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Erfolge beim Giro als Form der Genugtuung

Erfolge beim Giro als Form der Genugtuung

Skepsis, Kritik und Unverständnis waren groß, als bekannt wurde, dass die Equipe NetApp eine Wildcard für den Giro d’Italia ausgestellt bekommt.

Italienische Medien wollten nicht glauben, dass ihre Landsleute von Acqua & Sapone leer ausgingen und stattdessen die „No Names“ aus der deutschen Mannschaft an den Start gehen sollten.

Schnell wurde die Qualitätsfrage gestellt.

Schon vor der dritten Woche ist klar: NetApp stellt eine Bereicherung für die Italien-Rundfahrt dar und sorgte bisweilen für großen Unterhaltungswert.

Zahlreiche Fluchtversuche, ein halbes Dutzend Spitzenplatzierungen, zwei zweite Etappenränge – nur mit dem Sieg wollte es partout nicht klappen.

Heppner: „Prägen den Giro mit“

„Wir sind sehr zufrieden und hätten nicht gedacht, dass wir beim Giro so präsent sein würden“, kann Jens Heppner, Ex-Profi und Sportlicher Leiter, sein Glück kaum in Worte fassen.

Die Teamleitung habe natürlich gehofft, hin und wieder in einer Ausreißergruppe vertreten zu sein sowie die eine oder andere Top-10-Platzierung herausfahren zu können. „Wir hätten aber nie gedacht, dass wir – abgesehen vom Gesamtklassement – den Giro durchaus mitprägen.“

Heppner, der vor zehn Jahren noch selbst die italienischen Landstraßen unsicher machte und mit seinem mehrtägigen Ritt im Rosa Trikot für Furore sorgte, sieht die Freude jedoch nicht nur auf Seiten der Team-Bosse. Auch die Giro-Organisatoren dürften die Leistungen von Daniel Schorn, Jan Barta und Kollegen wohlwollend vernommen haben.

Heppner ist mit Brändle nicht vollauf zufrieden

„Daniel ist wirklich gut gefahren – wie schon die ganze Saison. Er hat starke Platzierungen eingefahren, war immer präsent und erledigt einen tollen Job.“ Inzwischen spüre man dem Salzburger jedoch – wie vielen anderen – die Müdigkeit in den Beinen an.

Kein Wunder, ist er doch noch nie ein längeres Rennen als die Ö-Tour gefahren. „Man sieht es ihm an“, erläutert Heppner, „wenn er zum Essen kommt. Da steht ihm die Müdigkeit ins Gesicht geschrieben.“

Brändle wäre „zu mehr fähig“

Brändle hingegen konnte seinen Chef nicht restlos von sich begeistern. „Matthias ist gut in die Saison gekommen, wirkt aber beim Giro ein bisschen kaputt. Ich sage mal so: Er ist zu mehr fähig. In den Bergen könnte er normalerweise mitfahren, hier hat er aber seine Probleme.“

Der Vorarlberger bekam während der Rundfahrt gesundheitliche Probleme, „da ist es fast unmöglich, sich noch einmal vollständig zu erholen. Das merkt man ihm an. Wir können daher nicht ganz zufrieden sein.“

Sechs Etappen bleiben dem 22-Jährigen, um sich noch einmal in Szene zu setzen. Leicht wird es allerdings nicht. „Die letzte Woche liegt uns nicht so“, schickt Heppner vorweg. Klingt plausibel, stehen doch mehrere Hochgebirgsetappen auf dem Programm.

Duell Rodriguez – Basso?

„Wir werden natürlich wieder etwas versuchen, aber die letzte Woche ist ein Fall für die Favoriten.“ Diese haben sich längst in Stellung gebracht und liefern sich ein heißes Duell um den Gesamtsieg.

Auf wen tippt Heppner? „So wie es aussieht – (Joaquim) Rodriguez. Er fährt unheimlich stark und kontrolliert. Ich bin aber auch gespannt, was (Ivan) Basso noch zeigt. Er hat sich immer versteckt, während Rodriguez aggressiv gefahren ist und Kräfte verpulvert hat.“

 

Christoph Nister

Die Kritiker sind verstummt

„Ich glaube, der Giro-Leitung ist ein Stein vom Herzen gefallen, als sie uns so stark gesehen haben. Es gab doch einen großen Druck nach der Ausladung von Acqua & Sapone. Es gab im Vorfeld jede Menge Kritik.“

Diese Stimmen wurden erst leiser, als NetApp bei der Settimana Internazionale di Coppi e Bartali groß abräumte. Neben zwei Etappensiegen standen am Ende des sechstägigen und prominent besetzten Rennens die Gesamtränge eins (Barta) und zwei (Bartosz Huzarski) zu Buche.

Beim Giro folgten diverse Angriffe und Husarenritte, wobei Barta und Huzarski mit jeweils einem zweiten Tagesrang haarscharf am ersten Etappensieg des Rennstalls dran waren.

„Jetzt kann keiner mehr darüber diskutieren, ob die Einladung richtig oder falsch war. Im Grunde ist es schon auch eine Form der Genugtuung“, spricht der Stolz aus Heppner.

Zwei Fix-Starter mussten passen

Der Erfolg beflügelt das ganze Team und sorgt trotz aller Strapazen für gute Laune. „Alle sind happy. Was jetzt auch noch kommt – ich glaube, wir können wirklich mit einem guten Gefühl nach Hause fahren.“

Besonders bemerkenswert: NetApp eilt von Erfolg zu Erfolg, ohne mit dem besten Aufgebot beim Auftakt in Dänemark an den Start gegangen zu sein. „Wir wollten Marcel Wyss und Leopold König noch mitnehmen“, erläutert der 47-jährige Sportdirektor.

„Beide sind kurz vorher erkrankt. Die ganze Geschichte hätte mit ihnen wohl noch besser ausgesehen.“ König, im Vorjahr Zweiter der Österreich-Rundfahrt, war als Mann für das Gesamtklassement eingeplant, Wyss als Edelhelfer in den Bergen.

„Die beiden fehlen uns natürlich sehr. Nachdem sie abgesagt hatten, hatten wir doch auch Angst. Und dennoch haben wir uns wirklich stark präsentiert. Es waren zwei erfolgreiche Wochen bisher für uns.“

Schorn „erledigt einen tollen Job“

Mittendrin, statt nur dabei sind auch zwei rot-weiß-rote Rad-Profis: Daniel Schorn und Matthias Brändle. Doch nur einer der beiden konnte Heppner auch wirklich überzeugen.