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Die Reform-Einigung ist das Ziel

Die Reform-Einigung ist das Ziel

Nach den medaillenlosen Sommerspielen in London 2012 ist in Österreich eine intensive Diskussion über die aktuellen Sport-Strukturen und ihre Förderung los gebrochen.

Der Reform-Gesetzesentwurf von Sportminister Norbert Darabos, der noch in der ersten London-Woche mit seinen kritischen Aussagen für Aufregung gesorgt hatte, lag schon vor London vor und wurde vom unabhängigen Sport begutachtet und kritisiert.

In zwei getrennt geführten Interviews der APA nahmen die beiden SPÖ-Politiker Darabos und Peter Wittmann, Präsident der Bundes-Sportorganisation (BSO) und des ASKÖ, am Montag zu aktuellen Sport-Fragen Stellung.

Frage: Wie kommentieren Sie das Abschneiden unseres Teams in London?

Darabos: "Ich stehe zu meinem dortigen Aufruf, denn bei null Medaillen besteht Handlungsbedarf. Ich wollte ein bisschen nach dem Motto 'haltet den Dieb' deshalb während der Spiele wachrütteln, weil ich das Gefühl habe, dass nicht alle an einer Reform interessiert sind. Ich bin aber bekannt als Einer, der zu den Sportlern steht. Dieses Null-Ergebnis muss für ein Aufwachen sorgen. Auch bei jenen, die bisher skeptisch waren."

Wittmann: "Das Abschneiden braucht man nicht schönreden. Das ist von niemand erwartet und gewollt worden, auch die Sportler haben sich das sicher anders vorgestellt. Sie haben ja ihr ganzes Leben darauf ausgerichtet. Jedem war aber schon vorher klar, dass es so nicht
weitergehen kann. Der Auftritt von Darabos war unprofessionell."

Frage: Sehen Sie sich in einem Konflikt mit anderen Parteien des Sports?

Darabos: "Ich habe kein Problem mit dem Österreichischen Olympischen Komitee (ÖOC). Es ist nicht negativ gemeint, wenn man sagt, dass das ÖOC eine Agentur ist, die Menschen zu Olympia schickt und dazwischen eigentlich null Kompetenz hat. Da bin ich mit Karl Stoss (ÖOC-Präsident/Anm.) auf einer Linie, dass man sich künftig besser vorbereiten können soll. Es hakt dort, wo es Besitzstandswahrung bei Verbänden gibt. Das Konzept mit Prime Sportarten bedeutet natürlich für einige Verbände weniger Geld. Aber im Lichte der Bilanz von London muss man sich zusammensetzen und nicht einer gegen den andern schießen. Selbst wenn die Reform schon stattgefunden hätte, hätte es auf 2012 noch keine Auswirkungen gehabt. Wir müssen langfristig für Strukturen sorgen."

Wittmann: "Von mir wird es kein böses Wort auf persönlicher Ebene geben. Schuldzuweisungen bringen nichts, wir sitzen ja alle im gleichen Boot. Wir brauchen Lösungen. Wir lassen uns aber nicht als Verhinderer bezeichnen. Schon gar nicht in einer Frage, in der wir nicht einmal mitreden konnten. Es kann nicht sein, dass über die Hintertür wieder der Staatssport eingeführt wird. Alle erfolgreichen Länder sind weg von den Ministerien und hin zu den autonomen Verbandsstrukturen. Fachleute sollen entscheiden, nicht Ministerien. Das ist eine rückwärtsgewandte Reform."

Frage: Formulieren Sie bitte konkret, wie sie sich die Reform der Sportförderung vorstellen.

Darabos: "Es geht auf jeden Fall in Richtung mehr Leistungsorientiertheit. Die Förderung soll zu 50 Prozent an den Spitzensport, zu 50 Prozent an den Breitensport gehen. Dazu sind Prime-Sportarten zu definieren, in denen wir im Sommer erfolgreich sein können, im Winter geht's ja. Drittens einen Talente-Pool, den wir gezielt für 2016 und 2020 unterstützen, viertens um die Sport-Infrastrukturen."

Wittmann: "Wir dürfen die Förderungen für Leistungs- und Breitensport nicht durcheinanderbringen, die Spitzensportförderung liegt ja beim Bund. Niemand will die Gießkanne. Auch bei uns soll fokussiert werden. Also eine Basisförderung für nichtolympische Disziplinen und einen Bonus für olympische Verbände, die mit einem Multiplikator bessergestellt werden. Dazu Zielvereinbarungen wie es der deutsche Sportbund macht sowie einen Olympia-Kader. Und obendrauf kommt die Spitzensportförderung vom ÖOC. Aber Zielvereinbarungen und spezielle Talente-Trainer kann es auch schon in der Basisförderung geben. Wenn die beiden Systeme ineinandergreifen, dann würde es auch viel zielgerichteter hin zum Spitzensport gehen."

Frage: Soll die Sportförderung in eine Hand?

Darabos: "In der Allgemeinen Förderung werde ich einiges selbst erledigen müssen, das werde ich auch mit aller Konsequenz tun, wenn einige Verbände nicht mitziehen. Ich habe ja auch die 80 Millionen der Besonderen Förderung erkämpft, das wird schnell vergessen. Von 130 Mio. Euro gehen 'nur' vier Millionen an das Team Rot Weiß Rot. Es ist aber keine Frage der Eitelkeit, wo das Geld daheim ist. Ich stehe zur Autonomie des Sports, es muss aber auch Lenkungseffekte geben. Wichtig ist, dass das Geld effizient verteilt wird. Ich stehe auch dem Vorstoß von ÖOC-Präsident Stoss sehr offen gegenüber, die Betreuung in London hat ja perfekt funktioniert."

