jahre 2006 bis 2013.

Cookson sehr kritisch

Sein Nachfolger Cookson sieht freilich genügend Anlass für Kritik. "Der Führungsstil wird in dem Bericht ziemlich kritisiert und hat zu vielen Fehlern geführt", urteilte der Brite am Montag über seine Amtsvorgänger.

Die damalige UCI-Führung habe stets versucht, die Probleme zu kontrollieren und zu limitieren, statt sie aktiv zu eliminieren. "Zu dieser Zeit haben sie immer das Image und das Geschäft des Sports über Integrität, Transparenz und Ehrlichkeit gestellt", so Cookson.

Verbruggen will er nahelegen, seinen UCI-Ehrenvorsitz abzugeben. Cookson kündigte ein Schreiben an den Niederländer mit der Bitte an, "seine Position zu überdenken". Der Radchef der Jahre 1991 bis 2005 solle in der Zukunft des Sports keine Rolle mehr spielen.

"Unklug"

Dass positive Dopingproben vertuscht wurden, konnte die Kommission nicht belegen. Trotzdem erscheint die UCI-Führung wegen zahlreicher dubioser Vorgänge in einem schlechten Licht. 1999 wurde bei Armstrong nach einer positiven Probe auf Kortison entgegen des Reglements ein nachträgliches Attest zugelassen. 2001 waren bei Armstrong während der Tour de Suisse Proben als "verdächtig" hinsichtlich EPO-Dopings festgestellt worden.

Die UCI hatte auf weitere Untersuchungen verzichtet und stattdessen Spenden von Armstrong akzeptiert, was die Kommission als "unklug" wertete.

Auch bei den Enthüllungen der französischen Sportzeitung "L'Equipe" über Armstrong-Proben, bei denen im Zuge von Nachtests EPO festgestellt worden war, habe die UCI eine fragwürdige Haltung eingenommen.

Fall Contador "schlechtes Krisenmanagement"

Ähnlich wertet die Kommission auch den Fall Contador. Der zweimalige Tour-de-France-Sieger aus Spanien sei ebenfalls in den Genuss einer bevorzugten Behandlung gekommen. Demnach wurde er vom positiven Dopingtest auf Clenbuterol persönlich in seinem Heimatland bei einem Treffen mit drei UCI-Funktionären informiert. Verunreinigtes Fleisch wurde dabei als mögliche Ursache erörtert.

Mehrere Befragte hätten die Vorgehensweise der UCI als "seltsam" empfunden. "Die CIRC hat kein Beispiel gefunden, in dem diese Vorgehensweise auch bei anderen Fahrern angewendet wurde", hieß es in dem Bericht. Der Fall Contador sei ein Beispiel für das "schlechte öffentliche Management von Krisensituationen" durch die UCI. Dass der Weltverband die positive Probe vertuschen wollte, konnte durch die Kommission aber nicht nachgewiesen werden.

Bei Contador waren während der Tour 2010 geringe Spuren von Clenbuterol in einer Probe entdeckt worden. Der Spanier wurde von seinem Heimatverband zunächst freigesprochen. Dieses Urteil wurde vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) aber in eine zweijährige Sperre umgewandelt.

Kampf gegen Doping noch lange nicht gewonnen

Für den heutigen Radsport sieht die CIRC auch noch Probleme: "Der Kampf gegen Doping ist noch lange nicht gewonnen." Laut den zahlreichen Gesprächen der CIRC seien viele Fahrer der Ansicht, dass Doping auch heute noch "weitverbreitet ist".

Ein Fahrer glaubte gar, dass 90 Prozent des Pelotons heute noch dopen würden. Die Kommission unterhielt sich zwar mit einigen (geständigen) Dopingsündern wie Michael Rasmussen und Jörg Jaksche, Österreicher wie Bernhard Kohl befanden sich hingegen nicht auf der angeführten Zeugenliste.

Auch Cookson glaubt, dass Doping im Radsport nach wie vor eine Rolle spiele, wenngleich nicht mehr eine so wichtige wie früher. "Ich glaube, dass es im Radsport immer noch ein verbreitetes Dopingproblem gibt, aber auf einem niedrigeren Niveau", sagte der UCI-Chef.