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"Ein geiles Gefühl, wieder im Feld zu fahren"

Ein Jahr lang ging er durch die Hölle.

Ärzte konnten ihm nicht helfen, die Schmerzen im Knie, unter denen IAM-Profi Stefan Denifl seit seinem Sturz beim Criterium Dauphiné litt, blieben. Monat für Monat.

Eine Verletzung am proximalen Tibiofibulargelenk - eine Verbindung zwischen Schien- und Wadenbein, hatte eine Sehne gereizt, sodass jede Belastung für den Tiroler zur Qual wurde und zur einer erneuten Schwellung führte.

Oft dachte der 27-Jährige ans Aufhören, wusste nicht, ob er je wieder auf dem Rad würde sitzen können.

Im Gespräch mit  LAOLA1 erklärt ein sehr erleichterter Stefan Denifl, wie es trotz dieses langen Leidensweges zu seinem erfolgreichen Comeback bei der Bayern-Rundfahrt kommen konnte und wie es nun für ihn weiter geht.

LAOLA1: Wie geht es dir nach der Bayern-Rundfahrt?

Stefan Denifl: Ich bin sehr erleichtert und froh, dass es so gut gelaufen ist vom Knie her. Klar hätte ich mir das so gewünscht, aber es war doch besser als erwartet. Ich bin auf jeden Fall sehr zufrieden.

LAOLA1: Das Knie hat also zu 100 Prozent gehalten?

Denifl: Ja. Im Nachhinein war es ein harter Einstieg. Ich saß zwar zuvor bereits fünf Wochen auf dem Rad, aber da habe ich langsamer und mehr auf Ausdauer hin trainiert. Gleich die erste Etappe über 220 km mit fast 3.000 Höhenmetern war konditionell schon eine Herausforderung für mich. Aber das war mir von vornherein klar, wichtig war mein Knie und das hat echt gut gehalten. Nur am zweiten Tag hat es ein bisschen gejammert. Es war so wichtig, dass es auch im Rennen hält. Jetzt bin ich auch im Kopf relaxter.

LAOLA1: Wie wurdest du im Rennen aufgenommen?

Denifl: Sehr gut, das Team war voll happy. Das letzte Rennen bin ich im Juni 2014 bei der Dauphine gefahren, das ist elf, zwölf Monate her und die meiste Zeit davon saß ich gar nicht auf dem Rad. Vor der ersten Etappe war ich schon ein wenig nervös, aber es war ein geiles Gefühl, wieder im Feld zu fahren und bei den Teamkollegen zu sein.

LAOLA1: Vor einem Jahr warst du richtig gut drauf und wurdest unter anderem Siebenter bei Paris-Nizza. Dann kam der schwere Sturz im Juni bei der Dauphiné. Wie verarbeitet man eine derart lange Zwangspause?

Denifl: Das Frühjahr 2014 war wirklich extrem gut, ich war bei den Rennen, die mir liegen, an der Weltspitze dabei. Dann kam die Sache mit dem Knie und ich habe mich zwischenzeitlich gefragt, ob ich überhaupt je wieder aufs Rad steigen kann. Ich bin ein halbes Jahr lang zu jedem Therapeuten gelaufen, auch in Deutschland, Italien, in der Schweiz und jeder hat etwas probiert und nichts hat richtig geholfen. Im Oktober und November war ich bei einem guten Therapeuten, der gesagt hat, das kriegen wir schon wieder hin. Wir hatten zehn Termine und vor Weihnachten hat es eigentlich gut ausgeschaut. Aber sobald ich das Knie ein wenig belastet habe, ist es wieder angeschwollen. Da kam schon der Punkt, an dem ich dachte, ich hab alles probiert, gehe zweimal aufs Rad und wieder das gleiche… Aber es nützt ja nichts, man muss es immer weiter probieren. Es war schon ein großer Energieaufwand, aus diesem Loch wieder herauszukommen. Ich war Ende Dezember dann in Innsbruck bei neuen Sportärzten, die sich das Knie noch einmal im MRT angeschaut haben und festgestellt haben, dass die Sehne nicht gut aussieht. Eine OP war auch keine richtige Option, da hätte das gesamte Knie neu konstruiert werden müssen, ich wäre mindestens ein Jahr außer Gefecht gewesen und keiner hätte mir sagen können, ob es je wieder voll belastbar wird.