Wittman: "Wenn man alle Sportförderungen zusammenlegt, dann bricht der Breitensport komplett weg und dann ist gar nichts mehr da. Denn dann sagt jeder, ich will nur noch eine Medaille. Die Breite würde zur Gänze wegbrechen. Ich bin für eine Zweiteilung. Die Basis soll bei uns (BSO/Anm.) sein, die Spitzensportförderung beim ÖOC. Von mir aus kommt auch die Sporthilfe oder das TRWR dorthin. Das ist eine grundvernünftige Idee. So kommt eine vernünftige Summe für den Spitzensport zusammen."

Frage: Bei einer APA-Umfrage wurde sehr stark der fehlende Sport in der Schule sowie fehlende Sportstätten als Gründe für die Probleme genannt. Wie sehen Sie das?

Darabos: "Zum Thema Schulsport läuft seit Jahren eine Diskussion. Da bin ich etwas unglücklich. Durch die Schulautonomie hätte man ja die Möglichkeiten, am Nachmittag mehr Sport zu betreiben. Aber der Sport ist ein Abbild der Gesellschaft und in Österreich betreiben eben nur 20 Prozent Sport, auch die Lehrer, Eltern und die Kinder sind  demnach in diesem Prozentanteil. Sport ist sehr weit hinten angesiedelt. Die tägliche Turnstunde wird auch aus budgetären Gründen nicht so diskutiert, wie ich es gerne hätte. Möglichst viel Sport in der Schule ist die Grundlage der Nationen, mit denen wir uns vergleichen können. Dort gibt es wesentlich mehr Sport im Kindergarten und in der Schule."

Wittmann: "Unsere schulischen Grundlagen sind zu wenig. Wir wiederholen das gebetsmühlenartig, es wird aber nicht wahrgenommen. Dabei ist zu wenig Sport in den Schulen eine der schwerwiegendsten Ursachen. Zehnjährige können keinen Purzelbaum mehr. Erfolgreiche Länder haben ganz andere Systeme. Dort ist Sport keine Nebensache. Die immer dickeren Kinder bleiben uns bis ans Lebensende im Gesundheitssystem. Das kostet ein Vermögen. Sport in der Schule ist nicht nur die Basis für den Spitzensport, sondern auch Grundlage für eine Gesundheitsreform. Vielleicht hört man uns jetzt endlich zu. Jede Krise ist eine Chance, diese Chance sollte man nützen."

Frage: Und die mangelhafte Sportstruktur?

Darabos: "Das wäre mein vierter Bereich, den es zu verbessern gilt. Wir haben zwar schon einige Leistungsmodelle umgesetzt, aber die Signale der Sportler muss man ernst nehmen. Es waren Alarmzeichen, was Dinko Jukic, Caroline Weber oder Thomas Farnik in London gesagt haben."
 
Wittmann: "Diese Misere zeigen wir bei jedem Gespräch auf. Es ist ein infrastrukturelles Problem, wir bauen Sporthallen in Schulen nach einem System der 1950er-Jahre. Der Sporthallenbau gehört aktualisiert. Dazu fordern wir aber einen Sportstättenplan. Nicht das siebente Stadion und dafür keine anderen Hallen."

Frage: Nur an Herrn Wittmann: Ist der nichtstaatliche Bereich zu politisch? Was sagen Sie zu den Forderungen nach der Abschaffung der Dachverbände?

Wittmann: "Beim Politischen interpretiert man zu viel hinein. Ich habe fast ausschließlich bei Union-Vereinen Fußball gespielt, das war mir schon immer wurscht. Meinen Kindern ist das noch mehr egal, es zählt das beste Angebot. Die Dachverbände erfüllen die Aufgaben für den Breiten-, Gesundheits- , Alters- und Betriebssport, das sind alles gesellschaftspolitische Aufgaben. Wenn ich das zusammenlege habe ich 250.000 Freiwillige weniger und ein Viertel des Sportangebotes weniger. Wir haben keine Ersatzstruktur für die Dachverbände."

Frage: Wie geht es wann weiter?

Darabos: "Wir müssen die Reform unbedingt heuer noch auf Schiene bringen. Nur dann ist eine Wirkung gewährleistet, bis Rio sind es ja nicht nicht einmal mehr vier Jahre. Die Frage des Talente-Pools möchte ich noch im Herbst umsetzen, die Prime-Sportarten sind im Gesetz. Zu den Sportstätten gibt es gute Ansätze, für 2016 könnte es also bereits positive Auswirkungen haben. Ich muss mit der Koalition Einigkeit erzielen, ich möchte aber auch, dass die anderen Parteien eingebunden sind."

Wittmann: "Wir warten auf einen Termin vom Minister. Unsere Anmerkungen zum vorliegenden Entwurf sind bekannt, vieles ist schon erledigt. Ich hoffe, diesmal geht es schneller. Die Kernfrage ist aber das Ministerium. Das wäre eine alte Antwort auf neue Herausforderungen. In die Entscheidungspositionen gehören Fachleute und Ex-Sportler hin, die sich auskennen. Beim Spitzensport hat der Minister ohnehin den Durchgriff. Wir können die neuen Zielvereinbarungen gemeinsam mit dem Ministerium machen. Aber von Staatssport war in keiner der Reformdiskussionen die Rede, das ist veraltet. Jetzt ist das Eisen heiß, jetzt gehört es geschmiedet. Wir sollten uns über den Gesetzestext so schnell wie möglich einigen, damit es im Oktober beschlossen und 2013 in Kraft treten kann."