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Bradley Wiggins: "Komme zum Giro, um zu gewinnen"

Bradley Wiggins:

Der Giro del Trentino, ein traditionelles-Vorbereitungsrennen für die Italien-Rundfahrt, hat heuer ein illustres Fahrerfeld zu bieten.

Neben Cadel Evans, Ex-Tour-de-France-Sieger, Vincenzo Nibali, Ivan Basso und Michele Scarponi wird auch Tour-de-France-Triumphator und Olympiasieger Bradley Wiggins am Dienstag in Osttirol an den Start gehen.

Bei schönstem Sonnenschein und warmen Temperaturen in Lienz trat Wiggins einen Tag vor dem Start der 37. Auflage der Trentino-Rundfahrt, deren erste zwei Halbetappen sowie der Start des zweiten Tagesabschnittes durch Osttirol führen, vor die versammelte Presse.

Der zum Ritter geschlagene Radstar ließ dabei allerdings ziemlich lange auf sich warten. Er wirkte erschöpft und ausgelaugt, Gerüchte gehen herum, dass sich der Sky-Kapitän nicht gut fühle und schon am Vortag Journalisten vergebens vier Stunden auf ein Interview habe warten lassen.

Ein guter Test

Auf die Frage, warum er den Giro del Trentino bestreite, folgte zunächst langes Schweigen. Der erste britische Toursieger erweckte den Eindruck, als sei er mit den Gedanken gänzlich woanders. Schließlich erklärte er, dass die Rundfahrt von Anfang an auf seinem Trainingsplan stand und aufgrund der vielen Berge eine gute Generalprobe für den Giro d'Italia darstelle. "Ein guter, schwerer Test für das Team und die Zusammenarbeit".

Dazu hat er sich vorgenommen, zumindest eine Etappe zu gewinnen. "Ich will immer gewinnen, aber es ist nicht immer möglich", so der 32-Jährige. Die Rundfahrt sei schwer einzuschätzen, zumal es nur ein Team- und kein Einzelzeitfahren gibt: "Es kommt auf den ersten Tag und die ersten Berge an und darauf, was die anderen planen. Das kann man man aber nie vorhersehen."

"Sir Wiggo" als TV-Star?

Der Radstar taute langsam auf und witzelte: "Könnte ich die Zukunft vorhersagen, würde das wunderbaren Stoff für eine Fernsehshow ergeben." Dann wurde er wieder ernst: "Im letzten Jahr war Vincenzo Nibali nirgends zu sehen und plötzlich war er bei der Tour ganz stark." Es ist also alles möglich - auch beim Giro del Trentino.

Nach der Rundfahrt will der Brite zunächst in der Gegend bleiben, um das Profil des Bergzeitfahrens der diesjährigen Italien-Rundfahrt zu begutachten. Schon vor der Rundfahrt in Südtirol besuchte er die Tre-Cime-di-Lavaredo-Etappe des diesjährigen Giro, konnte diese allerdings nicht vollständig abfahren, da auf vielen Straßen noch Schnee lag. "Es war ein Schnee-Desaster", beschrieb er die Strecken-Besichtigung.

Form in Arbeit

In der bisherigen Saison sah man Wiggins, der sich wieder seine markanten Koteletten hat stehen lassen, noch nicht allzu oft im Renneinsatz. Dennoch schien er mit seinen Trainingsfortschritten zufrieden zu sein. Der fünfte Platz bei der Katalonien-Rundfahrt – die kein Einzelzeitfahren beinhaltete – sei ein großer Erfolg für ihn gewesen.

"Ich bin genauso weit wie im letzten Jahr bei der Tour-de-France-Vorbereitung", beschrieb der müde Rad-Held seine Verfassung.

Allerdings trainiere er für den Giro noch intensiver als in der Vergangenheit. Das Rennprogramm des 32-Jährigen, für den 40 Stunden Training in der Woche alltäglich sind, habe sich stark verändert.

Giro vs. Tour

Die Tour de France und der Giro d'Italia seien nach Einschätzungen des Briten sehr unterschiedliche Rundfahrten. Letztendlich schätzte Wiggins den Giro als unkontrollierbarer ein. "Die schweren Berge kommen früher als bei der Tour, sie dauern länger an und sind schwieriger vorherzusehen."

Der Giro d'Italia war 2003 seine erste große Rundfahrt, "In den letzten zehn Jahren hat sich der Radsport sehr stark verändert." Und auch er selbst habe sich weiterentwickelt, seine Ansprüche seien andere geworden.

"Damals bin ich gerade so im Feld mitgefahren. Jetzt komme ich zum Giro, um zu gewinnen."

Keine ständigen Rechtfertigungen

"Wiggo" freut sich auf die Rennen in Italien und die begeisterten Fans an der Strecke: "Italien liebt den Radsport." Er lobte auch die italienischen Journalisten, die ihn über das Rennen fragten und nicht überall eine Geschichte witterten.

"Ich möchte mich einfach aufs Rennen konzentrieren und habe in Frankreich jeden Tag das Gefühl, mich für meinen Sport rechtfertigen zu müssen. Deshalb konnte ich die letzte Tour bis auf das letzte Wochenende nicht genießen", zog er eine eher traurige Bilanz seines Tour-Sieges und bemängelte die negative Berichterstattung, die das Rennen seiner Meinung nach bestimmte und trübte.

"Beim Giro wird das anders sein", hofft er auf ein dopingfreieres Klima.

 

Aus Lienz berichtet Henriette Werner