LAOLA1: Wie hast du es geschafft, diese schwere Zeit zu überstehen und nun doch wieder auf dem Rad zu sitzen?

Denifl: Ich hatte Glück, die Ärzte haben mir einen echt guten Physiotherapeuten, Patrick Grassnig, empfohlen, der selbst früher Rad gefahren ist. Wir haben im Januar und Februar sehr viel zusammengearbeitet, am Anfang mehr passiv und dann Schritt für Schritt aktiver, bei vielen Übungen hatte ich richtig Schmerzen. Im März ging es etwas bergauf, ich bin viel auf Skitouren gegangen, um die Kondition wieder aufzubauen, die war ja komplett weg. Ende März saß ich das erste Mal wieder auf der Rolle, aber es war die Hölle. Das hat mich sehr erschreckt, weil es sonst überall besser lief, nur auf dem Rad nicht. Eine Woche später hat er mich dann überredet, mit ihm am Gardasee Rad zu fahren und wir waren zwei Tage dreieinhalb Stunden lang unterwegs. Es hat zwar gezwickt, aber es war okay! Seitdem wurde es zum Glück Schritt für Schritt besser.

LAOLA1: Wer hat dir in der schweren Zeit am meisten geholfen, durchzuhalten?

Denifl: Patrick hat den größten Anteil daran. Am 1. Jänner hat er gesagt, er hat einen Plan und ich soll ihm das Problem geben, denn ich hatte ja schon alles probiert. Da war auch die psychische Komponente extrem wichtig. Ich bin ihm sehr dankbar. Ohne ihn wüsste ich nicht, wo ich jetzt wäre… Ich habe immer gewusst, dass beim Knie keine 80 oder 90 Prozent reichen. Wenn du als Radfahrer etwas am Arm hast, kannst du das eher kompensieren, aber die Beine müssen 100 Prozent passen, sonst funktioniert das nicht. Da hat man auch vom Kopf her einen gewissen Stress. Und wenn du Jahre lang immer Ausdauer trainiert hast, ist auch die ganze Stimmung am Boden, weil einem die Belastung fehlt. Es war wirklich keine einfache Zeit.

LAOLA1: Wie hat dich dein Team in der Zeit unterstützt?

Denifl: Das Team war perfekt. Ich war voll happy mit der Reaktion, sie haben mir immer gesagt, Stefan, wir wollen dich dann zurückhaben, wenn du 100 Prozent fit bist. Wir wissen, was du kannst, wir haben 30 Fahrer im Team, dass da ein, zwei Fahrer etwas haben, kann sein. Nimm dir die Zeit, die du brauchst und wenn du wieder fit bist, bist du herzlich willkommen. Ich weiß, dass es nicht viele Teams gibt, die so reagieren.

LAOLA1: Schauen wir lieber nach vorne. Wie geht’s es nun weiter für dich?

Denifl: Ich bin mit dem Team so verblieben, dass wir erstmal abwarten, wie die Bayern-Rundfahrt läuft und dann alles weitere besprechen. Aber es wird entweder die Dauphiné oder die Tour de Suisse werden, das sind beides große Rundfahrten und Vorbereitungsrennen auf die Tour de France. Prinzipiell bin ich mit jeder der beiden happy. Nachher wird man sehen, ob es die Tour wird oder die Österreich-Rundfahrt.

LAOLA1: Du blickst also lieber noch nicht so weit nach vorne…

Denifl: Nein, der Radsport ist so kurzlebig, da kann so viel passieren. Es ist schwer, etwas zu planen. Oft werden die Träume und Ziele so schnell weggeblasen, da ist es besser, das Ganze kurzfristig zu sehen.

LAOLA1: Also weißt du auch noch nicht, wie es nach der Saison weiter geht?

Denifl: Nein. Ich will auf alle Fälle im Team bleiben, es ist das beste Team, für das ich bisher gefahren bin. Aber es ist klar, dass ich jetzt etwas zeigen muss. Ich war ein Jahr lang weg und das Team muss wissen, dass es auf mich zählen kann. Daran arbeite ich die nächsten Wochen und Monate, ich mache mir aber keine Sorgen. Der 22. Platz bei der Bayern-Rundfahrt nach nur fünf Wochen Training hat mir gezeigt, wenn das Knie hält, kommt das Niveau, auf dem ich schon einmal war, wieder. Im Moment muss ich glücklich sein, dass ich überhaupt wieder auf dem Rad sitze.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Henriette Werner