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Zeitfahren in Podersdorf: Jetzt geht's um alles

Zeitfahren in Podersdorf: Jetzt geht's um alles

Der Schein trügt.

Auf den ersten Blick mag die 66. Österreich-Rundfahrt entschieden sein. Von 14.400 Höhenmetern, die es in acht Tagen zu absolvieren gilt, haben die Profis nur noch 254 offen.

Ein Klacks, sollte man meinen.

Es ist noch nicht vorbei

Doch nachdem der Sonntagberg, das Kitzbüheler Horn, der Großglockner und auch der Dobratsch bewältigt sind, wartet eine weitere Härteprüfung auf die Klassementfahrer der Ö-Tour 2014.

Im traditionellen Einzelzeitfahren von Podersdorf (ab 14 Uhr im LAOLA1-LIVE-Ticker) werden die brettlebenen 24,1 Kilometer Aufschluss darüber geben, wer nach der Tour d'Honneur am Sonntag vor dem Wiener Burgtheater die Siegestrophäe mit nach Hause nehmen darf.

Der Brite Pete Kennaugh startet aus der Pole Position, was im Radsport bedeutet, dass er die Strecke als Letzter in Angriff nimmt und über die Zeiten der Konkurrenz informiert werden kann.

Erschöpft

Der Sky-Profi, der sich erst vergangene Woche zum britischen Meister krönte, wirkte nach der letzten Bergetappe hinauf zum Dobratsch erschöpft. "Es war ein so harter und schneller Tag. Gleich zu Beginn hat sich eine große Ausreißergruppe gebildet, die sehr stark fuhr, so dass wir hinten extrem viel arbeiten mussten. Es gab nicht einen Moment, in dem man sich ein wenig ausruhen konnte, die ganze Zeit war Vollgas angesagt", so der Mannschaftverfolgungs-Olympiasieger von 2012 gegenüber LAOLA1.

"Nach der schweren Etappe wird das Zeitfahren sehr hart, jeder ist müde. Ich hoffe, ich kann genügend pushen, um das Gelbe Trikot zu behalten", macht sich der 25-Jährige berechtigte Hoffnungen darauf, als Leader nach Wien zu kommen.

Der Vorsprung auf die ersten Verfolger ist komfortabel. Javier Moreno (Movistar/+1:02 min), Oliver Zaugg (Tinkoff-Saxo/+1:17) und Damiano Caruso (Cannondale/+1:27) liegen allesamt deutlich zurück und sind zudem von der Papierform her schlechtere Zeitfahrer als der Leader.

110 Prozent

Die Taktik Kennaughs ist schnell erzählt: "Man muss 24 Kilometer lang alles geben und so schnell fahren wie möglich. Ich werde 110 Prozent geben und hoffentlich in Führung bleiben, auch wenn der Vorsprung nicht allzu groß ist."

"Pete geht zuversichtlich in das morgige Zeitfahren, er hat seinen Vorsprung auf über eine Minute ausgebaut, wenn alles normal verläuft, sollte er in der Lage sein, sein Trikot zu verteidigen", ergänzt Sky-Sportdirektor Dan Frost: "Alles, was er tun muss, ist, ein Zeitfahren abzuliefern, wie wir es von ihm kennen." 

Auch Ehrengast Matthias Mayer, der am Freitag zu Besuch bei der Österreich-Rundfahrt war, glaubt an einen Sieg Kennaughs. "Er ist sehr stark und hat überhaupt keine Zeit eingebüßt. Da wird sich beim Zeitfahren nicht mehr viel ausgehen, aber man kann ja noch hoffen."

Das tun jedenfalls Kennaughs unmittelbare Rivalen, denen die Entscheidung des letzten Jahres ans Herz gelegt sei. 2013 nahm der Belgier Kevin Seeldrayers 52 Sekunden Guthaben mit in den Kampf gegen die Uhr und musste sich am Ende doch noch Riccardo Zoidl und seinem Teamkollegen Alexandr Dyachenko geschlagen geben.

Der "alte Zoidl" ist zurück

Zoidl (Trek) hat übrigens Lunte gerochen und am Dobratsch ein Ausrufezeichen gesetzt. Der Titelverteidiger, dem die erste Etappe nach Sonntagberg "die Rundfahrt versaut" hat, präsentierte sich mit Rang vier stark und freute sich über seine Leistung: "Das war wieder der alte Zoidl!"

Dieser hat sich auf Gesamtrang neun verbessert und liegt nur noch 43 Sekunden hinter Patrick Konrad. Der Gourmetfein-Simplon-Kapitän schlug sich auch bei der letzten Bergankunft beachtlich und liegt vor dem Einzelzeitfahren auf Rang fünf.

Damit ist er auch in Podersdorf Träger des "Weißen Trikots", das den besten Österreicher auszeichnet. Ob das so bleibt, stellt Konrad allerdings in Zweifel: "Ricci wird mir einige Sekunden abnehmen. Es wird sehr schwierig."

Quintana vs. Konrad

Kein einfaches Unterfangen wird es zudem für den 22-Jährigen, die Wertung für den besten U25-Fahrer einzusacken.

Aktuell liegt er an der Spitze, doch Dayer Quintana, der am Kitzbüheler Horn triumphierte und am Dobratsch Zweiter wurde, rückte ihm gefährlich nahe.

Fünf Sekunden trennen den Kolumbianer in Diensten Movistars vom Gourmetfein-Simplon-Profi. Beide sind keine ausgewiesenen Spezialisten, der Bruder des Giro-Siegers hat in diesem Jahr noch kein einziges Einzelzeitfahren bestritten, Konrad wurde vor zwei Wochen immerhin Sechster der Staatsmeisterschaften im Kampf gegen die Uhr.

Bergtrikot vergeben

Der Russe Maxim Belkov vom Katusha-Team sicherte sich durch seine vielen Fluchtversuche mit 37 Punkten die "Wiesbauer"-Bergwertung vor Quintana (23 Punkte) und Kennaugh (20).

"Auf diese Wertung bin ich gefahren und das habe ich geschafft. Ein toller Erfolg für mein Team und mich bei dieser Top-Besetzung hier", erklärt der 29-jährige Russe, im Vorjahr bereits die neunte Etappe des Giro d'Italia gewann.

Zweites Trikot für Kennaugh?

Der Kampf um das "Silberne Trikot" des Punktbesten ist hingegen noch offen. Leader Kennaugh führt das Klassement mit 42 Zählern vor Caruso (36) sowie dessen Teamkollegen und zweifachen Etappensieger Oscar Gatto (30) und Moreno (30) an.

In der Teamwertung hat Movistar die Nase vorn und führt mit 4:52 Minuten vor Tinkoff-Saxo sowie 5:50 Minuten vor Gourmetfein-Simplon.

 

Henriette Werner / Christoph Nister